MÜNSINGEN. Erst habe er sich »a bissle geniert«, als da einer kam und seine Lebensgeschichte aufschreiben wollte, gesteht Hans Ulrich Schwenk. Auf diesen Namen wurde der Münsinger vor 64 Jahren getauft. Bekannt geworden ist er aber unter seinem Spitznamen: Uli Schwenk ist auf der ganzen Welt ein Begriff – vor allem in Kreisen, die gerne in die Luft gehen. Der Hobby-Pilot von der Alb gilt international als »Botschafter des Segelflugs«: Nur folgerichtig also, dass Journalist und Autor Reiner Frenz seinem jüngst erschienenen Buch über Schwenk diesen Titel gegeben hat. Morgen lesen Schwenk und Frenz gemeinsam aus dieser Autobiografie, die nicht nur ein wunderbarer Fundus an Anekdoten und Erinnerungen, sondern auch Resultat einer besonderen Freundschaft ist (siehe Info-Box).
Jahrelang hat Frenz als Zeitungsredakteur Schwenks sportlichen Werdegang nicht nur verfolgt, sondern mit einem Engagement und einer Begeisterung miterlebt und dokumentiert, die weit über die Chronistenpflicht des Journalisten hinaus reichte. Geflogen wäre er selbst für sein Leben gerne, gesteht er, aber die Augen machten nicht mit. So ist Frenz am Boden geblieben, als Beobachter, Begleiter und schließlich Biograf.
Ganz Münsingen fieberte mit
1995 hat er für den »Alb Boten« erstmals über Schwenks Teilnahme an den Segelflugweltmeisterschaften in Neuseeland berichtet, damals noch vom Schreibtisch aus und übers Telefon. Später reiste er auch mal mit, investierte dafür auch einen Teil seines Urlaubs: »Ich habe im kleinen Kuppelzelt auf dem Flugplatz genächtigt und bin komplett in die Segelflugwelt eingetaucht«, erzählt er.
Plötzlich, erinnert sich Schwenk an die WM 1995, war Segelfliegen »Gesprächsthema Nummer 1 in meiner Heimatstadt«. Schwenk lag sehr lange vorne, ganz Münsingen fieberte mit. Am Ende wurde es Silber – und auch später hat es bei einer WM nie ganz aufs obere Treppchen gereicht. Vier Mal wurde er Vize-Weltmeister, einmal – 1997 – Europameister, danach noch einmal Zweiter und einmal Dritter bei einer EM. Außerdem stehen zwei Deutsche Meistertitel in seiner Vita.
Daheim wurde er 1995 trotzdem wie ein Weltmeister gefeiert: »Als wir nach Deutschland zurückkehrten, gab es bereits am Stuttgarter Hauptbahnhof einen überwältigenden Empfang mit Transparenten und vielen Freunden und Fans«, schildert er seine Eindrücke. Das Buch ist in Ich-Form geschrieben, daran gearbeitet haben die Freunde seit 2019, als Frenz nicht nur Abschied vom Berufsleben, sondern auch von der Alb nahm und der Liebe wegen in die Schweiz übersiedelte.
Die Welt von oben gesehen
Den Ehrentitel »Botschafter des Segelflugs« hat sich Schwenk nicht nur durch seine sportlichen Erfolge, sondern vor allem auch mit seiner offenen Art verdient – als aktiver Wettkampfsportler genauso wie als Fluglehrer und Trainer, der sein Wissen immer gerne an andere weitergegeben hat. Der Name Uli Schwenk stand stets für Fairplay – das betont Holger Back in seinem Vorwort. Als langjähriger Teamchef der Deutschen Segelflugnationalmannschaft gehört er zum engeren Kreis von Schwenks Weggefährten.
Das gilt auch für Sebastian Kawa, der ebenfalls ein Vorwort geschrieben und Schwenk damit eine besondere Freude gemacht hat. Kawa ist Weltranglistenerster im Segelfliegen und 17-facher Weltmeister. Kennengelernt haben sich Kawa und Schwenk im südfranzösischen St. Auban, wo 1997 die Weltmeisterschaft ausgetragen wurde. Der Münsinger wurde »undankbarer Vierter«, der eigentliche Preis aber waren sowieso die menschlichen Begegnungen und die traumhaft schönen Landschaftseindrücke aus der Vogelperspektive.
Schwenk hat durch die Fliegerei die Welt kennengelernt und die schönsten Länder von oben gesehen, er war in Polen, Italien und Südafrika. Besonders tiefe Eindrücke hinterlassen hat Neuseeland, wo Schwenk 1995 als einziger deutscher Teilnehmer an den Start gegangen war. Überall, wo es bergig ist, gefällt es Schwenk besonders – ob es nun die Alpen oder die Anden sind. Die Kulisse ist nicht nur atemberaubend schön, sondern auch eine technische Herausforderung, erklärt er: »Die meisten Piloten können nur über flachem Terrain gut fliegen.«
So international er für seine große Leidenschaft, die Fliegerei, unterwegs war, so verwurzelt war und ist er in seiner Heimat. Seinem Biografen Frenz hat er launige und rührende Anekdoten aus seiner Kindheit und Jugend anvertraut, auch über Schwenks Familien- und Berufsleben erfährt der Leser. »Es sind etliche Sachen dabei, die die Leute bisher noch nicht gewusst haben«, sagt Reiner Frenz.
