Logo
Aktuell Geschichte

Mehr Gächingen geht nicht

Rolf Kosemunds Foto-Abende im Dorfgemeinschaftshaus lassen Ortsgeschichte lebendig werden

Eines der Lieblingsfotos von Rolf Kosemund: Das Ortszentrum vor 1920. Die beiden Häuser rechts wurden abgerissen. Dort ist heute
Eines der Lieblingsfotos von Rolf Kosemund: Das Ortszentrum vor 1920. Die beiden Häuser rechts wurden abgerissen. Dort ist heute der Parkplatz der Metzgerei und des Gasthofs Failenschmid. FOTO: KOSEMUND
Eines der Lieblingsfotos von Rolf Kosemund: Das Ortszentrum vor 1920. Die beiden Häuser rechts wurden abgerissen. Dort ist heute der Parkplatz der Metzgerei und des Gasthofs Failenschmid. FOTO: KOSEMUND

ST. JOHANN. Im Dorfgemeinschaftshaus in Gächingen fand die drittletzte Jubiläumsveranstaltung zu »750 Jahre Gächingen« statt. Sie war trotz der großen Besucherzahl – circa 75 Interessierte kamen – vielleicht die intimste und die Gächinger am direktesten berührende aller Jubiläumsveranstaltungen im Dorfgemeinschaftshaus, denn Rolf Kosemund warf einen Teil seiner mehreren 1.000 Fotos, die er im Lauf der Jahre gesammelt hat, auf die Leinwand. Alte Berichte, alte Karten sind gut und schön, enthalten ohne Zweifel auch viele Informationen, aber Fotografien bieten eine ganz andere Nähe zur Wirklichkeit. Schon die ersten Landschaftsfotografien, die Rolf Kosemund zu Beginn präsentierte, riefen Reaktionen im Publikum hervor wie zum Beispiel »Ja, da ist ja damals alles kahl gewesen!«.

Das Zusammentreffen der eigenen Bilder im Kopf der Betrachter von heute mit der identischen geografischen Landschaft und deren totaler Andersartigkeit auf dem vielleicht nur 50 Jahre zurückliegenden Foto auf der Leinwand, das faszinierte. Besonders die Luftbilder, die um die Mitte der 30er-Jahre entstanden, intensivierten diesen Eindruck: »Wo ist denn die Straße nach Dottingen?«, »Wie kam man als Jugendlicher bei den Feldwegen denn auf ein Gymnasium?«, fragten sich die Zuschauer.

Viel älter als 750 Jahre

Oder die Fotos vom Dorfzentrum: »Ja, da lief die Lauter ja mitten durch den Ortskern!?«, wunderten sich einige. Immer wieder, besonders bei den Jüngeren, gab es Reaktionen wie »Wie kam es zu dieser Veränderung?« oder »Was, wir hatten ein Freibad in Gächingen?!«. Und als Rolf Kosemund dann Fotos aus dem Dorfleben zeigte, auf denen Personen zu sehen waren und alte Häuser, die mittlerweile abgerissen worden waren, da waren dann die Älteren mit ihrem Wissen dabei: »Ha, des isch doch« der/die oder dessen/deren Haus. Und so wurde der Abend zu einem lebhaften Austausch zwischen Publikum, den Fotografien und Rolf Kosemund, dem dieser Schatz an Fotografien durch seinen unermüdlichen Einsatz auf der Suche nach ihnen zu verdanken ist. Bevor dies alles stattfand, wies Ortsvorsteher Hans Brändle bei seiner Begrüßung schon darauf hin, dass Gächingen nicht erst mit der Erwähnung des Namens in irgendeiner Urkunde geboren wurde, sondern schon um 700 vor Christus besiedelt war – ein Sachverhalt, den Dr. Hermann Liebenow (Geschichtsverein St. Johann) sogar an nagelneuen Fotos aufzeigen konnte: »Denn der äußerst erfolgreiche ›Ackerläufer‹ Achim Lehmkuhl hatte während der großen Jubiläumsfeier im Bauerschließungsgebiet ›Hinter der Kirche‹ drei eisenzeitliche Pfostenlöcher und eine Vorratsgrube entdeckt, altersbestimmt und fotografiert. Alte Zeichnungen der leider verschollenen Funde aus den Grabhügeln im ›Alten Hau‹ lassen sogar auf eine Besiedelung schon vor 3.500 Jahren schließen«, erklärte er. »Welch eine Überraschung für die Anwesenden und welch ein gelungener Abend, der in der Stuhlreihe vor mir gleich von drei Generationen ein und derselben Familie vereint genossen wurde«, schreibt Joachim Wilhelmy, der diesen Beitrag verfasst hat. (eg)