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Männer und Motoren: Ein Oldtimer zum Hochzeitstag

SONNENBÜHL-UNDINGEN. »Ich wollte immer einen Jaguar-Oldtimer«, sagt Anni Walter und bekommt dabei ganz verträumte Augen. Ihr Wunsch hat sich zwar nicht erfüllt - dafür hat sie von ihrem Mann Hubert eine andere, noch viel schönere Überraschung bekommen.

Foto: Marion Schrade
Foto: Marion Schrade
Just am 40. Hochzeitstag entdeckte er bei einer Oldtimer-Messe in Friedrichshafen einen BMW E9 2,5 CS, Baujahr 1975. Sportliche 150 PS, sehr selten - er wurde nur 844 Mal gebaut - und 40 Jahre alt, genauso wie die Ehe der beiden also. Gibt es ein schöneres Geschenk zum Hochzeitstag? Nein. Zumindest nicht für Anni Walter, die spätestens seitdem im siebten Himmel schwebt. Ganz ohne Jaguar. So ein Engländer, das sieht auch ihr Mann Hubert ein, hat zwar Stil. Er ist aber auch ziemlich eigen - vor allem, was die britischen Maßeinheiten betrifft. Einen englischen Oldtimer zu restaurieren, zu reparieren und zu warten, kostet dementsprechend viel Geld und Nerven: »Man braucht ganz eigene Werkzeuge dafür«, weiß Hubert Walter. Der Mann ist vom Fach, als gelernter Kfz-Meister werkelt und schraubt der 68-Jährige immer noch mit Leidenschaft - an den Autos seiner Kunden genauso wie am eigenen Fuhrpark.

Im Luxuswagen zum Sport

Denn zum 70er-Jahre-BMW hat sich inzwischen noch ein 20 Jahre älterer Vertreter der bayerischen Autoschmiede gesellt: Ein BMW 502, Baujahr 1954, dem seine üppigen Kurven den Spitznamen »Barockengel« eingebracht haben. Mit dem Auto verbindet Hubert Walter eine besondere Kindheitserinnerung: »Ein Fabrikant im Ort hatte damals so ein Auto, zwei sogar. Wir Buben wurden damit immer zur Leichtathletik gefahren.« So standesgemäß chauffiert wurde damals nicht jeder - schon gar nicht auf dem Land. Ob die konsequenten Besuche auf dem Trainingsplatz nicht nur mit der Liebe zum Sport, sondern auch mit der zum »Engel« zu tun hatten? Schon möglich, gesteht Hubert Walter und lächelt verschmitzt.Die repräsentative Limousine mit Acht-Zylinder-V-Motor war für die Nachkriegszeit unverhältnismäßig luxuriös und für die meisten Menschen schlichtweg unerschwinglich. Weshalb von den Baureihen 501 und 502 zusammen nur etwa 23 000 Stück produziert und verkauft wurden - was sie in Sammlerkreisen heute zu begehrten Objekten macht. Im Straßenbild der 50er Jahre tauchten die Engel vor allem dienstlich auf: Feuerwehren und die Polizei fuhren den BMW 501/502 als Einsatz- beziehungsweise Streifenwagen und schafften es so auch ins Fernsehen: Die Serie »Funkstreife Isar 12« war Kult, erinnert sich Anni Walter. Ob die automobile Zeitreise in die 70er oder in die 50er führt, entscheiden die Walters gemeinsam - wobei nicht nur das Paar, sondern auch die vier Enkel mitbestimmen dürfen. Die nämlich sitzen bei den Sonntagsausfahrten gerne mal auf der Rückbank. Bei Ausfahrten von Oldtimer-Clubs in der Region sind die Undinger dabei, auch Messen oder Treffen stehen ab und an im Kalender. Ansonsten aber genießt das Paar seine Ausfahrten zu zweit. Die Liebe zu allem, was PS hat, verbindet die beiden seit Jahrzehnten. Anni Walters Formel-1-Begeisterung weht als Ferrari-Flagge vom Balkon. Als junge Frau hat sie für Rennlegenden wie Jochen Mass und Giacomo Agostini geschwärmt. Der Italiener gilt als einer der besten Motorradfahrer aller Zeiten. Dass ihr Mann selbst Motorradrennen fuhr und fährt, macht Anni Walter zwar schon ein wenig stolz, aber: »Ich konnte halt immer nur zuschauen und musste bangen«, gesteht sie ihre Sorge. Gemeinsam im vierrädrigen Oldie auf Achse zu sein, gefällt ihr bedeutend besser - wobei Hubert Walter von den zweirädrigen Schönheiten nicht lassen kann. Seit Jahren schon sammelt er historische Motorräder, seine neueste Errungenschaft ist eine DKW aus den 1930ern.Was ihn an den Oldtimern unabhängig von der Anzahl ihrer Räder fasziniert, ist das völlig andere Fahrgefühl. »Damals gab's noch keine Servo«, sagt er, während er am Lenkrad des Barockengels dreht. Er vermisst sie auch nicht - höchstens mal beim Einparken. Da muss man schon hinlangen, ebenso beim Bedienen der Viergang-Lenkradschaltung. Und wo heute elektronische Helferlein alles überwachen und beim kleinsten Problem wild blinkend Disco auf dem Armaturenbrett spielen, fordert die 50er-Jahre-Karosse die Aufmerksamkeit des Fahrers. Die Anzeige für Öldruck und Wassertemperatur hat Hubert Walter auf der Fahrt immer im Blick. Wird's dem Engel zu heiß - »das passiert schon mal, vor allem im Stau« - hilft nichts, als die Heizung auf volle Pulle zu drehen. Auch im Hochsommer. Im Gegenzug werden dann eben die Seitenfenster runtergekurbelt und die Dreiecksfenster aufgeklappt.

Improvisieren und restaurieren

Überhaupt: Die Überraschungsmomente auf Tour sind's, die Oldie und Fahrer erst so richtig zusammen schweißen. Pleiten, Pech und Pannen bleiben jahrelang in Erinnerung, der Ärger ist irgendwann vergessen und verwandelt sich in eine lustige Anekdote. So wie die von den Scheibenwischern des Engels, die im strömenden Regen einfach stehen blieben. Null Sicht, aber noch zig Autobahnkilometer zwischen Rottweil und Undingen. Hubert Walter ist zwar Fachmann, aber zaubern kann auch er nicht. Improvisieren aber sehr wohl. Also an der nächsten Tanke raus, Strumpfhose kaufen. Die gab's nicht, also nahm Walter eben ein paar Meter Absperrband und sorgte mit Muskelkraft und im Duett mit der Partnerin für klare Sicht: Durchs Dreiecksfensterle zogen die beiden abwechslungsweise unermüdlich am Band, um die Wischblätter über die Scheibe zu bewegen.»Vorsichtig restaurieren« lautet Walters Credo, für den der Originalzustand oberstes Gebot ist. Das Radio im Engel rauscht - na und? Walter kennt Oldtimer-Besitzer, die moderne Soundanlagen einbauen. Das käme für ihn nie infrage. Größere Arbeiten sind Wintergeschäft, dann zerlegt der Undinger schon mal ganze Motoren, dichtet sie neu ab, setzt sie dann wieder zusammen. Und wenn mal ein Ersatzteil partout nirgends aufzutreiben ist, fertigt er es eben selbst an - Maßarbeit an der Drehmaschine: »Geht nicht gibt's nicht!« (GEA)