Logo
Aktuell Geschichte

So erlebten Steinzeit-Älber den Winter

In der Altsteinzeit waren die Sommer auf der Alb kurz, die Winter lang und hart, trotzdem lebten hier Menschen. Die Ur-Älbler verfügten über Techniken, mit denen es sich unter den harrschen Bedingungen überleben ließ. Pelze, Feuer, Unterkünfte sorgten dafür, dass vielleicht gefroren, aber nicht erfroren wurde. Johannes Wiedmann, Archäologe am Urgeschichtlichen Museum in Blaubeuren, beschreibt, wie es gewesen sein könnte.

Die Landschaft um Blaubeuren in der Eiszeit im Frühjahr.  GRAFIK: URMU
Die Landschaft um Blaubeuren in der Eiszeit im Frühjahr. GRAFIK: URMU Foto: Urmu
Die Landschaft um Blaubeuren in der Eiszeit im Frühjahr. GRAFIK: URMU
Foto: Urmu

BLAUBEUREN. Es ist kalt draußen. Vielleicht nicht mehr so kalt und schneereich, wie es mal war. Aber Lust zum Zelten bekommt man im Winter auf und um die Alb nicht. Macht nichts, es gibt ja Häuser, Kachelofen und Wärmepumpe, Fußbodenheizung und zur Not noch die Heiz-decke. Aber hier in der Region lebten ja schon Menschen, bevor die Zentralheizung erfunden wurde, lange vorher. Und wie kamen denn unsere Altvorderen zu recht, die im Zeitraum vor 45.000 bis vor 30.000 Jahren die Alb besiedelten?

Kleidung, Feuer, Wetterschutz – wenn das vorhanden ist, können es Hartgesottene im Winter auch ohne Stein- oder Betonhäuser aushalten, meint Johannes Wiedmann, Archäologe am Urgeschichtlichen Museum in Blaubeuren (Urmu).

Eiszeit-Schönheit: Das Haar des Pelzes wurde nur zu besonderen Anlässen nach außen getragen.  FOTOS UND GRAFIK: URMU
Eiszeit-Schönheit: Das Haar des Pelzes wurde nur zu besonderen Anlässen nach außen getragen. Foto: Urmu
Eiszeit-Schönheit: Das Haar des Pelzes wurde nur zu besonderen Anlässen nach außen getragen.
Foto: Urmu

Im Urmu wird die Siedlungsgeschichte auf der Alb in der Altsteinzeit erforscht und präsentiert. Experimentelle Archäologie gehört dazu, auch für Besucher, die einmal eine Speerschleuder ausprobieren oder Feuer ohne Streichhölzer entfachen wollen. Mit Feuersteinen allein klappt das übrigens nicht. Zwei aneinandergeschlagene Feuersteine geben zwar auch einen Funken, der ist aber zu kalt, um Zunder zu entzünden. Flint (Feuerstein) auf Pyrit klappt aber, beides wurde in den Höhlen im Aach- und Lonetal zwischen Blaubeu-ren und der Ostalb gefunden.

»Zum Anfeuern braucht es Flint und Pyrit, Feuerstein allein reicht nicht«

Feuer gab es also schon, Brennholz war aber knapp. Die Alb-Hochfläche war vor dreißigtausend Jahren nicht oder nur spärlich bewaldet. Auf der Steppe hielten große Pflanzenfresser den Bewuchs im Griff, »Verbiss« hatte damals eine ganz andere Bedeutung, unsere vom zierlichen Rehwild geplagten Förster würden Schnappatmung bekommen. Ein Mammut braucht pro Tag etwa 200 Kilogramm Futter, Rentiere, Wildpferde und anderes Getier wollen auch fressen.

Mit dem Flächenlos war es also nicht weit her, und Brennholz sollte ja erst mal ein Jahr trocknen. Die Menschen damals waren Wanderer, erklärt Wiedmann, wenn man nach ein paar Monaten wieder ein bekanntes Lager aufsuchte, hätte der Holzpolder vielleicht schon andere Liebhaber gefunden. Passiert heute ja auch noch ab und an. Also hat man eher mit Knochenkohle geheizt und gekocht, im Geißenklösterle finden sich tiefe Schichten der abgebrannten Reste. »Knochen brennt ganz gut«, hat Wiedmann ausprobiert, die Reste anhaftenden Fetts wirken wie Grillanzünder.

Jurte oder Hüte: Gebaut wurde mit Tierhäuten.
Jurte oder Hüte: Gebaut wurde mit Tierhäuten. Foto: Urmu
Jurte oder Hüte: Gebaut wurde mit Tierhäuten.
Foto: Urmu

Wie die sibirische Tundra oder Lappland darf man sich die Alb-Eiszeit-Steppe nicht vorstellen, eher wie die Serengeti mit großen Tierarten und einer artenreichen, blühenden Pflanzenwelt – Mist gab es ja genug. Und wir liegen deutlich südlicher, eine arktische Nacht mit monatelanger Dunkelheit gibt es hier nicht. Die Tage waren damals auch nicht kürzer, schmunzelt Wiedmann.

Das Klima war trotzdem härter. Weite Teile Europas lagen unter einem Eispanzer, Gletscher und Polarkappen banden viel Wasser, die britischen Inseln konnten trockenen Fußes erreicht werden, das Meer war weit weg, weite Teile der Nord- und Ostsee waren Landfläche. Vor 23.000 Jahren lag der Meeresspiegel bis zu 120 Metern tiefer als heute.

