MÜNSINGEN-BUTTENHAUSEN. Auf dem Synagogenplatz in Buttenhausen versammelten sich am Montagnachmittag viele Menschen, um der zahlreichen Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Wo einst die Synagoge stand, erinnert heute ein Gedenkstein des Bildhauers Boris Grünwald an das frühere Gotteshaus.
»Die Opfer aus Buttenhausen waren Freunde, Nachbarn, Vereinskameraden, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Familie, Frauen, Männer, Kinder, Alte und Junge«, erinnerte Bürgermeister Mike Münzing. Jedes einzelne persönliche Schicksal wurde greifbar, als die Namen der 210 Menschen aus Buttenhausen verlesen wurden, die Opfer des nationalsozialistischen Regimes geworden waren.
Rund 70 Millionen Menschen starben im Zweiten Weltkrieg, davon waren rund sechs Millionen Juden, die deportiert und umgebracht wurden. Das Fehlen der jüdischen Mitbürger hinterließ Lücken im alltäglichen Zusammenleben und in der Gemeinschaft. »Eine Kultur des Miteinanders wurde uns genommen. Wir müssen Rückgrat zeigen in unserer Zeit, da auch heute wieder Angriffe auf Minderheiten und Menschen aus anderen Kulturen stattfinden«, betonte Münzing.
»Die Zerstörung der jüdischen Kultur hat nicht funktioniert«
Am 27. Januar 1945 konnte die Rote Armee nur noch etwa 7.000 Menschen aus den Konzentrationslagern befreien, von denen viele später aufgrund der unmenschlichen und grausamen Bedingungen, die sie erlitten hatten, durch Krankheit oder an Verletzungen gestorben sind. »Doch die Zerstörung der jüdischen Kultur hat nicht funktioniert«, erklärte Münzing und veranschaulichte dies anhand des Beispiels des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin: Die Berliner Sinfoniker spielen auf den »Violins of Hope« – Streichinstrumente aus dem Besitz von Holocaust-Opfern und Überlebenden, die ein Geigenbauer in Tel Aviv bewahrt hat. Dieses Beispiel zeige, dass die jüdische Kultur weiterlebt, so Münzing.
An die Bedeutung der Erinnerungskultur in heutiger Zeit erinnerte auch Ortsvorsteherin Sybille Zoels. »Es ist unerlässlich, dass wir den Minderheiten eine Stimme geben und immer wieder mahnen. Einfach Mensch sein, zuhören und über den Tellerrand blicken«, bekräftigte Zoels. Dafür brauche es Bildung, Verantwortung und vor allem offene Herzen. Nur so werde die Gefahr von Radikalisierung minimiert. Wichtig sei es, gegenseitige Fürsorge zu pflegen und Zivilcourage zu zeigen, hob Zoels hervor.
Nach einer Schweigeminute sprach Pfarrerin Regina Götz ein Gebet zum Gedenken an die Opfer des Holocausts. Ein klares Statement zur Bedeutsamkeit der Erinnerungskultur war aus ihren Worten herauszuhören. Es war ein Einspruch gegen den Appell, die Schuldkultur einzustellen, wie es kurz vor dem Holocaust-Gedenktag Milliardär Elon Musk auf einer Wahlveranstaltung der AfD gefordert hat.
»Wir sind dankbar für jede Tat der Gerechtigkeit – damals und heute«
Sowohl das Volk als auch die Christen hätten Schuld auf sich geladen und es seien Tendenzen zu erkennen und Rufe zu hören, die lauter würden und erneut großes Leid befürchten ließen. »Wir sind dankbar für jedes einzelne Leben, das damals gerettet wurde, und für jede Tat der Gerechtigkeit, damals und heute«, betonte Götz. Gemeinsam mit allen Menschen guten Willens aus allen Regionen, Kulturen und Schichten müsse man Wege der Hoffnung suchen, ermahnte die Pfarrerin im Gebet.
Während der Gedenkfeier hielten viele der Besucher eine Kerze in der Hand, die sie am Ende der Gedenkfeier am Denkmal abstellten. (GEA)