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Aktuell Traditionsfest

Richtig viel Kohle für Engstingen

Zum 45. Mal erinnert der Musikverein Kohlstetten an das alte Waldgewerbe früherer Jahrhunderte

Bierfässer hat er schon etliche angestochen, den Meiler zum ersten Mal: Schultes Mario Storz (rechts) mit Martin Mauser.  FOTO:
Bierfässer hat er schon etliche angestochen, den Meiler zum ersten Mal: Schultes Mario Storz (rechts) mit Martin Mauser. FOTO: LEIPPERT
Bierfässer hat er schon etliche angestochen, den Meiler zum ersten Mal: Schultes Mario Storz (rechts) mit Martin Mauser. FOTO: LEIPPERT

ENGSTINGEN-KOHLSTETTEN. Dieses Fest ist schon seit Jahrzehnten fest im Jahreskalender der Gemeinde verankert und ist eines der wenigen quer über die Alb, bei dem der Ursprung der Veranstaltung alljährlich höchst beeindruckend in Szene gesetzt wird. Seit fast 50 Jahren erinnert das von Förderverein TSV Kohlstetten/Musikverein Köhlermusikanten organisierte und durchgeführte Köhlerfest an die alte Tradition der Köhlerei, einen Zweig des Waldgewerbes, das früher in Kohlstetten betrieben wurde. So war es kein Wunder, dass der Festplatz auf dem Rudersberg am Wochenende mit Gästen wieder sehr belebt war.

1976 wurde das weithin bekannte Köhlerfest zum ersten Mal ausgerichtet, und auch bei der 45. Auflage am Wochenende stand natürlich wieder ein Kohlemeiler im Mittelpunkt. Denn Martin Mauser und seine Gehilfen haben wie immer einen riesigen Schaumeiler errichtet. Bis 1880 sei der letzte Berufs-Köhler in Kohlstetten tätig gewesen, um 1900 hätten zwei Brüder, die eine Schmiede betrieben, noch einen Meiler aufgebaut, um die Holzkohle für ihre Esse selbst herzustellen, erläuterte Mauser im Beisein von etwa einhundert Zuschauern und unter musikalischer Begleitung der Köhlermusikanten, dass dieses Bauwerk »vom Holzeinschlag bis zur Ernte der Kohle sehr, sehr viel Arbeit« mache.

Kurze Renaissance nach dem Krieg

Sogar nach dem Zweiten Weltkrieg sei dieser Berufszweig infolge der Verknappung der Rohstoffe für kurze Zeit nochmals angesagt gewesen. »1975 haben sich die damaligen Köhlermusikanten auf ihre Wurzeln besonnen und beschlossen, die Köhlerei wieder auf erleben zu lassen«, blickte der Köhler kurz in die Annalen. Ein Meiler habe die Funktion, die Brennenergie des Holzes in reine Kohle umzuwandeln. Dabei werden dem Holz Wasser und Gase entzogen, sodass am Ende 90 bis 95 Prozent reiner Kohlenstoff übrigbleibt, erklärte Mauser.

An einer Stange in der Mitte herum waren meterlange Holzscheite in mehreren Schichten, dieses Jahr etwa dreizehn Raummeter Eschenholz, senkrecht, leicht schräg und sehr dicht ohne Hohlräume aneinander aufgestellt worden. Eventuelle Ritzen wurden mit einer dünnen Schicht Heu abgedichtet und zum Schluss die »Lösche«, ein zehn bis 15 Zentimeter starkes Abdeckgemisch aus Erde, Kohlenstaub und Kohlepartikeln mit viel Wasser verdichtet, angebracht.

Die nächsten Tage gehe es zur »Feuerarbeit«, bei dem der Verkohlungsprozess mit geringem Sauerstoff in Gang gesetzt wird. Dabei müsse das rauchende, einem gigantischen Maulwurfs-Hügel ähnelnde Gebilde, mehrere Tage rund um die Uhr bewacht werden, »denn solange der aus Pfeifen aufsteigende Rauch weiß aussieht, gibt’s im schwerpunktmäßig evangelischen Kohlstetten zwar keinen neuen Papst, aber der Verkohlungsprozess ist voll in Ordnung«, witzelte Mauser.

Wenn der Rauch aber schwarz oder gar blau zu sehen wäre sei, ist höchste Vorsicht angesagt und eine sofortige Reaktion des Köhlers erforderlich. »Und das nicht nur während der tariflichen Arbeitszeit, sondern rund um die Uhr.« Die fertige Holzkohle sehe dann nicht so tiefschwarz aus wie industriell hergestellte, sondern eher in dunklem Anthrazit und einer regenbogenartigen Farbe. »Das zeugt von höchster Qualität, sie ist in ihrem Brennwert um Klassen besser als jede gekaufte, da steckt richtig Power dahinter«, verdeutlichte Mauser abschließend.

Zum ersten Mal übernahm Bürgermeister Mario Storz eine tragende Rolle bei der Festeröffnung. »Also Bierfässla hab i scho a paar angstocha, aber an Köhler-Meiler han i no nie azonda«, scherzte der Schultes, als ihm Köhler Martin Mauser Streichhölzer in die Hand drückte. Dem Schultes gelang auf Anhieb das Entzünden des Feuers. »Man sieht, unser Bürgermeister kennt das Handwerk und wir haben als Gemeinde nachher wieder richtig viel Kohle«, ulkte Mauser.

Dann gab es kein Halten mehr. Die Partynacht mit der Boiz Bänd kam bestens an, gestern gab es zum Frühschoppen oder Mittagessen mit Köhlerbraten, Salat und Schupfnudeln Blasmusik mit dem Musikverein Bempflingen. Die Stadtkapelle Pfullingen begleitete Kaffee und Kuchen, zum Ausklang unterhielten die Ermstalmusikanten aus Dettingen. Rund 200 fleißige Helfer sorgten dafür, dass es den Gästen an nichts mangelte. Für die Unterhaltung der Kinder gab es einen kleinen Vergnügungspark. (GEA)