Von 1. März bis 31. Mai hat jeder – Träger öffentlicher Belange genauso wie Bürger – die Möglichkeit, Stellung zur jetzt vorgelegten Windkraftplanung zu nehmen. Ab Sommer, skizzierte Verbandsdirektor Dr. Dirk Seidemann das weitere Prozedere, werden die Anregungen aufgearbeitet und behandelt. Auf den Satzungsbeschluss des Regionalverbands folgt der Genehmigungsprozess, das letzte Wort zum Teilregionalplan Windkraft spricht das Wirtschaftsministerium des Landes. »Bis dahin sind wir dann sicher schon im Jahr 2018«, wagte Seidemann eine vorsichtige Prognose.
»Wir nehmen Sie ernst, aber wir können nicht tun und lassen, was wir wollen«Dass die Pläne jetzt ausgerechnet in Pfronstetten vorgestellt wurden, hat einen guten Grund: Die Gemeinde ist quasi der »Super-Standort« unter den Vorranggebieten. Insgesamt 519 Hektar kommen aus Sicht der Planer im Verbandsgebiet – es umfasst die Kreise Reutlingen, Tübingen und Zollernalb – als Standorte infrage. »323 Hektar davon sind bei uns«, verdeutlichte Pfronstettens Bürgermeister Reinhold Teufel, der ausgerechnet hatte: »Pfronstetten macht nur zwei Prozent der Gesamtfläche des Verbandsgebiets aus, aber 62 Prozent der Windparkflächen sollen hier liegen.« Im Extremfall drehen sich 30 von insgesamt 58 Windrädern rund um Pfronstetten.
Eine heikle Angelegenheit. Denn die Akzeptanz eines politischen Ziels – bis 2020 sollen zehn Prozent des Energiebedarfs im Land aus regenerativen Quellen gedeckt werden – schlage, so Teufel, »schnell ins Gegenteil um, wenn sich Auswirkungen auf den Menschen abzeichnen«. Sind die möglichen Beeinträchtigungen ganz reale oder nur gefühlte? Handelt es sich um Fakten? Oder – Teufel griff den aktuellen Diskurs auf – »alternative Fakten«? So oder so: Der Bürgermeister dankte explizit auch den Vertretern der Bürgerinitiativen, die zur Veranstaltung in die Albhalle gekommen waren, wo die Plätze kaum für alle reichten.
»Sie geben den Befürchtungen ein Gesicht und eine Stimme«, so Teufel. Er nehme die Windkraftkritiker nicht als »Gegen-Gemeinderäte«, sondern als »Teil des demokratischen Diskurses« wahr. Dieser wurde in Pfronstetten über drei Stunden hinweg durchaus sachlich geführt – bei aller Emotionalität und Betroffenheit, die sich in teils temperamentvollen Wortbeiträgen oder auch vereinzelten Zwischenrufen äußerte.
Dass Recht und Gerechtigkeit – zumindest gefühlt – nicht immer eins sind, zeigte etwa die Diskussion um Siedlungsabstände. Der Regionalverband plant mit 1 000 Metern, wobei diese Marke – wenn beispielsweise nur vereinzelte Gehöfte betroffen sind – bisweilen auch unterschritten wird. Im Vergleich zu den 700 Metern, die das Land in seinem Wind-Energie-Erlass vorschreibt, so Planerin Lena Dölker, immerhin ein erweiterter Spielraum. Dennoch: Viel zu wenig, "ein Unding", "menschenunwürdig", findet eine Frau aus dem Publikum, das ihr applaudierend beipflichtet. In Bayern, weiß sie, gilt der 2 000-Meter-Abstand. Stimmt, sagen die Planer, die Regelung ist Ländersache. Dass es schlimmer kommen kann als in Baden-Württemberg, zeigt ein Blick in den Norden: Dort, so Dr. Peter Seiffert, seien die Abstände noch weit geringer. Der leitende Planer des Regionalverbands wies Vorwürfe einer willkürlichen Planung mehrfach zurück. »Wir nehmen Sie ernst, aber wir können nicht tun und lassen, was wir wollen«, verwies er auf die Spielregeln und Zielsetzungen auf Landes- und Bundesebene.
Die im Immissionsschutzgesetz vorgegebenen Grenzwerte für Lärm, gesundheitliche Auswirkungen und Zweifel an der Wirtschaftlichkeit von Windkraftanlagen: Die Bürger, die aus den betroffenen Albgemeinden gekommen waren, brachten an jenem Abend viele Aspekte zur Sprache. Mehrere äußerten ihre Skepsis, was die Windhöffigkeit angeht. Die Planer setzen eine Mindestwindgeschwindigkeit von 5,75 Meter pro Sekunde in 140 Metern Höhe an. Grundlage ist der Windatlas, doch werden auch andere Quellen berücksichtigt, deren Verlässlichkeit und Unabhängigkeit einige Redner aus den Zuhörerreihen in Zweifel zogen. Beispiel Stockert bei Donnstetten: Im Windatlas sind Geschwindigkeiten von 5,25 bis 5,75 Metern pro Sekunde vermerkt, ein Unternehmen, die anemos-jacob GmbH, geht davon aus, dass die 5,75-Marke aber überschritten wird. Welche Zahlen stimmen? Und ist es legitim, dass die Regionalplaner teils auch auf Gutachten zurückgreifen, die mögliche Investoren schon mal parallel in Auftrag gegeben haben? Fragen, die die Bürger beschäftigen.