Schwenk spricht von seiner Bewunderung für den Großvater Gustav, der 1924 das Textilgeschäft seines Vaters Johannes übernommen hatte. Uli und sein jüngerer Bruder Dieter führten die Familientradition fort – jeder mit einem eigenen Geschäft. Die Fliegerei lag in der Familie, Vater Peter war dabei, als der Flugplatz auf dem Eisberg angelegt wurde. Die Brüder Uli und Dieter sind damit aufgewachsen, der Eisberg war »so etwas wie eine zweite Heimat«, schildert Schwenk seine Erinnerungen. Dazu gehören auch die Ausflüge mit dem Vater auf dem Motorrädle zum Hayinger Flugplatz inklusive Nächten am Lagerfeuer.
Berufspiloten-Traum geplatzt
Der junge Uli war sportlich immer vielseitig unterwegs. Er fuhr gerne Ski und zunächst sah alles danach aus, als würde aus ihm ein Turnierreiter werden. 1975 begann er mit der Fliegerei – und blieb dabei. Berufspilot werden? Das wäre eine Option gewesen, 1978 durchlief Schwenk das Eignungsverfahren bei der Lufthansa – und wurde nicht genommen. »Fliegerisch sei ich top, sagte man mir. Ein schwacher Trost.« In anderen Tests schnitt er nicht so gut ab, schuld war allerdings nicht, wie sein Lehrer gemutmaßt hatte, sein schlechtes Englisch.
Ohne Elke, die später seine Frau wurde, hätte er sein Abi wahrscheinlich nicht geschafft, bekennt er. Die Hochzeit 1984 war in jeder Hinsicht ein Fest: Schwenk packte seine Braut samt Schleier und Strauß in den Flieger und chauffierte sie so zum Traualtar – zumindest fast. Vom Eisberg ging die kurze Reise hinüber ins Nachbardorf Rietheim, wo Schwenk eine unerlaubte Außenlandung hinlegte. Das Regierungspräsidium, das davon Wind bekommen hatte, drückte angesichts des besonderen Anlasses ein Auge zu und verzichtete auf eine Anzeige.
Flugstunde mit bin-Laden-Bruder
Schwenk hatte diverse illustre Passagiere und Co-Piloten im Cockpit. Auf Wunsch von Landrat Thomas Reumann flog er den damaligen Ministerpräsidenten Günter Oettinger vom Stuttgarter Flughafen ins Alte Lager, wo die Unesco-Urkunde zur Anerkennung des Biosphärengebiets Schwäbische Alb feierlich überreicht wurde. Stoff für Anekdoten liefert auch die Tatsache, dass Salem bin Laden, Geschäftsmann und Halbbruder des Terroristen Osama bin Laden, als begeisterter Pilot Flugstunden bei Schwenk nahm und mit ihm im Bierzelt auf dem Cannstatter Wasen feierte. Er kam bei einem Unfall mit einem Ultraleichtflugzeug 1988 ums Leben.

Schwenks Buch ist eine Autobiografie im besten Sinne. Es geht weniger darum, sportliche Erfolge lückenlos aufzulisten oder sich damit zu brüsten, als vielmehr darum, Lebenserinnerungen in Worte zu fassen. Schwenk und Frenz lassen den Leser auf sehr persönliche Weise daran teilhaben. Auch von gesundheitlichen und privaten Rückschlägen berichtet Schwenk offen.

Das traurigste Kapitel ist der Verlust seines Bruders, mit dem er sich nach langjähriger Funkstille wieder versöhnt hatte. Dieter Schwenk starb im vergangenen Jahr völlig unerwartet an einem Hirnaneurysma in Namibia, wo er als Coach ein Fliegercamp betreute und »wohin er so gerne dem schwäbischen Winter entfloh«, so Uli Schwenk. (GEA)
LESUNG MORGEN
Das großformatige, mit vielen Fotos geschmückte Buch »Uli Schwenk – Botschafter des Segelflugs« ist im Münsinger Wiedemann Verlag erschienen. Morgen, Freitag, wird es ab 19.30 Uhr im Modehaus Schwenk in der Münsinger Hauptstraße vorgestellt. Uli Schwenk wird einige zumeist humorige Passagen vorlesen und gemeinsam mit Autor Reiner Frenz dem Publikum Rede und Antwort stehen. Und natürlich ist das Buch auch zu erwerben, frisch signiert vom Segelflugsportler. Außerdem ist es im Buchhandel oder direkt im Verlag für 49,90 Euro erhältlich. (GEA)