STUTTGART/MÜNSINGEN. Die Empörung über die geplante Schließung von 18 Notfallpraxen im Südwesten, darunter auch in Münsingen, ist groß. Jetzt wurde im Sozialausschuss des Landtags darüber diskutiert. Zum grundsätzlichen Verständnis: Bei Notfallpraxen handelt es sich nicht um die Notaufnahme, in der Patienten in lebensbedrohlichen Situationen wie etwa bei Verkehrsunfall oder Herzinfarkt behandelt werden. Unter Notfallpraxen wird der ärztliche Bereitschaftsdienst verstanden, der hilft, wenn die Hausarztpraxen geschlossen sind, überwiegend am Wochenende. Behandelt werden beispielsweise schwere Erkältungen oder starke Bauchschmerzen.
Die Opposition hat die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) aufgerufen, ihre Pläne zu überdenken. »Wir wollen eine Änderung des Standortkonzeptes«, sagte die Dorothea Kliche-Behnke (SPD). Jochen Haußmann (FDP) forderte einen Notfallgipfel: »Es sollte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein, wir müssen zurück auf Los.« Die stellvertretende Vorsitzende der KVBW, Doris Reinhardt, begründete die Pläne vor allem mit Personalmangel. Ausgebaut werden soll nun der Bereich Telemedizin: Patienten bekommen unter der (bereits existierenden) Nummer 116117 Hilfe, künftig sollen Ärzte dort mehr Kompetenzen haben und beispielsweise entscheiden, ob eine Untersuchung nötig ist, und E-Rezepte ausstellen.
Schlechte Kommunikation
Ulli Hockenberger (CDU) rügte die »unglückliche Kommunikation mit den Leuten vor Ort«. Landräte und Bürgermeister seien ebenso wenig informiert worden wie die Abgeordneten, die die KVBW erst am vergangenen Donnerstag eingeweiht hatte (der GEA berichtete). »Kommunikation ist keine Einbahnstraße, die Menschen vor Ort müssen es verstehen können«, so Hockenberger. »Das läuft nicht gut und wir kriegen dafür vor Ort den Kittel voll.«
Auch Manuel Hailfinger, CDU-Abgeordneter für den Wahlkreis Hechingen-Münsingen, sieht »eine transparente und zügige Kommunikation ganz oben auf der Tagesordnung«, denn: »Im ganzen Land und auch auf der Münsinger Alb warten die Menschen auf Antworten, wie es um die Gesundheitsversorgung vor Ort steht«. Er wollte von Doris Reinhardt wissen, ob der Ausbau der Telemedizin im »Münsinger Konzept«, das auch Landrat Ulrich Fiedler als Begriff in den Raum gestellt, aber nicht konkretisiert hatte, eine Rolle spiele. Aus Reinhardts Antwort habe er herausgehört, so Hailfinger gegenüber dem GEA, »dass wir der einzige Modellstandort werden«. Was das inhaltlich bedeutet, sagte Reinhardt nicht.
Rudi Fischer, der für die FDP für den Wahlkreis Hechingen-Münsingen im Landtag sitzt, fragte nach, ob die hervorgehobene Rolle Münsingens Auswirkungen auf den Zeitplan habe. Die 18 Notfallpraxen sollen nicht auf einmal, sondern gestaffelt geschlossen werden, so Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). Hailfinger und Fischer gehen deshalb davon aus, dass die Münsinger Notfallpraxis zu denen gehört, die als letzte schließen – also zum Jahresende. Hailfinger: »Insofern haben wir Zeit gewonnen. Jetzt müssen wir gucken, was wir uns davon kaufen können, dass wir Modellstandort werden.« (ma/dpa)