ST. JOHANN-GÄCHINGEN. Gerhard Schwenkel und seine Ehefrau haben in Gächingen einen schönen Garten, den sie oft und gern aufsuchen. Doch Mitte August fanden sich an und unter der alten Stieleiche merkwürdig geformte Früchte. Die Recherche ergab, dass es sich dabei um das Werk der nur wenige Millimeter großen Knopperngallwespe handelt. Um sich vermehren zu können, bohrt das Insekt Eicheln an und bringt sie mit einem Sekret dazu, eine sternförmige Kinderstube auszubilden.
»Es sind richtige kleine Kunstwerke«, sagt Gerhard Schwenkel über die harten kleinen Gebilde, die sich getrocknet wie Holz anfühlen. Glücklicherweise ergab sich schnell der Kontakt zu Dr. Roland Spohn aus Engen, der zusammen mit seiner Frau Margot sowie Heiko Bellmann das Buch »Faszinierende Pflanzengallen« herausgegeben hat.
»Wer Knopperngallen im Garten findet, kann sich freuen, denn das Phänomen ist bei uns eher selten«, so Spohn. Die Knopperngallwespe sei ein sehr interessantes Tier, das für seine Vermehrung gleich zwei Wirtsbäume, die Zerr-Eiche und die Stiel-Eiche, benötige. »Nur da, wo diese beiden Eichenarten zu finden sind, kann diese Wespenart sich mit ihren zwei verschiedenen Generationen fortpflanzen.«
Im Frühjahr legen Weibchen in den männlichen Blütenknospen der Zerreiche unbefruchtete Eier ab. »Dort bilden sich kleine Gallen. Aus einigen schlüpft ein männliches, aus anderen ein weibliches Tier.« Nach der Paarung fliegen die Weibchen auf eine Stieleiche und legen ihre befruchteten Eier an den jungen Eicheln ab. »Durch das Sekret, das die Larven beim Fressen in die Früchte absondern, beeinflussen sie deren Genom«, erläutert Spohn. Die Stieleiche wird animiert, die Form der Eichel zu verändern. Es entstehen sternförmige Gebilde, die Knopperngallen, die sich entweder seitlich an den Eicheln ausbilden oder diese ganz umschließen. In diesen Knopperngallen entwickeln sich nun nur noch weibliche Gallwespen, die wieder auf die Zerreiche zurückkehren.
In jedem Fall sind die Knopperngallen die perfekte Kinderstube für die kleinen Larven, die Spohn scherzhaft als Hausbesetzer oder Untermieter bezeichnet. Die Larven ernähren sich vom Inneren der Gallen. Diese fallen im Herbst zu Boden. Erst im darauffolgenden Frühjahr schlüpfen dort die ausgewachsenen Gallwespen aus und der komplizierte Zyklus beginnt von vorne. Während die in die Zerreichenblüten gelegten Eier ohne Befruchtung auf dem Weg der sogenannten Jungfernzeugung entstünden, lasse die Natur in der nächsten Generation jeweils eine sexuelle Fortpflanzung folgen, um das genetische Material zu durchmischen. Seit der Antike wurden die Gallen, die viel Gerbstoff enthalten, für die Ledergerbung genutzt. Andere wurden für die Herstellung der sogenannten Eichengallustinte zum Schreiben verwendet.
»In manchen Jahren gibt es kaum Knopperngallen«, so Spohn. »Doch in anderen ist der Boden damit übersät.« Gerhard Schwenkel jedenfalls faszinieren die skurrilen Formen. »Und solange die Eiche keinen Schaden nimmt, ist es okay«, meint er lachend. (GEA)


