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Mitten im steilen Wald – Großes Interesse an der Ruine Hohengenkingen

Tag des offenen Denkmals: Großer Andrang trotz steilen Anstiegs: Die Mauerreste der Ruine Hohengenkingen lockten am Sonntag zahlreiche Interessierte auf die Anhöhe zwischen Undingen und Genkingen.

Großes Interesse gab es an den Ausführungen von Christine Keck (Bildmitte) und dem Archäologen Shane Pavlovic über die Ruine am
Großes Interesse gab es an den Ausführungen von Christine Keck (Bildmitte) und dem Archäologen Shane Pavlovic über die Ruine am Hohengenkingen. Der Ausblick vom Hohengenkingen in Richtung Undingen war fantastisch. Foto: Norbert Leister
Großes Interesse gab es an den Ausführungen von Christine Keck (Bildmitte) und dem Archäologen Shane Pavlovic über die Ruine am Hohengenkingen. Der Ausblick vom Hohengenkingen in Richtung Undingen war fantastisch.
Foto: Norbert Leister

SONNENBÜHL. Berauschend, dieser Ausblick vom Hohengenkingen über die Albhochfläche bei Undingen. »Dort, wo die Burg einst stand, konnte man drei Albaufstiege kontrollieren«, berichtete die Journalistin Christine Keck zusammen mit dem Archäologen Shane Cavlovic. Beide haben am Sonntag anlässlich des Tags des offenen Denkmals bei einer ersten Führung mehr als 50 Interessierte über Wurzel, Stock und Stein in sehr unwegsamem Gelände auf die Spitze des Hügels geführt.

Egal, ob fußkrank oder hochbetagt – etliche Interessierte quälten sich den steilen Hang hinauf. Was es auf dem Grat des Hohengenkingen zu sehen gab, war allerdings zunächst eher unspektakulär: Kalksteine, wie sie auf der Schwäbischen Alb überall zu finden sind. Bäume, dicke Wurzeln, viel Moos. Mit den Augen eines Archäologen ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Und natürlich gibt es über die Burg, die einstmals hier stand, viele Geschichten und Sagen. Eine erzähle, dass das letzte Burgfräulein in Genkingen um Brot und Wasser bat, ihr das aber verwehrt wurde, berichtete Cavlovic. In Undingen habe sie beides erhalten – so kamen die Undinger nach dem Tod des Fräuleins in den Besitz von Burg und Wald des Hohengenkingen.

Die Initiative, den Hohengenkingen zu erforschen und dort zu graben, sei vom Reutlinger Zeit-Journalisten Wolfgang Bauer gekommen, teilte Christine Keck, seine Ehefrau, mit. Bauer wuchs in Undingen auf, sei damals schon oft auf dem Berg gewesen. »Er hat sich vorgenommen, die Burgruine zu retten.« Leitend dabei bei dieser Privatinitiative sei der freie Archäologe Dr. Sören Frommer – am Sonntag war er wegen Corona verhindert. Ebenso wie Bauer, der zur Recherche in Kenia weilt.

Archäologe Shane Cavlovic zeigte den Interessierten die Grundmauer des Wohnturms der Ruine.
Archäologe Shane Cavlovic zeigte den Interessierten die Grundmauer des Wohnturms der Ruine. Foto: Norbert Leister
Archäologe Shane Cavlovic zeigte den Interessierten die Grundmauer des Wohnturms der Ruine.
Foto: Norbert Leister

Die Burg bewohnt und wahrscheinlich auch errichtet hatten die Herren von Genkingen, vermutlich um das Jahr 1200 herum. Ein Rätselstein, der auf dem Gelände gefunden wurde, stamme jedoch aus dem vierten Jahrhundert, aus der Spätantike, als die Römer aus der Region am Albtrauf abzogen. »Dieser Fund führte zu mehr Fragen als Antworten«, so Shane Cavlovic.

Klar sei aber mittlerweile, dass die Burg über einen riesigen Wohnturm verfügte, einen sogenannten Donjon. »Der war größer als der Turm, der heute noch auf der Achalm steht«, erklärte Keck. Mit einem Außenmaß von 15 mal 14 Metern soll der Donjon mindestens 20 Meter hoch gewesen sein – weil sonst die anderen Burger in der Region nicht zu sehen gewesen wären, führte der US-Archäologe aus.

Als 2023 ein Sturm über den Hohengenkingen hinwegfegte, wurden zahlreiche Bäume entwurzelt. Für die Erkundungen war das zum Teil eine Katastrophe, denn das Mauerwerk der Ruine wurde dabei weiter zerstört. Gleichzeitig legten die entwurzelten Bäume jedoch auch Mauerwerk frei, auf das das Sucher-Team - bestehend aus Archäologen, Journalistinnen und Mitgliedern des Vereins »die Burg« - sonst nie gestoßen wäre.

Noch immer liegen Bäume quer über der Ruine. »Viele Leute haben überlegt, wie man die rausbringen könnte«, so Christine Keck. Aufgrund des Klimawandels sei es enorm wichtig, die noch bestehenden Mauern zu sichern – sonst werde bald von der Ruine gar nichts mehr vorhanden sein. Stürme und Starkregen könnten den umtosten Gipfel bald ganz zerstören. Mit viel ehrenamtlicher Hilfe sollen die Bäume bald herausgeschafft werden. »Und wir hoffen auf 100.000 Euro Leader-Mittel, damit wir weiter archäologische Arbeiten durchführen können«, sagte Keck.

Bei allen Erläuterungen war es selbst mit größtmöglicher Fantasie nicht ganz einfach, sich im Wald auf dem Grat des Hohengenkingen eine Burg vorzustellen. Shane Cavlovic hatte einige Karten mitgebracht, die verdeutlichen sollten, wo die Ruine einst stand, wie sie ausgehen haben könnte. Allzu viel ist noch nicht bekannt – außer dem Wohnturm. Ein Palas, ein großer Saalbau werde vermutet, dazu ein Graben, ein Aufgang zum Donjon, eine Ringmauer.

Was aber bekannt ist: Die Damen und Herren von Genkingen müssen recht wohlhabend gewesen sein. Eine winzige Scherbe deute darauf hin, ein Fitzelchen aus einem Nuppenglas aus dem 13. oder 14. Jahrhundert. Herkunftsort: Libanon oder Ägypten. »Sehr teuer und sehr stabil«, so Cavlovic.

Doch die Burg, die nach Kecks Worten wohl deutlich größer war, als je angenommen, wurde wohl schon im 14. Jahrhundert zerstört. Womöglich im Städtekrieg um das Jahr 1377 herum. Brandspuren seien in den Mauerresten zu finden, sagte Shane Cavlovic. »Für die Zukunft gibt es die Idee, ein Burgenforschungszentrum an der Universität Tübingen einzurichten«, erklärte Keck. Das könnte sich nicht nur mit der Burg am Hohengenkingen befassen, sondern mit zahlreichen anderen Ruinen, die auf der Schwäbischen Alb zu finden sind. (GEA)