Familiengeheimnis anvertraut
»Das war Papa«, antwortet Janosch Vecernjes auf die Frage, wie er zum Messerschmieden gekommen sei. Sein Erstes fertigte er mit sieben Jahren – aus Eichenholz. Bereits damals hantierte er mit großen Messern im Garten der Großmutter in Gomaringen. Auch Vater Karolj hatte schon als Kind alte Nägel in Großmutters Küchenofen zum Glühen gebracht und daraus Klingen geschmiedet. »Ich hätte einfach von Anfang an Schmied werden sollen«, sagt der gelernte Maler und Restaurator. Versucht habe er es immer, so richtig funktioniert habe es aber nicht. Durch Zufall lernte der 54-Jährige vor gut 15 Jahren einen Messerschmied in der ungarischen Heimat seiner Mutter kennen und ging bei ihm gemeinsam mit seinem Sohn in die Lehre.Die Messerherstellung war dort das bestbehütetste Familiengeheimnis – seit mehr als drei Generationen. Während des Schmiedevorgangs und während des Härtens durfte zuvor keiner in der Schmiede sein", berichten die beiden. Doch der aus Ungarn stammende Karolj Vecernjes gewann das Vertrauen der Messerschmiede und überzeugte sie davon, ihr Wissen weiter zu geben. Zehn Jahre führten die Schmiede die beiden Bernlocher in die Geheimnisse des Handwerks ein. "Ich habe mich mein Leben lang mit Messern beschäftigt", sagt Karolj. "Wenn ich dort nicht in die Lehre gegangen wäre, würden mir entscheidende Bausteine fehlen, um solche Klingen herstellen zu können." Der fachliche Austausch mit den ungarischen Kollegen wird auch heute ständig gepflegt.
Jetzt fertigen Vater und Sohn ihre Messer in der eigenen Werkstatt – vom Stahlrohling bis zum individuell angepassten Messergriff aus Edelholz. Das Beste von früher und heute zu kombinieren, das ist ihr Anspruch. Die beiden nutzen dabei keine neuen, sondern ganz besondere Stahlsorten. »Wir arbeiten mit altem Material«, unterstreicht Karolj. Ein gut abgelagerter Stahl sei wie ein gut gelagerter Rotwein. Der Älteste im Fundus ist ein Panzerstahl von 1920, der für Jagdmesser und Wetzstähle genutzt wird. In den letzten 18 Jahren haben sie Material und Maschinen Stück für Stück komplettiert. Große Teile des ungarischen Seniorschmieds stehen heute in Bernloch, darunter die alte Pließtmaschine zum Schleifen und Polieren, die ursprünglich aus Solingen kam.
Nach dem Schmieden wird der Stahl gehärtet. Bis zu 1 000 Mal wird auf den Stahl geschlagen, bevor er weiter bearbeitet wird. Danach ist Fingerspitzengefühl gefragt. »Nie wärmer als handwarm«, so Karolj, dürfe die Klinge beim Schleifen und Polieren werden. Zum Schluss wird der Griff angepasst, je nach Wunsch aus Edelholz oder dem Holz aus dem eigenen Garten.
Neben den klassischen Gebrauchsmessern fertigen die beiden auch Damastmesser. Das sei die Königsklasse der Messerschmiedekunst. Allerdings produzieren sie die Rohlinge unter Anleitung eines befreundeten Messerschmiedes in Südungarn. »Hier nutzen wir die Erfahrung eines Vollprofis«, sagt Janosch Vecernjes. Wird er zu heiß geschmiedet, verschmelzen die Stahlschichten, sind die Temperaturen zu niedrig, faltet er sich auf. Damaszener-Stahl ist etwas ganz Besonderes: wie geschmiedeter Blätterteig, »allerdings geschlagen und nicht gewalzt«, das ist dem jungen Schmied wichtig. Auch der Pflegeaufwand sei hoch. »Der Nutzer muss sich auskennen«, so der 29-Jährige.
Den Handwerksberuf des Messermachers gibt es in Deutschland seit gut 20 Jahren nicht mehr. Das erfuhr Janosch, als er sich in die Handwerksrolle eintragen lassen wollte. Jetzt ist er als »Schneidwerkzeugmechaniker« registriert, berichtet er, »weil man mich nicht einsortieren konnte«. (GEA)