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Sonnenbühler entdecken erneut ein seltenes Gemüse

Erst war es die Haferwurzel, jetzt ist es der Knollenziest: Bio-Gärtner Andreas Werner aus Willmandingen baut das außergewöhnliche Gemüse an, Sternekoch Gerd Windhösel verarbeitet es und serviert es seinen Gästen im Hirsch in Erpfingen.

Andreas Werner und Gerd Windhösel machen seit Jahren gemeinsame Sache. Neuestes Projekt von Bio-Gärtner und Sternekoch ist der K
Andreas Werner und Gerd Windhösel machen seit Jahren gemeinsame Sache. Neuestes Projekt von Bio-Gärtner und Sternekoch ist der Knollenziest. Foto: Cordula Fischer
Andreas Werner und Gerd Windhösel machen seit Jahren gemeinsame Sache. Neuestes Projekt von Bio-Gärtner und Sternekoch ist der Knollenziest.
Foto: Cordula Fischer

SONNENBÜHL. Früher wuchsen auf dem Krautland von Gerd Windhösel Kartoffeln. Für diese Knollen war es dort aber eigentlich zu feucht, nicht gut für die Grombiera, die von Fäule befallen wurden. Und da der Sternekoch sowieso immer auf der Suche nach speziellen Zutaten ist und in Andreas Werner einen super Partner aus dem landwirtschaftlichen Bereich gefunden hat, kaspern die beiden Männer Jahr um Jahr etwas Besonderes aus. »Gerd sagt, ,das will ich haben', und ich habe keine Chance abzulehnen, wenn er mit dem Saatgut um die Ecke kommt«, sagt Andreas Werner, der sich dann aber richtig reinfuchst. Andreas Werner recherchierte, machte einen kleinen Versuch, schmuggelte den Knollenziest in die Kräuterschnecke seiner Frau ein, bevor er ihn in größerem Stil anpflanzte. Schließlich bedeutet das Kultivieren eines solchen Sonderlings ein Anbaurisiko, zusätzlichen Aufwand. Denn klar ist, was Werner aus dem Boden holt, nimmt Windhösel ihm dann auch ab. Sonst würde so ein Projekt in den Kinderschuhen stecken bleiben, sagt der Koch.

Sieht ungewöhnlich aus: der Knollenziest.
Sieht ungewöhnlich aus: der Knollenziest. Foto: Cordula Fischer
Sieht ungewöhnlich aus: der Knollenziest.
Foto: Cordula Fischer

In Europa wurde Crosne, so der französische Name, im 19. Jahrhundert in dem deutschen Nachbarland eingeführt. Der nussig schmeckende Knollenziest war beliebt, geriet aber in Vergessenheit. Vor 20 Jahren, erinnert sich Gerd Windhösel, habe alle Welt, also Gastronomen, danach gerufen, Frische-Lebensmittelgroßhändler für Restaurants wie Rungis haben den Ziest vertrieben - so wertvoll wie Trüffel. Für den Export sei der Knollenziest nicht so sehr geeignet, sagt Gerd Windhösel, seine Verwendung sei somit hauptsächlich auf seine Anbauregionen begrenzt. »Und wenn ich hier tolle Produkte bekomme, muss ich sie nicht sonst wo her beziehen.«

Im Sommer haben sich erst kleine Knötchen am Ende der Wurzeln des Knollenziest gebildet.
Im Sommer haben sich erst kleine Knötchen am Ende der Wurzeln des Knollenziest gebildet. Foto: Cordula Fischer
Im Sommer haben sich erst kleine Knötchen am Ende der Wurzeln des Knollenziest gebildet.
Foto: Cordula Fischer

Jedes herkömmliche Gemüse, das Andreas Werner anbaut und Gerd Windhösel von ihm bezieht, hat seine Berechtigung, aber ein seltenes Gewächs »bereichert die Fantasie«, vor allem auch visuell, wenn es so außergewöhnlich aussieht wie Crosne. »Niemand hat sich vorstellen können, was es mit dem Blattwerk auf sich hat«, sagt Gerd Windhösel. Knollenziest auf der Alb anzubauen, war für beide Neuland. »Wir haben beide Spaß daran, etwas Neues auszuprobieren«, sagen Gastronom und Gärtner. »Der Ziest braucht Nässe, aber keine Staunässe«, sagt Andreas Werner. Im Frühjahr hatte er die Wiese auf dem ehemaligen Windhösel-Krautland in Erpfingen umgebrochen, 40 Zentimeter hohe Dämme in zwei Reihen aufgehäufelt und die Samen in die Erde gebracht. Das Feld war Teil des Sonnenbühler Genusswegs - in direkter Nachbarschaft von Lauch und dem Safran-Demonstrationsfeld von Frank Bahnmüller. Zur Eröffnung des Themenwegs im Sommer waren die Stiele und Blätter zu sehen. Was sich unterirdisch tat, war für Windhösel und Werner spannend. Damals hatten sich erst lange weiße Wurzeln mit kleinen dicken Knötchen an den Enden gebildet. Noch nicht zuerkennen, welch tolle Knolle daraus werden wird.