Das Wetter war also kontinentaler, vergleichsweise heiß im kurzen Sommer, kalt und trocken im Winter – die Eismassen banden das Wasser aus der Luft. Schneeschnippen war also selten angesagt, die Winterkehrwoche musste noch nicht erfunden werden.

Winterkleidung schon, getragen wurden wohl vor allem Pelze, die waren allerdings nicht so elegant wie der Mantel oder die Jacke vom Kürschner. Die Haarseite wurde nach innen getragen, wie man es auch bei den Inuit sehen kann. Die Haare isolieren, das glatte Leder außen schützt vor Niederschlag und Schmutz und hält bei der Arbeit oder der Jagd mehr aus. Bei festlichen Anlässen wurde der Fuchs vielleicht nach außen getragen, wie heute auch zum Angeben. Denn wie man sich rausputzt, wusste man auch schon in der Altsteinzeit. Die einzigartigen – und zahlreichen – Doppellochperlen, die man im Urmu besichtigen kann, zeugen von Kunstsinn und Stil.

Knochen dienten als Brennmaterial.
Knochen dienten als Brennmaterial. Foto: Urmu
Knochen dienten als Brennmaterial.
Foto: Urmu

Minus 30 Grad, lange Winter – saßen die Älbler da ständig in Höhlen? Eher nicht, glaubt Wiedmann. In den Höhlen auf der Alb herrscht eine Dauertemperatur von sieben Grad Celsius, übers ganze Jahr. Das ist im Winter deutlich wärmer als draußen vor der Höhlentür, kuschlig ist es aber nicht. Die Menschen in der Eiszeit waren keine Höhlenmenschen, weiß Wiedmann. Es ist nur so, dass in Höhlen Hinterlassenschaften besser konserviert werden, was dazu führt, dass vor allem in ihnen Funde gemacht werden. »Von einem Feldlager aus Holz, Knochen und Tierdecken finden wir eben nichts mehr«, erklärt Wiedmann.

Einige Reste von menschlichen Aktivitäten findet man aber auch im Offenland. Einfache Behausungen aus Tierhäuten konnten in Jurten- oder Hüttenform ge-baut worden sein. Vielleicht verstärkt mit niedrigen Trockenmauern, die Funde sind allerdings spärlich. Von Iglus wäre natürlich nichts übrig, auch nicht von Schneemännern oder -frauen.

Die Höhlen wurden natürlich genutzt, und auch spärlich beheizt, aber nur im Eingangsbereich, davon zeugt Knochenkohle. Im tiefen Inneren wäre der Rauch nicht abgezogen, Kamine wurden erst im Mittelalter erfunden. Was man machen konnte, war ein Windfang, eine Rekons-truktion ist im Urmu zu sehen. Außerdem musste man sich die Höhlen ab und an mit Höhlenbären teilen. Die waren zwar Pflanzenfresser, aber trotzdem keine Teddys.

DAS URMU BLAUBEUREN

Das Urgeschichtliche Museum in der Altstadt von Blaubeuren am Kirchplatz 10 hat von November bis März Dienstag bis Samstag von 14 bis 17 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Aufgrund von Umbauarbeiten hat das Urmu vom 13. bis zum 17. Januar 2025 geschlossen. Noch bis zum 12. Januar kann die Sonderausstellung »Eiszeitwesen. Moderne Perspektiven zur Eiszeitkunst« besichtigt werden. Zehn international namhafte Gegenwartskünstler haben sich von den archaischen Motiven der frühen Jäger- und Sammlergesellschaften inspirieren lassen. (GEA) www.urmu.de

Und wenn man schon ein Feuer hat, wird auch gegrillt oder sogar gekocht. Wie man eine kräftige Brühe ohne Maggi-Würfel zubereitet, wird im Urmu immer wieder vorgeführt: Man nehme eine Tierhaut, fülle sie mit Wasser, gebe Fleisch, Knochen und Kräuter hinzu. Erhitzt wird die Suppe mit heißen Steinen aus der Glut, nicht mit der Flamme des Lagerfeuers. Mit der wärmenden Suppe im Teller konnte man dann wieder in die Hütte oder Höhle kriechen. Außerdem konnte geräuchert, die Jagdbeute konserviert werden, obwohl das im Winter bei Tiefkühlschranktemperaturen  keine große Rolle gespielt haben dürfte. So ein Wildpferd vervespert man ja nicht an einem Tag. Von einem Mammut ganz zu schweigen. Suppe, Steak und Räucherschinken – so ließ sich der Winter aushalten.

»Feuer wurde am Höhleneingang gemacht, Kamine gab es noch nicht«

Die Wintercamper der Eiszeit mussten hartgesotten sein, ohne Zweifel. Über die Techniken, die lange kalte Jahreszeit durchzuhalten – Feuer, Kleidung, Behausung – haben sie aber verfügt. Über wärmenden Glühwein oder Schnäpschen aber nicht. Aber auch nüchtern dürften ums Feuer interessante Geschichten die Runde gemacht haben, von der Jagd, den Stoffeln des Nachbarclans oder der neuesten Liebschaft des Herrn oder der Frau Häuptling. (GEA)