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Sparpläne: So sind Bauern aus der Region betroffen

Der Bund streicht Agrardiesel und die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Geräte. Die Bauern in der Region spüren direkt die Einkommensverluste und fürchten um die bäuerliche Kultur. Sie berichten dem GEA, warum sie nicht aufhören werden, zu protestieren.

Benjamin Weidlein (von links), Richard Glück, Helmut Munz, Petra Reiff und Nicole Reiber wünschen sich im neuen Jahr mehr Ahnung
Benjamin Weidlein (von links), Richard Glück, Helmut Munz, Petra Reiff und Nicole Reiber wünschen sich im neuen Jahr mehr Ahnung bei der Planung. Foto: Steffen Wurster
Benjamin Weidlein (von links), Richard Glück, Helmut Munz, Petra Reiff und Nicole Reiber wünschen sich im neuen Jahr mehr Ahnung bei der Planung.
Foto: Steffen Wurster

ENGSTINGEN. Eine Lohn- oder Gehaltserhöhung als Inflationsausgleich wünschen sich viele, die Gewerkschaften gehen oder gingen teilweise mit zweistelligen Prozentforderungen in die Tarifverhandlungen. Die Beschäftigten in Branchen, in denen Erhöhungen durchgesetzt werden konnten, können sich freuen, andere gehen leer aus. Die deutschen Bauern können sich da nur wundern: Ihnen wird ohne Vorankündigung das Gehalt gekürzt. Die Bundesregierung plant, die Steuererstattung für Agrardiesel - bisher 21,48 Cent pro Liter - zu streichen, außerdem soll die Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge entfallen. Das Landwirtschaftsministerium beziffert die zusätzliche steuerliche Belastung der Betriebe mit 900 Millionen Euro. Insgesamt will der Bund »umweltschädliche Subventionen« in Höhe von drei Milliarden Euro streichen - knapp ein Drittel davon müssten also die Bauern schultern. »Also ein Prozent der Bevölkerung«, rechnet Richard Glück, Landwirt aus Kleinengstingen, vor.

Weitere Aktionen geplant

Die Gruppe Traifelberg der Bauern-Bewegung »Land schafft Verbindung« (LSV) bereitet sich auf die nächste Aktion vor, einige der Aktiven haben sich bei Richard Glück getroffen, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Die Traifelberger haben bereits im Dezember ein Mahnfeuer am Engstinger Kreisel entzündet und sich an der Traktorensternfahrt gen Stuttgart beteiligt als Protest gegen die geplanten Mehrbelastungen. Dabei soll es nicht bleiben, die Landwirte planen am Montag eine weitere Aktion. Die Abstimmungen mit den zuständigen Behörden laufen noch, über Ort und Zeit können die LSV-ler daher noch nichts sagen. Der Bauernverband dürfte mit an Bord sein, auch die Nebenerwerbslandwirte: »Mittlerweile sind alle aufgewacht.«

Im Dezember haben die Landwirte mit Mahnfeuern, hier am Traifelberg, auf ihre Anliegen aufmerksam gemacht.
Im Dezember haben die Landwirte mit Mahnfeuern, hier am Traifelberg, auf ihre Anliegen aufmerksam gemacht. Foto: Steffen Schanz
Im Dezember haben die Landwirte mit Mahnfeuern, hier am Traifelberg, auf ihre Anliegen aufmerksam gemacht.
Foto: Steffen Schanz

Der LSV hatte im Jahr 2019 mit Mahnfeuern und Treckerdemos bundesweit Schlagzeilen gemacht, Anlass war damals unter anderem die Neufassung der Düngemittelverordnung. Die Bauern wollen dieses Mal die Schlagzahl erhöhen. »Die geplante Einsparung einseitig zu unseren Lasten muss wieder weg«, macht Glück klar. Dass LSV und der Deutsche Bauernverband an einem Strang ziehen, erhöht die Schlagkraft. Auch der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, hat in seiner Rede in Berlin weitere Aktionen angekündigt.

Das knappe Zeitfenster bis zum Montag ist für den LSV kein Problem, die Aktivisten sind gut vernetzt: 394 Mitglieder zählt die Traifelberger Whatsapp-Gruppe, 905 die Gruppe Reutlingen/Tübingen und 874 die Gruppe »Handwerk«. Warum Handwerk? »Auch die Handwerker haben die Nase voll von verordneten Kostensteigerungen und immer mehr Vorschriften«, erklärt Glück. Handwerker, aber auch Gastronomen und Spediteure hätten sich jetzt ähnlich wie der LSV organisiert: »Geht zum nächsten Bauern, der weiß wie`s geht«, hätten sie erfahren.

