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Aktuell Energiewende

Projekt »Traverna« soll die Energiewende in der Region voranbringen

Die Windräder wachsen, der Ausbau läuft. Jetzt muss der umweltfreundliche Strom ins Netz. Die Verantwortlichen aus der Region haben dazu ein Memorandum »Energiewende und Netzausbau in der Region Neckar-Alb« in Burladingen unterzeichnet.

Alexander Gerhardt (Transnet, von links), Caroline Wurth (Netze BW), Linda Nagel (Energieagentur Zollernalb), Dußlingens Bürgerm
Alexander Gerhardt (Transnet, von links), Caroline Wurth (Netze BW), Linda Nagel (Energieagentur Zollernalb), Dußlingens Bürgermeister Thomas Hölsch, Landrat Dr. Ulrich Fiedler und Regierungspräsident Klaus Tappeser stellen sich den Fragen von Moderatorin Johanna Geiger-Mohr (Mitte). Foto: Steffen Wurster
Alexander Gerhardt (Transnet, von links), Caroline Wurth (Netze BW), Linda Nagel (Energieagentur Zollernalb), Dußlingens Bürgermeister Thomas Hölsch, Landrat Dr. Ulrich Fiedler und Regierungspräsident Klaus Tappeser stellen sich den Fragen von Moderatorin Johanna Geiger-Mohr (Mitte).
Foto: Steffen Wurster

REGION. Landrat Dr. UIrich Fiedler ist zu Recht stolz. Seine Behörde hat das Genehmigungsverfahren für den Windpark Münsingen-Böttingen in zehn Wochen - nach Vorliegen aller notwendigen Unterlagen - durchgezogen. Neuer Rekord, für den Windpark Magolsheim hat das Landratsamt noch drei Monate gebraucht. »Wir sind wie der Hochspringer Javier Sotomayor, der bei jedem Anlauf einen neuen Rekord aufstellt«, sagte Fiedler bei einer Veranstaltung in Burladingen. Dort wurde »Traverna« auf die Beine gestellt. Das noch ungewohnte Kürzel steht für »Transformation und Vernetzung der notwendigen Prozesse rund um die Energiewende Neckar-Alb«. Als Gedankenstütze einfach an eine Taverna denken, dann ist man schon ziemlich nah dran.

Die im Regionalverband angesiedelten Akteure - das Regierungspräsidium Tübingen, die Landkreise Reutlingen, Tübingen und Zollern-Alb, deren Klimaschutzagenturen, die Gemeinde Burladingen sowie TransNet BW und Netze BW - haben dazu ein Memorandum of Understanding im neuen Umspannwerk in Burladingen unterzeichnet. Denn das Umspannwerk kann für das Ziel von Traverna stehen: Nachdem der Ausbau der regenerativen Energieerzeugung Fahrt aufgenommen hat, gilt es jetzt die Herausforderungen an die Infrastruktur zu meistern.

»Umspannwerke hätte man gleich in die Suchräume aufnehmen sollen«

Der Strom kommt zwar aus der Steckdose, wie Regierungspräsident Klaus Tappeser, sagte. Aber zum einen nicht »genuin«, sondern von irgendeinem Kraftwerk. Und dann muss er ja erstmal zur Steckdose kommen. Das hätte man sich vielleicht schon überlegen können, bevor man den Strom gegen Geld nach Österreich schicken muss. Dußlingens Bürgermeister Thomas Hölsch war als Sprecher des Kreisverbands Tübingen im Gemeindetag Baden-Württemberg zumindest der Meinung, dass Umspannwerke und Stromleitungen von Anfang an in die Planungen des Regionalverbands gehört hätten. Als Bürgermeister müsse er das ausbaden, »im Bund und Land wird beschlossen, in den Gemeinden umgesetzt«, sagte Hölsch. Nachdem bei Wind- und Solarparks mit viel Engagement Akzeptanz in größeren Teilen der Bürgerschaft erreicht wurde, muss nicht nur Hölsch seinen Wählern jetzt noch beibringen, dass es auch Umspannwerke und Überlandstrommasten braucht. »Die Umspannwerke hätte man in den Suchräumen gleich mitdenken sollen.« Die Suchräume konzentrieren sich auf die Standorte für Windparks oder Freiflächen-Photovoltaik, aber: »Die Kommunen sind der Ort der Wirklichkeit«, so Hölsch.

Inzwischen habe aber alle im Regionalverband vertretenen Akteure aus den vergangenen Jahren gelernt, was sich beispielhaft in der schnellen Genehmigung des Windparks Böttingen niedergeschlagen hat. Diese Erfahrungen sollen nun auch via Traverna in den Ausbau der Infrastruktur überführt werden. Durch regelmäßigen Erfahrungsaustausch, aber »ohne mehr Bürokratie aufzubauen«, wie Regierungspräsident Klaus Tappeser anmahnte. Damit dürfte er den Nerv bei Burladingens Bürgermeister Davide Licht getroffen haben, der bei der Begrüßung recht deutlich auf die ausufernde Bürokratie mit all ihren Folgen für die Kommunen hinwies. Zehn Windräder sind in seiner Stadt geplant, dazu das Umspannwerk für die Region und ein Batteriespeicher - hier sei das »Electric Valley«, die Kommunen zeigten, wie es geht.

Auf die Netzbetreiber - Transnet BW für den überregionalen Starkstrom, Netze BW für die regionale Abnahme und Verteilung - komme eine Welle zu, sagte Caroline Wurth von Netze BW. Die Zeiten der Stromautobahnen seien vorbei, künftig muss der Energieverkehr über stromführende Kreissträßchen abgewickelt werden. Zehn Wochen für die Genehmigung für einen Windpark, zehn Jahre für Bau und Freigabe eines Umspannwerks, so könne es nicht weitergehen, hob Landrat Fiedler hervor. Und es gehe nicht nur Umspannwerke, betonte der Leiter des Regionalverbands, Dirk Seidemann. An den Netzen hängen bald auch die Stromspeicher oder die Erzeuger von Wasserstoff als Speichermedium, die Elektrolyseure.

»Hier entscheiden zig Institutionen über eine Stromtrasse, in Shanghai einer«

Hier kommt die Politik ins Spiel, die Landtagsabgeordneten Rudi Fischer (FDP), Cindy Holmberg (Grüne) und Joachim Steyer (AfD) nahmen an der Traverna-Ouverture teil. Landesregierungen, Regionalverbände, Landratsämter, Kommunen - zig Institutionen hätten beim Bau einer überregionalen Stromtrasse mitzureden, sagte Tappeser, »in Shanghai entscheidet das einer«. Die Netzbetreiber stehen auf jeden Fall unter Strom und deswegen hinter Traverna - frühzeitige Kommunikation mit allen Beteiligten beschleunige die Verfahren, meinte auch Caroline Wurth. Die Netzwerker aktualisieren alle zwei Jahre ihre Planungen, dazu sind Informationen notwendig. In Traverna kämen diese zusammen, die Ingenieure, die Planer, die Verwaltungsfachleute und die Kommunen. »Da haben wir alle an einem Tisch«, beschrieb es Alexander Gerhardt von der Transnet. Und weil Traverna früh dran ist: »Wir können Vorbild fürs Land sein«, hofft Dirk Seidemann.

Viel zu tun, noch viele Probleme zu lösen, aber Regierungspräsident Tappeser warnt mit Blick auf den Rückbau schon vorbeugend vor dem Denkmalschutz: »In 20 Jahren werden die Windräder vielleicht Industriedenkmale sein«. (GEA)