Die Problematik paralleler Verfahren sprach auch der St. Johanner Gemeinderat Horst Lamparter an. Konkret: Die Tatsache, dass die Kommunen unabhängig vom Regionalverband tätig werden können und Flächennutzungspläne für Windkraft aufstellen. Dabei sind die Gebiete in der Regel nicht deckungsgleich. Beispiel Lonsinger Buch: Neben den 16 Hektar, die der Regionalverband im Auge hat, gibt es einen Vorentwurf für einen Flächennutzungsplan, nach dem bis zu vier weitere Windräder in diesem Bereich stehen könnten – insgesamt also sieben. Und auch Gomadingen ist, gemeinsam mit Münsingen und Mehrstetten in einer Verwaltungsgemeinschaft, aktiv. Zu den drei Anlagen, die der Regionalverband im Planwald für möglich hält, könnten auf der kommunalen Schiene vier weitere hinzukommen, so Seiffert.
Die Pfronstetter indes fühlen sich, so die Grundstimmung in der Halle, mit bis zu 30 Windrädern auf ihrem Terrain mehr als bedient. »Wir haben hier nichts zu bieten außer Ruhe und Erholung. Und jetzt sollen wir das dauerhaft zerstören und dann auch noch gesundheitliche Schäden in Kauf nehmen?« Thomas Wagner hielt im Namen der Bürgerinitiative fast schon ein Plädoyer für den Landschaftsschutz und gegen die Windparks und überreichte seinem Bürgermeister eine Unterschriftenliste: 60 Prozent der Bürger, so Wagner, sprechen sich demnach gegen Windkraft in Pfronstetten aus.
Eine Schwachstelle in der Argumentation des Regionalverbands legte Rudolf Beck aus Geisingen offen: Der »Überlastungsschutz einzelner Gemeinden« zähle, zitierte Beck aus den Unterlagen der Planer, zu den Prüf- und Auswahlkriterien. Ob es im Fall Pfronstetten womöglich doch noch eine entscheidende Rolle spielen könnte? »Wir nehmen das Thema mit«, versicherte Seidenmann, der Verständnis für die Belange der Bürger signalisierte: »Wir können Ihr Unbehagen nachvollziehen.« (GEA)
Regionalplan Neckar-Alb
Aus Sicht des Regionalverbands sind sieben Vorranggebiete im Kreis Reutlingen möglich. Die Standorte im Steckbrief:Wannenhau-Lonsinger Buch Engstingen/St. Johann: 16 Hektar auf zwei Teilflächen, Platz für drei Anlagen. Etwa 1 bis 1,3 Kilometer nordöstlich von Kohlstetten und 1,5 Kilometer südlich von Ohnastetten, etwa 2,7 Kilometer südwestlich von Ohnastetten.
Planwald Gomadingen: 16 Hektar, Platz für drei Anlagen. 1,8 Kilometer südlich von Kohlstetten, 2,3 Kilometer südwestlich von Offenhausen und 2,5 Kilometer östlich von Kleinengstingen.
Schäfbuch Hohenstein/Pfronstetten: 170 Hektar, Platz für 11 bis 13 Anlagen. 1,3 Kilometer südlich von Oberstetten und 1,5 Kilometer nördlich von Pfronstetten.
Hausberg-Mörsbuch Hohenstein/Pfronstetten: 93 Hektar, Platz für 8 bis 11 Anlagen. 0,8 Kilomter von Maßhalderbuch, 2 Kilometer westlich von Ehestetten, 1,5 Kilometer nördlich von Aichelau und 3 Kilometer südöstlich von Ödenwaldstetten.
Muttenbühl Pfronstetten/Zwiefalten: 60 Hektar, Platz für 4 bis 6 Anlagen. 1,1 Kilometer südwestlich von Geisingen und 1,6 Kilometer nordwestlich von Upflamör.
Ettenheim Hayingen: 26 Hektar, Platz für 3 bis 4 Anlagen. 0,5 Kilometer nordöstlich von Maxfelden, 0,8 Kilometer südöstlich von Ehestetten und 1,6 Kilometer westlich von Münzdorf.
Stockert Römerstein: 24 Hektar, für 3 Anlagen. 1 Kilometer südöstlich von Donnstetten. (ma)