»Wir können nicht von Diesel auf Elektro umsteigen wie ein Taxiunternehmen, die Geräte gibt es einfach nicht«

Der Wegfall der Subventionen bei Agrardiesel und der Kfz-Steuer trifft die Bauern direkt. 12.000 bis 14.000 Euro pro Jahr dürften ihm am Jahresende fehlen, hat Glück überschlagen. Beim Milchviehbetrieb, bei dem Benjamin Weidlein aus Melchingen beschäftigt ist, dürften es noch deutlich mehr sein. »Und der Milchpreis im Supermarkt richtet sich nach dem Markt, nicht nach unseren Kosten«, ist Weidlein klar. Die Steuererhöhung spült Geld in die Kassen des Bundes, eine Lenkungsfunktion weg von fossilen Kraftstoffen hat sie aber nicht: »Wir können nicht von Diesel auf Elektro umsteigen wie ein Taxiunternehmen«, sagt Glück, »die Geräte gibt es einfach nicht.«

»Immer mehr, immer neue, unsinnige Vorschriften. Ich überlege mir jeden Morgen, was ich noch darf und was nicht mehr. «

Wegen anderer Vorschriften dürfte sich der Dieselverbrauch auf dem Acker eher noch steigern. »Unkraut kann man zum Teil maschinell statt durch Pestizide in den Griff bekommen«, erklärt Helmut Munz, der in Pfullingen Milchvieh hält und Bullen mästet. »Aber dann muss man öfter über den Acker.« Der sogar von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir beklagte Schnellschuss aus Berlin mache daher deutlich: In den Ministerien in Berlin und Stuttgart fehle einfach der Sachverstand: »Früher wurden vor einer Verordnung die Agrar-Professoren in Hohenheim gefragt, mittlerweile beraten die Umweltverbände«, beklagt Petra Reiff, »Landwirtin aus Leidenschaft« aus Holzelfingen.

Die mangelnde Praxisnähe und überbordende Regelungswut, trotz aller Lippenbekenntnisse zum Bürokratieabbau, präge mittlerweile den Alltag auf den Höfen. "Unsere Milchkühe stehen auf der Weide", erzählt Weidlein, "solange halten wir in einem Bericht fest, welches Tier genau und wie lange." Ob der Ausflug an der frischen Luft von Kuh Elsa und ihren Schwestern auch genau im Weidetagebuch festgehalten wird, wird per Satellit überprüft: »Immer mehr, immer neue, unsinnige Vorschriften. Ich überlege mir jeden Morgen, was ich noch darf und was nicht mehr. «

Zu den aktuellen Belastungen kommen Kürzungen bei Subventionspaketen. Und wie sich die generelle Verteuerung von Betriebsmitteln finanziell auswirken werde, könne noch gar nicht beziffert werden, sagt Munz. Nicole Reiber betreibt in Undingen einen »Mini-Pferdehof«, ist Pferdetherapeutin und macht sich Sorgen um ihr Geschäftsmodell. »Wenn der Ballen Heu immer teurer wird, überlegen sich die Tierhalter, wo gespart werden kann. Am Hufschmied, am Tierarzt oder der Therapeutin. Oder ob überhaupt noch einmal ein Pferd angeschafft wird.«

»Gespart wird an Investitionen, das Eigenkapital wird aufgezehrt, eine Hofübergabe wird so nicht leichter«

»Wir können zwei oder drei schlechte Jahre aushalten, aber dann müssen die Reserven wieder aufgefüllt werden.« Danach sehe es aber in der Agrarpolitik nicht aus, es müsse gespart werden. Wenn's beim Sprit nicht geht, bei den anstehenden Investitionen. »Dann muss der Schlepper statt zwölf eben 18 Jahre halten«, sagt Glück. Das merke mittlerweile auch die Agrargeräteindustrie. Und auf den Höfen wachse der Subventionsstau: »Das Eigenkapital wird aufgezehrt, eine Hofübergabe wird so nicht leichter«, macht sich Glück Sorgen um die Zukunft der von Familienbetrieben dominierten Branche. Dass Betriebe von Investoren ohne Bezug zu Land und Heimat übernommen werden, beobachten die Bauern schon jetzt in der Region.

»Ohne Bauern stirbt das Land«, sind sich die fünf einig: »Wer stellt den Maibaum? Wer hilft mit Gerät im Katastrophenfall? Ohne Bauern geht doch nichts.« Es geht den Traifelbergern also um mehr, als um den schmerzhaften Griff in den Geldbeutel, es geht um die bäuerlich geprägte Kultur über die Höfe hinaus. Dafür wollen sie kämpfen und den Druck auf die Politik aufrechterhalten. Neujahrswünsche haben sie genug: Vertrauen in ihren Sachverstand und mehr Nachdenken vor neuen Verordnungen stehen ganz oben auf der Liste. (GEA)