SONNENBÜHL. Von Reutlingen nach Sonnenbühl pendeln, sollte er am 9. November die Bürgermeisterwahl gewinnen: Das kommt für Michael Schmidt nicht infrage. Mit seiner Familie, Frau und zwei Töchtern, würde er nach Sonnenbühl ziehen, da gibt es nicht den geringsten Zweifel. Für seine Kandidatur und den Wohnortwechsel hätten sie sich als Familie bewusst entschieden. Sonnenbühl kennt der 37-Jährige, noch besser hat er die Gemeinde kennengelernt, seit er seit dem 11. Juli in Sonnenbühl unterwegs ist, um für sich zu werben, um mit Menschen zu reden, zuzuhören, Kontakte zu knüpfen. »Wir haben uns hier sofort wohl gefühlt.« Der Bürgermeister müsse vor Ort leben, müsse wissen, was in der Gemeinde läuft, den Menschen zuhören.
Wo sollte wohl das neue Domizil sein? In einem Neubaugebiet? In einem der vier Teilortskerne? »Da, wo es passt«, sagt er, aber damit ist Michael Schmidt gleich im Thema, denn er wünscht sich lebendige Ortskerne, in denen fußläufig erreichbare Einkaufsmöglichkeiten und Treffpunkte erhalten bleiben oder entstehen. Den hohen Leerstand an innerörtlichen Häusern müsse man angehen, er sehe einen Mangel an modernem Wohnungsbau, der Ansprüchen von jungen Menschen entspricht, und zu wenig barrierefreien Wohnraum. Und natürlich sind da die alten Baugebiete und neue, zum Beispiel Filz II in Erpfingen, dessen Entwicklung ruht, ausgebremst von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, das entschieden hatte, dass das nach Paragraf 13b im Baugesetzbuch beschleunigte Verfahren zur Entwicklung von Baugebieten nicht mehr zulässig ist. Insgesamt eine »drängende Aufgabe« für den neuen Bürgermeister, Klarheit zu schaffen, wie es weitergeht. Innenentwicklung und Baulanderschließung seien komplexe Aufgaben, »ein Marathon, kein Sprint«, sagt Schmidt, Wohnraum und Bauplätze zur Verfügung zu stellen, sei aber wichtig für viele andere Bereiche und habe Auswirkungen, die Kreise ziehen - für Wirtschaft, (Einzel-)Handel, Schulentwicklung, Kinderbetreuung. »Wir müssen schauen, dass wir gesund wachsen können«, das gelte auch für Gewerbeflächen.
»Mein Beruf macht mir Spaß, ich will aber konkret etwas anpacken«
Den Wunsch, Bürgermeister zu werden, habe er während der vergangenen Jahre entwickelt. Geprägt durch Kindheit und Jugend als Sohn eines Gemeindepfarrers in Reutlingen, habe er erlebt, wie wichtig es sei, ansprechbar für die Anliegen der Menschen zu sein. Mit seiner Ausbildung und seinem Beruf - nach Rechtswissenschaftstudium und Verwaltungsausbildung arbeitete er im Deutschen Bundestag und seit 2022 in Leitungsfunktion im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg - empfiehlt er sich mit Sach- und Fachkenntnis in Theorie und Praxis fürs Amt. »Mein Beruf macht mir Spaß, ich will aber konkret etwas anpacken«, sagt er zu seiner Motivation. Nun habe er die richtige Reife, den Job als Bürgermeister zu meistern. »Ich will hier Verantwortung übernehmen.«
Verlässliche Kinderbetreuung sei ein Muss. Eine Baustelle, »es ist wichtig, da Stabilität reinzubringen«. Zum einen gehe es um Personalmarketing und moderne Werbung, um Fachkräfte zu gewinnen, ihnen gute Angebote zu machen, man müsse aber auch das bestehende Betreuungsangebot überdenken, es an die Bedarfe anpassen. Auch das Thema Ganztagsbetreuung ist eine Herausforderung, bei der »wir zügig zu Potte kommen müssen«. Sonnenbühl profitiere von einer funktionierenden Gemeinschaft, die bereits Vorschläge gemacht hat, nun gehe es darum, die Ideen auf Umsetzbarkeit zu prüfen.
Auf der Agenda hat Michael Schmidt auch den ÖPNV. »Wir als Sonnenbühler werden die Regionalstadtbahn über die Kreisumlage mitzahlen, deshalb ist mein Anspruch als Bürgermeister, eine gute Anbindung für Sonnenbühl hinzubekommen.« Eine Aufgabe, die man schnell angehen müsse, sonst sei der Zug für die nächsten Jahre abgefahren. Wirtschaftsförderung sei Sache des Bürgermeisters, findet Michael Schmidt und dass es ein Mehr an Vernetzung geben müsse. Und was er noch tun möchte: Sonnenbühl als Gesunde Gemeinde zertifizieren lassen. Gesundheit und Gesundheitsförderung müssen strukturell in der Gemeindepolitik verankert sein, Bürgerbeteiligung gehöre dazu. Man müsse ausloten: »Was könnte uns noch gesünder machen?«
Ein schlüssiges Tourismuskonzept muss erarbeitet werden, sagt Michael Schmidt. Neue, zielgruppengerechte Angebote, Ausgaben effizienter gestalten, die Infrastruktur verbessern, die nicht nur Touristen, sondern auch Einheimischen zugute kommt: »Da schlummert noch viel Potenzial.« Das Thema will er nicht nur auf Erpfingen bezogen denken.
