SONNENBÜHL. Das beschauliche Örtchen auf der Alb, das renovierte, alte Haus, in dem Antonio Robinia mit seiner Familie lebt, wollen so gar nicht zu den Abgründen menschlicher Psyche und mörderischen Fantasien passen, die sich in der neuen Geschichte aus seiner Feder auf 400 Seiten manifestieren. Mit »Der Fremde im Haus« legt er unter seinem Pseudonym Mike Chick erneut einen Thriller vor, der unter die Haut geht.
Dabei war die Idee zu dem Buch noch gar nicht ausgereift, bestand nur aus zwei Sätzen, als er sie mit anderen Manuskripten, darunter ausgearbeitetere Storys, beim Verlag einreichte. Doch der entschied sich genau für die Geschichte, die rudimentär skizziert war und nun druckfrisch im Buchhandel ist. Da musste Antonio Robinia dann in die Tasten hauen, aber »den Druck habe ich gebraucht«, sagt er. Akribie ist dennoch dabei, wenn er seine Welten und Szenarien erschafft. Viele Bilder verwirft er, manche Seiten landen im Papierkorb. »Ich schreibe so lange, bis ich im Kopf eine Welt habe, die funktioniert, in der ich mit Ideen spielen kann.«
»Wenn ich schreibe, gibt es keine Kompromisse«
Ideen für seine Bücher kommen ihm "in den unmöglichsten Situationen". Dann muss er alles stehen und liegen lassen und sich Notizen machen, Sätze aufschreiben, die ihm in den Sinn kommen, die ihn zum Lachen, zum Weinen bringen, die ihn berühren und irgendwie verfolgen. Und wenn die Zeit reif ist, setzt er sich an seinen alten Holzschreibtisch und beginnt, an seinem neuen Thriller zu arbeiten. Dann legt Antonio Robinia sein bürgerliches Ich ab, dann ist er Mike Chick. Unter diesem Pseudonym, das sich etablieren soll, "schreibe ich dreckig". Das kann auch im Urlaub nachts sein, wenn die Hitze den Schlaf raubt. »Wenn ich schreibe, gibt es keine Kompromisse«, dann verlieren sich Zeit und Raum, dann vertieft er sich in psychologische Abgründe.
»Ich mag Charaktere.« Und das, was sie umtreibt. Unterschwellig müsse der Leser immer Angst verspüren. Brutalität und Psychologie - beides kombiniert Mike Chick. »Man muss für jedes Buch wahnsinnig viel recherchieren«, sagt er. An der Genese seiner Protagonisten feilt er lange. Was ist logisch? Wie verhält sich eine Person? Welche Absonderlichkeiten kann ein Hirn ersinnen und wie können sie sich Bahn brechen? Wie agieren und reagieren Opfer und Täter? Welche Mechanismen werden in Gang gesetzt? Und natürlich müssen Orte und Plätze stimmig sein, Handlungsstränge funktionieren, Fakten stimmen. Cliffhanger baut er so gut wie gar nicht ein, sagt er. Die brauche es nicht, wenn die Story stimmt, wenn das Hauptthema die Spannung kreiert, die bis zum Schluss erhalten bleibt.
Die nächsten Projekte sind in Arbeit
»Der Fremde im Haus« spielt in Karlsruhe. Hier kennt sich Antonio Robinia aus, hier hat er an der Kunstakademie Malerei studiert. Mittlerweile sind Pinsel und Leinwand etwas ins Hintertreffen geraten. Das Schreiben hat Antonio Robinia gepackt, das treibt ihn um. An seine ersten Erfolge will er anknüpfen, er träumt davon, irgendwann nicht mehr auf den »Brotjob« angewiesen zu sein, den er zuletzt als Lehrer gefunden hatte, sondern vom Schreiben leben zu können. »Erfolg motiviert«, sagt Antonio Robinia, bei Bloggern hat er sich einen Namen gemacht, auf Buchmessen ist der Autor präsent. Und ein Traum wurde bereits wahr, als er ins Programm des Piper-Verlags aufgenommen wurde: 2001 erschien dort »Der Käfig - Entkommen ist tödlich«, 2022 folgte »Vier Mal Angst«. Schreiben - ohne geht es für Robinia alias Chick nicht. So wundert es nicht, dass sein nächstes Buch schon in der Mache ist. Der Ort, der ihn dazu inspiriert hat, ist die Wimsener Höhle. Und auch das nächste Manuskript entsteht schon unter seiner Feder.
Die Kunst macht wie eh und je einen großen Teil seines Lebens aus, die Liebe zum Schreiben nimmt momentan mehr Zeit in Anspruch. Malen sei ein Prozess, »in dem du drin bleiben musst, täglich«, mit dem Schreiben verhalte es sich ebenso. »Ich bekomme schlechte Laune, wenn ich drei Tage nicht schreiben kann.« Das Gefühl ähnelte dann dem, als »wenn dir jemand den Stift wegnimmt«. Kreativität ist überhaupt ein Lebensbegleiter für Antonio Robinia, dessen Markenzeichen seine Kappe geworden ist. Auch Musik ist eine Kunst, auf die er sich versteht. Ein Hobby zwar, aber »ich brauche Musik, um mich zu entspannen«. Danach aber, wenn er zum Stift greift beziehungsweise auf die Tastatur tippt, herrscht Stille, dann ist nur Raum für die Story.
Das Buch
Das Buch »Der Fremde im Haus« ist erschienen im Piper-Verlag, hat 400 Seiten und kostet 19 Euro (ISBN 978-3-492-50768-4).
Zurück zu »Der Fremde im Haus«, zurück nach Karlsruhe. Taxifahrer Lorenz Hahn hat sein Gedächtnis verloren. Als er eines Tages nach der Arbeit heim kommt, erwartet ihn der blanke Horror. Ein Fremder hält seine Frau und seine zwei Kinder fest und stellt ihm ein Ultimatum. Entweder Hahn findet innerhalb von 24 Stunden heraus, wer sich hinter der Maske verbirgt, oder seine Familie stirbt. Es beginnt eine Hetzjagd - durch Karlsruhe und durch die Leere von Hahns Gedächtnis, nach der Suche nach seinen Erinnerungen, nach seiner verlorenen Vergangenheit. Und dort ist nicht alles so, wie es bei einem unbefleckten Helden zu vermuten stand. Es geht um Schuld und Rache. Alles legt Mike Chick auf den psychologischen Seziertisch. »Nicht umsonst bedroht ihn der Typ, der auf einmal in seinem Leben auftaucht«, sagt der Autor, ohne zu viel zu verraten. Auch nicht über das Ende. Nur so viel: »Es geht nicht ohne Verluste aus. Ein Happy End im typischen Sinn gibt es nicht.« Das habe ihn das Leben und auch sein Onkel gelehrt: Kein Ziel wird erreicht, ohne auf dem Weg dorthin Verluste zu erleiden, ohne problematische Situationen überwinden zu müssen.
Düster ist die neue Geschichte, das gehört zum Genre. Beklemmung und Unbehagen sollen auf den Leser überspringen. Antonio Robinia ist froh über das professionelle Lektorat, das hilft, seine Geschichten stilistisch aufzupolieren, Langeweile auszuradieren, inhaltlich stringent zu arbeiten, den Charakteren mehr Tiefe zu verleihen, wenn es notwendig ist. Ideen, sagt er, hat er genug. Seine Fan-Community darf sich also schon auf die nächsten spannenden Geschichten freuen. Aber auch das, sagt er, passiert nicht wie am Fließband. »Qualität geht über Quantität.« (GEA)