Andreas Werner auf dem Krautland-Acker, der auch Teil des Genusswegs war. Neben dem Knollenziest wächst Lauch - als Vorbereitung
Andreas Werner auf dem Krautland-Acker, der auch Teil des Genusswegs war. Neben dem Knollenziest wächst Lauch - als Vorbereitung auf die nächste seltene Gemüsesorte. Foto: Cordula Fischer
Andreas Werner auf dem Krautland-Acker, der auch Teil des Genusswegs war. Neben dem Knollenziest wächst Lauch - als Vorbereitung auf die nächste seltene Gemüsesorte.
Foto: Cordula Fischer

Das Jahr war eigentlich optimal, nicht zu trocken im Verlauf, aber immer mit feuchten Tagen durchsetzt. »Die Einschnürungen werden massiver, je mehr Wasserschwankungen es gibt. Ob das in trockenen Sommern weniger ist, wird spannend sein zu sehen«, sagt Andreas Werner. Die Ernte ist mittlerweile eingefahren, auf dem Wochenmarkt erregen die mit ihren Einschnürungen skurril aussehenden Knollen Aufmerksamkeit. Erfahrungen mit ihrer Zubereitung werden die wenigsten Kunden haben. Auch für Gerd Windhösel geht das Experimentieren los. Denn letztlich wissen der Gärtner und der Koch nicht, wie lang sich der Knollenziest lagern lässt, vielleicht zwei bis drei Monate bei einem Grad. Und wie bei Kartoffeln auch baut sich die Stärke um, je länger der Ziest liegt. Wichtig ist es also unter anderem für Gerd Windhösel, die knackige Konsistenz zu konservieren, denn »die macht das Gemüse aus«.

Der Knollenziest in zweierlei essigsaurem Sud eingelegt: links mit Safran, rechts mit Kräuternote.
Der Knollenziest in zweierlei essigsaurem Sud eingelegt: links mit Safran, rechts mit Kräuternote. Foto: Cordula Fischer
Der Knollenziest in zweierlei essigsaurem Sud eingelegt: links mit Safran, rechts mit Kräuternote.
Foto: Cordula Fischer

Zunächst aber geht's ans penible Putzen, »am besten mit einer Zahnbürste, um die Erde aus allen Vertiefungen zu bekommen«, sagt Andreas Werner. Schälen muss man Crosne aber nicht. Zum Glück, denn das wäre eine Heidenarbeit. Was also kann man mit dem Knollenziest anstellen? Letztlich ganz einfach: In Butter oder Öl, mit Thymian oder Rosmarin und etwas Knoblauch braten, sagt Gerd Windhösel. Als rohes Gemüse oder kurz erhitzt ist er genießbar. Gerade hat er ihn zunächst blanchiert und dann versucht, ihn zu frittieren - in dreierlei Ausführung: einmal in Stärke, einmal in Weizen- und einmal in Buchweizenmehl gewälzt. Stärke macht das Ergebnis knuspriger, der Buchweizen würziger. Der Knollenziest passt dann gut zu einem kurzgebratenen Stück Fleisch oder zu Fisch. Oder zu Salat mit Linsen und Buchweizen.

Ungewöhnliches Aussehen, knackige Konsistenz: der Knollenziest, nachdem er im Safran-Essig-Sud gezogen hat.
Ungewöhnliches Aussehen, knackige Konsistenz: der Knollenziest, nachdem er im Safran-Essig-Sud gezogen hat. Foto: Cordula Fischer
Ungewöhnliches Aussehen, knackige Konsistenz: der Knollenziest, nachdem er im Safran-Essig-Sud gezogen hat.
Foto: Cordula Fischer

Als Beigabe zu Käse oder Schinken funktioniert er auch. Dann, wenn er eingelegt ist und eben den Knack behält. Zwei Versionen hat Gerd Windhösel ausprobiert. Einen Sud wie für anderes eingelegtes Gemüse hat er mit Kräuteressig zubereitet, den anderen mit Safran verfeinert - Ziest und Safran waren ja wie erwähnt beim Genussweg schon Nachbarn. Sud gekocht, den Ziest übergossen und die Gläser zehn Tage in der warmen Küche stehen und das Gemüse ziehen lassen: Das Ergebnis kann sich schmecken lassen. Das Aroma des Crosne gelangt zwar etwas in den Hintergrund, die Konsistenz, der Biss aber überzeugt. Beide Varianten haben ihren Reiz.

Eine echte Bereicherung in der Küche: der Knollenziest.
Eine echte Bereicherung in der Küche: der Knollenziest. Foto: Cordula Fischer
Eine echte Bereicherung in der Küche: der Knollenziest.
Foto: Cordula Fischer

Knollenziest ist nicht gemacht, um andere Gemüsearten zu verdrängen oder zu ersetzen, die Karotte, vor allem die lila Variante, macht Gerd Windhösel nach wie vor zum Star in unterschiedlichen Zubereitungsarten. Auch die Haferwurzel - die Ernte in diesem Jahr war richtig gut - landet im Hirsch auf den Tellern. Flower Sprouts ebenso wie andere Pflanzen. »Wer braucht da Zuckerschoten aus Zimbabwe?«, wenn die eigene Scholle so große Vielfalt und Besonderes hervorbringt, sagt Gerd Windhösel. Und der hat schon wieder die nächsten Samentütchen geordert und Andreas Werner in die Hand gedrückt. Die Körnchen kamen direkt in die Erde, die Pflanze, um die es sich handelt, ist ein Frostkeimer. Mehr wird noch nicht verraten, nur so viel: Auf dem Acker, auf dem sie wachsen wird, stand vorher Lauch, denn mit Karotte oder Pastinake wäre die nach Marone schmeckende Rübe nicht kompatibel. Und so haben sich der Gastronom und Gärtner schon wieder die nächste Gemüsegeschichte ausgedacht, über deren Gedeihen in der kommenden Erntesaison berichtet wird. (GEA)