HOHENSTEIN. »Ich bin unglaublich gerne hier«, sagt Raimund Jäger. Das klingt ziemlich überzeugt und überzeugend. Im November vergangenen Jahres hat er nach etlichen personellen Wechseln die kommunale mobile Jugendarbeit in Hohenstein übernommen. Für Verwaltung und Gemeinderat ist damit auch die Hoffnung verbunden, dass die lang ersehnte Kontinuität nun Wirklichkeit wird. Jäger, Jahrgang 1974 und selbst Vater zweier Kinder, berichtete in der Sitzung des Gremiums, was er in einem knappen Jahr, ausgestattet mit gerade mal 40 Prozent einer Vollzeitstelle, so alles auf die Beine gestellt hat. Dafür gab's am Ende sehr viel Lob. Markus Tress formulierte es so: »Sie haben ein Konzept und sind auf einem sehr guten Weg.« Dass auf den Zuschauerplätzen etliche Jugendliche saßen, sprach Bände: »Die sind nicht wegen uns, sondern wegen Ihnen gekommen«, wandte sich Tress an Jäger.
Die offene mobile Jugendarbeit unter Trägerschaft der Gemeinde und in Kooperation mit Mariaberg, wo Jäger anstellt ist, soll keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung zu anderen Angeboten sein. Das betonten Bürgermeister Simon Baier und Jugendarbeiter Raimund Jäger unisono. Denn daran, dass es in allen fünf Teilorten eine dichte Vereinsstruktur und engagierte Kirchengemeinden gibt, in denen Kinder und Jugendliche ein Zuhause haben, besteht kein Zweifel. Und auch die selbstverwaltete Jugendarbeit - typisch Alb: Bauwägen und Hütten - hat ihren Platz. Raimund Jäger bemüht sich deshalb darum, Kontakte zu anderen Akteuren zu knüpfen. Mit Erfolg: Etliche Bauwägen hat er schon besucht. Der Verein für angewandte Lebensfreude in Meidelstetten hat Offenheit signalisiert, für Theater- oder Bandprojekte stehen Saal und Bühne im »Adler« zur Verfügung.
Den Jugendhänger aus der Versenkung geholt
Mit dem TSV Ödenwaldstetten gab's bereits ein erstes konkretes Projekt: Beim Albtag war Jäger mit einer Gruppe von Jugendlichen dabei - unter anderem, um auf den Jugendhänger aufmerksam zu machen. Der Treff auf Rädern, angeschafft vor Jahren schon, war in der Vergangenheit so gut wie in Vergessenheit geraten. Schade drum, fand Jäger, holte den Hänger aus der Versenkung und entwarf einen Fragebogen, um herauszufinden, was Kinder und Jugendliche wollen: Womit soll der Anhänger ausgestattet sein? Und wo soll er stehen? Momentan ist der Wagen in Ödenwaldstetten stationiert, informierte Jäger. Dort war er nicht nur beim Albtag, sondern auch beim Museumsfest -ein Volltreffer, denn noch am selbigen Tag fand sich ein Grüppchen von rund acht Jugendlichen zusammen, die Feuer und Flamme für den Anhänger waren. Deshalb ist er einfach in Ödenwaldstetten geblieben, geplant ist aber, dass er nach und nach in alle Teilorte kommt.
Nicht einfach so versetzen kann man den Jugendraum, das Alte Waschhäusle, ebenfalls in Ödenwaldstetten. Dort treffen sich die etwas Älteren zwischen 16 und 22 Jahren, momentan kommen rund 20 Besucher. Aus der dringend nötigen Sanierung hat Jäger - ebenso wie aus dem Anhänger, der eher von den Elf- bis 14-Jährigen angenommen wird - ein Beteiligungsprojekt gemacht: Die Jugendlichen definieren und gestalten ihren Raum selbst, bei der gemeinsamen Arbeit wächst auch die Gemeinschaft. Geöffnet ist an zwei Abenden pro Woche. Dienstags autonom von den Jugendlichen selbstverwaltet, Jäger ist am Telefon aber jederzeit erreichbar, »das funktioniert gut«. Donnerstags ist er dann selbst vor Ort, um allen Besuchern eine Anlaufstelle für Gespräche und Beratung zu bieten.
Waschhäusle hebt sich ab
In diesem Punkt hebt sich das Waschhäusle von anderen Treffs ab: Im Unterschied zu Bauwägen, die vor allem auf Eigeninitiative beruhen, wird der kommunale Jugendraum von einer pädagogischen Fachkraft begleitet. Diese kann, wie im Fall von Raimund Jäger, nicht nur einen Akkuschrauber bedienen und bei der Sanierung des Treffs helfen. Sondern auch zuhören und mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn es schwierig wird im Leben: Kindern und Jugendlichen, die Probleme in der Schule, im Elternhaus, im Freundeskreis oder einfach beim Erwachsenwerden haben, ist Jäger ein professioneller Begleiter. Jugendhaus-Erfahrung hat der Mann, der zunächst auf dem Bau und in der Metallbranche gearbeitet und über den Zivildienst seinen Weg in den sozialen Bereich gefunden hat, schon jede Menge. 50 Prozent seiner Arbeitszeit verbringt er im inklusiven Jugendhaus in Mariaberg.
Gemeinderat Matthias Hölz gefiel besonders gut, dass Raimund Jäger sich nicht aufs Waschhäusle beschränkt, sondern auch in Bauwägen und Hütten geht - »dahin, wo die Jugendlichen sind«, so Hölz. Ratskollegin Andrea Wittel wollte wissen, wie es politisch in den selbstorganisierten Treffs zugehe. In Nachbarorten sei dort teilweise »extrem rechtslastige Klientel«, berichtete sie. Jäger beschönigte nichts: Das gebe es auch in Hohenstein, »genauso wie woanders auch, das Problem haben wir flächendeckend, es ist in der Jugendarbeit inzwischen ständig und überall präsent, nicht nur in einer einzelnen Einrichtung«. Wie man damit umgeht? »Quertreiber vom Gelände schicken« ist für Jäger nur die letzte aller Optionen. Vorher sucht er das Gespräch, fragt nach. Denn nicht selten verstecke sich hinter auffälligem Verhalten - das gilt für alle »Systemsprenger«, nicht nur für Rechte - ein Hilferuf. Oder aber schlicht die Lust am Provozieren.
Politik als ein Ventil
Dann ist die Politik vor allem ein Ventil: »Man schreibt ihr alle Probleme zu - auch ganz persönliche«, schildert der Jugendarbeiter seine Beobachtungen. Rechte Organisationen wissen es, diesen Mechanismus für sich zu nutzen, meint der Mann, der einen seiner Arbeitsschwerpunkte auch auf Medienpädagogik gelegt hat. »Sie fangen in den Sozialen Medien Wählerstimmen auf einer emotionalen Ebene«, sagt er. »Ich versuche dann, die Jugendlichen auf andere, faktenbasierte Contents aufmerksam zu machen.« (GEA)

