REUTLINGEN. Wegen eines Stalles voller Straftaten hat das Schöffengericht am Amtsgericht Reutlingen einen Rinderhalter von der Alb zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt - bei der es keine Bewährung mehr geben kann. Ins Gefängnis soll der 64 Jahre alte Landwirt vor allem deswegen, weil er für Mitarbeiter weder Sozialversicherungsbeiträge abführte, noch den Mindestlohn bezahlte. Weitere Anklagepunkte wie Gewässerverunreinigung sowie Verstöße gegen das Tierschutzgesetz spielten in der Urteilsbegründung nur eine Nebenrolle. Die Verteidigung kündigte an in Berufung gehen zu wollen.
»Legal, illegal, scheißegal«
Auf der Anklagebank saß beim wochenlangen Verfahren mit mehreren Sitzungsterminen kein kleines bescheidenes Bäuerle von der Alb. Der Landwirt führt mit rund 1.000 Rindern einen der größten Höfe im Ländle. Dabei hat er nach Auffassung des Gerichtes eher an seinen eigenen finanziellen Vorteil als an das Gesetz gedacht. Richter Eberhard Hausch bezeichnete »Legal, illegal, scheißegal« als das Motto des Unternehmers. Unerheblich ist für den Richter sowie die beiden Schöffen Karin Bachleitner sowie Kathrin Ungerer, dass das Verfahren aufgrund einer anonymen Anzeige in Gang gekommen war.
Im Gerichtssaal
Richter: Eberhard Hausch. Schöffen: Karin Bachleitner, Kathrin Ungerer. Staatsanwältin: Franziska Hipp. Verteidigerin: Dr. Petra Dietenmaier. (GEA)
Inhalt dieser Anzeige ist laut Verteidigerin Dr. Petra Dietenmaier der Vorwurf gewesen, »das unerlaubte Schlachtungen stattfinden«. Daraufhin sei »eine Hundertschaft von Polizei und Veterinäramt« zur Durchsuchung des Anwesens angerückt. Die versammelte Staatsmacht entdeckte bei ihrem Einsatz zahlreiche Vergehen gegen Rechtsnormen, die Staatsanwältin Franziszka Hipp zum Prozessauftakt Ende März eine längere Verlesung der Anklageschrift bescherte. Die Verteidigerin kritisierte zum Abschluss des Verfahrens allerdings, »die Anklage beruht auf Zufallsfunden«.
Ob Zufall oder nicht, Justitia kann nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 150.000 Euro keinesfalls ignorieren. Die Einlassung der Verteidigerin, darunter würde auch das Anstellungsverhältnis zur eigenen Schwiegertochter fallen, änderte für das Schöffengericht wenig an der besonderen Schwere der Taten. Auch der Hinweis auf bereits geleistete Rückzahlungen an die Versicherungsträger konnten den Richter und seine Schöffinnen kaum milder stimmen.
»Er wusste, was er tat«
Strafmildernd wirkten ein Teilgeständnis sowie die Einstellung des Verfahrens wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz. Dabei ging es um den Vorwurf, Rindern ihre Ohrmarken abgeschnitten sowie andere sichtbar erkrankte Tier nicht korrekt behandelt zu haben - wohl um die Kosten für den Tierarzt zu sparen. Diese Vorwürfe ließen sich, so Hausch, nicht zweifelsfrei belegen. Die Gewässerverunreinigung durch einen überfüllten Silo dagegen schon, wie auch der Bauer selbst eingeräumt hatte. Im Gesamtzusammenhang sind dies jedoch eher Kleinigkeiten. Berücksichtigung fanden zu seinen Gunsten das Alter des Angeklagten sowie eine dadurch höhere Haftempfindlichkeit.
»Er wusste, was er tat«, erklärte Richter Hausch in seiner Urteilsbegründung. Sich Sozialabgaben oder den Mindestlohn fürs Personal zu sparen, das habe der Unternehmer zwischen 2019 und 2023 »zur Gewinnoptimierung« praktiziert. »Wenn eine Hundertschaft und 15 Tierärzte kommen, dann spricht das auch dafür, dass man den Hof schon vorher im Blick hatte«, so der Amtsrichter weiter. Gewiss sei es vielen Tieren nicht gut gegangen. »Wir konnten uns insgesamt des Eindruckes nicht erwehren, dass der Angeklagte ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung hat«, so Hausch. Das Urteil bleibt deswegen nur wenig unter der Strafforderung der Staatsanwältin, die eine Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten der Schuld angemessen erschien. Die Verteidigung hatte dagegen eine reine Geldstrafe gefordert. »Bei einer Freiheitsstrafe gehen wir in Berufung«, kündigte Rechtsanwältin Dr. Petra Dietenmaier an. (GEA)

