KREIS REUTLINGEN. Am 28. Juni werden sich zahlreiche Motorradfahrer auf den Weg zu einer besonderen Tour machen. Start ist bei der Louis-Filiale in Reutlingen, die dürfte den Bikern bekannt sein. Von Reutlingen geht es über Tübingen und Mössingen hinauf auf die Alb, in Münsingen wieder talwärts und über Bad Urach und Metzingen zurück zum Start.
Mit dieser Aktion sollen Depressionskranke und ihre Angehörigen unterstützt werden. Etwa 9,5 Millionen Menschen sind in Deutschland an Depression erkrankt, wird im Gesundheitsatlas Deutschland der AOK angegeben (Stand 2022). Das sind 12,5 Prozent der Bevölkerung, betroffen ist aber auch das persönliche Umfeld. Grund genug für den Fellows Ride, die Motorraddemonstration für Depressionshilfe, auf die Problematik aufmerksam zu machen. Der Fellows Ride Schwäbische Alb findet in dieser Form zum ersten Mal statt, erklärt Organisator Mark Joretzki, in den Vorjahren wurde auf den Fildern gefahren. Die Demo ist also nicht ganz unbekannt im Süden, aber diese Rides werden nicht nur in ganz Deutschland, sondern weltweit ausgerichtet.
Mark Joretzki hofft auf rund 100 Teilnehmer, gerne mehr. Anmelden sollte man sich über die Fellows Ride-Webseite - aus organisatorischen Gründen, betont Joretzki: Die Polizei möchte gerne wissen, was da auf sie zukommt. Was die eine oder andere spontane Teilnahme nicht ausschließt. Der Ride Schwäbische Alb unterstützt in diesem Jahr die Selbsthilfegruppe Lebenschance-Depressionen in Pfullingen, die im vergangenen Jahr ihren 20. Geburtstag begehen konnte - an sich schon ein Zeichen für den Stellenwert nicht nur dieser Einrichtung. Lebenschance-Depressionen versucht gerade, eine junge Selbsthilfegruppe ins Leben zu rufen, für Schülerinnern und Schüler im Alter von 12 bis 17 Jahren. Der Bedarf sei groß, sagt Sandra Ebinger, Ansprechpartnerin der Selbsthilfegruppe. Die junge Gruppe soll einen Teil der Spende erhalten, quasi als Startkapital für Aktivitäten, die nicht finanziell gefördert werden, so Ebinger.
Mehr Suizide als tödliche Verkehrsunfälle
»Selbsthilfegruppen sind enorm wichtig«, sagt Mark Joretzki. Depressionen seien behandelbar, allerdings ist es schwer, einen Psychologen zu finden. »Wartezeiten bis zu einem Jahr sind nicht selten. Da kann es, etwa nach einem Suizidversuch, schon zu spät sein«, berichtet Joretzki aus eigener Erfahrung. Joretzki hat selbst einen Suizidversuch überlebt, als Folge einer Depression. Depressionen enden oft tödlich, die Zahl der Suizide als Folge der Erkrankung beläuft sich auf 10.000 pro Jahr in Deutschland. Zum Vergleich: Im Jahr 2024 kamen im Straßenverkehr 2.839 Menschen ums Leben. Betroffen sind alle Altersklassen, wobei in jüngster Zeit die Fälle von Jugendlichen zunehmen. Auch zwischen Stadt und Land gibt es keine nennenswerten Unterschiede.
Wie kommen Depression und Motorradfahren zusammen? Nach vier Monaten im Krankenhaus stieg Joretzki aufs Bike: »Ich wollte am liebsten 25 Stunden am Tag fahren.« Er ordnet sich als »funktionierenden Depressionskranken« ein. Auf der Arbeit funktioniert er, zuhause erstickt er unter der Last der Kleinigkeiten, der Gedanken und der Enge. Das Motto des Fellows Ride lautet »Mit offenem Visier für Depressionshilfe«. Ein tolles Bild, findet Joretzki. Wenn er fährt, ist das Visier aber unten, die Außenwelt ausgeschlossen, er ist dann aufs Fahren konzentriert. Mit dem Fahrrad ginge es vielleicht auch, meint er, aber »mit dem Motorrad kommt man eben in eine andere Landschaft«.
Fellows Ride Schwäbische Alb
Wer Interesse an einer Teilnahme an der Motorraddemonstration hat, erfährt alles auf der Webseite von Fellows Ride "www.fellowsride.com". Dort gibt es auch die Möglichkeit zu spenden. (GEA)
Hinter den Fellows Rides in Deutschland steht die Dachorganisation »Stiftung Depression-Inklusion von Thomas Lurz und Dieter Schneider«, die sich mit den Themenfeldern Mentale Gesundheit und Behindertensport befasst. Schneider hat die Idee der Rides aus Australien nach Deutschland gebracht. Er hatte sich nach dem Suizid seines Sohnes auf eine Weltreise mit dem Motorrad gemacht. Mit den Demos soll auf das Thema Depression aufmerksam gemacht werden, am Anfang und Schluss der Tour steht eine Kundgebung.
Denn die Krankheit wird verdrängt. »Depression bedeutet nach außen Schwäche, das will in der Firma keiner zugeben«, sagt Joretzki. Auf Motorrädern und auf dem vierrädrigen Schlussfahrzeug wird der Sinn der Aktion erklärt. Die Teilnahme ist kostenlos, um Spenden in Höhe von 15 Euro plus X wird gebeten. Mit der Anmeldung über Fellows Ride erhält man Zugang zu einem Newsletter, in dem der Fortgang der Planungen beschrieben wird. Auf der Tour wird rund drei Stunden gefahren, plus einer einstündigen Pause irgendwo auf der Alb. (GEA)