»Ich bin kein Diktator als Führungskraft, aber es muss klare Regeln geben, die einzuhalten sind«
Ehrenamtliches Engagement ist Michael Schmidt sehr wichtig. Er selbst sei »vielfältig ehrenamtlich engagiert, beispielsweise als DRK-Vorsitzender in Reutlingen, Rettungssanitäter – ich fahre noch regelmäßig mehrmals im Monat Rettungswagen – oder Ausbilder in Erster Hilfe, außerdem als Elternsprecher im Kindergarten.« Und so will er auch die Sonnenbühler unterstützen, eine Ehrenamtskarte einführen, Vereine und ortsteilübergreifende Kooperationen, Fördermöglichkeiten nutzen.
"Ich bin jemand, der in einer modernen Verwaltung arbeitet", sagt Michael Schmidt. Sein Büro: papierlos. Digitalisierung bringe Effizienzgewinne für die Verwaltung, aber auch für die Bürger. Er will sie besser strukturieren, schneller und schlagkräftiger machen, sodass die Sonnenbühler im Rathausteam einen Dienstleister vorfindet, der auf Anfragen antwortet und Aufgaben effizient abarbeitet. Ziele seien zu definieren und umzusetzen. Bürgersprechstunden soll es geben, auch Bürgerempfänge oder andere neue Formate. »Ich bin kein Diktator als Führungskraft, aber es muss klare Regeln geben, die einzuhalten sind«: Teamorientiertes Arbeiten lautet die Devise. Von bestehenden Problemen ist er überzeugt, dass sie zu lösen seien, entsprechende Erfahrung bringe er mit.
Der Kandidatencheck
Zehn Fragen an Michael Schmidt
Als Bürgermeister muss man: »Rückgrat haben und auf Menschen zugehen können«.
Mit diesen drei Eigenschaften beschreibe ich mich: »Ich bin engagiert, kreativ und humorvoll.«
Meine größte Schwäche ist: »Ein gewisses Faible für gutes Essen (selbst gekocht oder gegrillt).«
An Sonnenbühl gefällt mir: »die Gemeinschaft.«
Mein Motto lautet: »Frischer Wind für Sonnenbühl.«
Mit dieser Persönlichkeit würde ich gern zu Abend essen: »Manfred Rommel (Stuttgarter Oberbürgermeister von 1974 bis 1996, berühmt für seine humoristisch-ironische Bonmots)«.
Meine Lieblingsbeschäftigung in der Freizeit ist: »Am liebsten in der Natur aktiv sein, wandern, bergsteigen.«
Das unterscheidet mich von meinen Mitbewerbern: »Ich komme von außen und habe einen neutralen Blick auf alle vier Ortsteile, und weil ich aus Bundes- und Landesverwaltungsebenen komme, habe ich einen anderen Blick auf Verwaltung.«
Meine erste Amtshandlung als Bürgermeister wird sein: »durch eine funktionierende Verwaltung eine Basis zu schaffen, um meine Ideen umzusetzen.«
Den Wahlabend verbringe ich: »vor dem Undinger Rathaus in gespannter Erwartung des Wahlergebnisses.«
»Neuen Wind nach Sonnenbühl zu bringen« - so sein Motto - »heißt nicht, alles aufzulösen und neu anzufangen, aber Strukturen zu schaffen, um Sonnenbühl zukunftssicher und konsequent weiterzuentwickeln.« Und nachhaltig zu wirtschaften. Dazu gehöre auch transparentere Kommunikation, Vermittlung von Informationen und das Sichtbarmachen von Ergebnissen, der Bürgermeister selbst müsse in sozialen Medien präsent sein. Politik für Sonnenbühl müsse Sachpolitik sein, sie müsse ideologiefrei gemacht sein. Diese Neutralität will sich Michael Schmidt auch im Amt bewahren.
Die Sonnenbühler haben die Gelegenheit, die Bürgermeisterkandidaten noch besser kennenzulernen. Der Reutlinger General-Anzeiger lädt am Mittwoch, 29. Oktober, um 19 Uhr zum GEA-Wahlpodium in die Sporthalle in Sonnenbühl-Genkingen ein. Es wird moderiert von GEA-Redakteurin Cordula Fischer, es geht um Charme und Schlagfertigkeit und in zwei Fragerunden um lokale Kompetenz und kommunale Themen. Anschließend können auch die Bürger den Kandidaten Fragen stellen. (GEA)

