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Aktuell Prozess

Landwirt von der Alb vor Gericht: Keine Vorzeig- aber auch kein Katastrophenbetrieb

Ein Landwirt von der Alb muss sich wegen mehrerer Vorwürfe vor dem Schöffengericht verantworten. Bei den ihm gemachten Vorwürfen geht es unter anderem um Gewässerverunreinigung, Verstöße gegen das Tierschutzgesetz, dass er Mitarbeiter nicht bei Sozialversicherungsträgern angemeldet und Angestellte nicht nach Mindestlohn bezahlt hat.

Ein 64-jähriger Landwirt von der Alb muss sich vor dem Amtsgericht Reutlingen verantworten.
Ein 64-jähriger Landwirt von der Alb muss sich vor dem Amtsgericht Reutlingen verantworten. Foto: Cordula Fischer
Ein 64-jähriger Landwirt von der Alb muss sich vor dem Amtsgericht Reutlingen verantworten.
Foto: Cordula Fischer

REUTLINGEN. Es braucht lang, bis Staatsanwältin Franziska Hipp die Anklageschrift verlesen hat, vor allem die Passagen, in denen es um die Nichtanmeldung von Mitarbeitern bei den Sozialversicherungsträgern geht, nehmen viel Zeit in Anspruch. Verantworten muss sich ein 64-jähriger Landwirt, dem noch weitere Vergehen vorgeworfen werden. In Gang gekommen war alles aufgrund eines »Vierzeilers«, wie Verteidigerin Dr. Petra Dietenmaier erklärte, in dem ihr Mandant sozusagen angeschwärzt wurde und auf den hin »eine Hundertschaft von Polizei und Veterinäramt« den Hof des Landwirts auf den Kopf gestellt habe. Ihr Mandant sei ein »Vollblut-Landwirt«, kein Straftäter, der sich gegen Recht und Gesetz stelle, er sei bemüht, die Sachen in Ordnung zu bringen.

Der Prozess ist auf mehrere Termine angelegt. Am ersten Verhandlungstag ging es in erster Linie um die Anklagepunkte, die das Tierschutzgesetz betreffen, aber auch zu den weiteren Vorwürfen äußerten sich der Landwirt und seine Verteidigerin, räumten Fehler ein. Der 64-Jährige habe aber bereits gehandelt. So zum Beispiel beim Thema Gewässerverunreinigung. Er betreibt eine Biogasanlage. Es sollen Silagesickersäfte in den Boden gelangt sein. Ein Silo sei überfüllt worden, es sei aber mit Folie abgedeckt gewesen, das sich darauf gesammelte Regenwasser sei auf den Schotterweg geflossen. Für ein weiteres Silo war dem Landwirt vom Landratsamt untersagt worden, es zu befüllen, da er aber im Jahr 2023 so viel Futter gehabt hätte, sei ihm nichts anderes übrig geblieben, als auch dieses Silo zu füllen. Dort habe es hineingeregnet, Flüssigkeit sei in eine Versickerungsmulde gelaufen. Dies habe er mittlerweile behoben, das Silo sei geleert worden, und er habe eine Mauer gebaut. »Bei Fehlverhalten reagiert er sofort, er ist nicht beratungsresistent«, sagte Rechtsanwältin Dietenmaier.

Bemüht, Geld zurückzuzahlen

Sie habe außerdem eine weitere Kanzlei eingeschaltet, die sich um die nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge kümmert, die sich insgesamt auf rund 150.000 Euro belaufen. Warum er manche Arbeitnehmer nicht angemeldet habe, erklärte der Landwirt: Manche hätten nicht die nötigen Papiere gehabt, manche hätten den Hof wieder schnell verlassen, etwa binnen zwei Wochen. »Die, die ich anmelden konnte, habe ich angemeldet.« Er werde das Geld zurückzahlen, er warte nur noch auf Bescheid der Rentenversicherung. »Aus der Portokasse« werde er das Geld aber nicht nehmen können. Dass er teils nicht den Mindestlohn gezahlt habe, sei damit zu erklären, dass er den Mitarbeitern kostenlose Unterkunft gewährt habe, das habe er vom Gehalt abgezogen.

Die Verstöße gegen des Tierschutzgesetz sind folgende: Der Landwirt soll bei sieben Rindern die Ohrmarken abgeschnitten haben, um nach deren Schlachtung diese Ohrmarken für andere Rinder zu verwenden. Vier Rinder soll er trotz erkennbarer Erkrankung nicht ausreichend fachgerecht behandelt lassen haben. Und zwei Kälber soll er sich selbst überlassen haben, sodass diese schließlich getötet werden mussten. Zu dem Vorwurf bezüglich der Ohrmarken sagte der 64-Jährige: »Ich weiß nicht, woher dieser Vorwurf kommt.«

Im Gerichtssaal

Richter: Eberhard Hausch. Schöffen: Karin Bachleitner, Kathrin Ungerer. Staatsanwältin: Franziska Hipp. Verteidigerin: Rechtsanwältin Dr. Petra Dietenmaier. (GEA)

Als Zeugen wurden der Leiter und ein Mitarbeiter des Kreisveterinäramtes gehört. Der Leiter des Kreisveterinäramtes war dabei, als der Betrieb im April 2023 überprüft wurde. Manche Dinge seien nicht korrekt gewesen, das sei aber bei einem Betrieb dieser Größe nicht ungewöhnlich. Grundsätzlich sei der Landwirt kooperativ, die Kälbersterblichkeit läge bei nur zwei Prozent, der Angeklagte sei grundsätzlich ein Landwirt, der sich um seine Tiere kümmere. An dem Tag der Durchsuchung des Hofs war ein Kalb aufgefallen, das in der Stallgasse lag. Das sei kein Platz für ein neugeborenes Tier, bei ihm sei das Allgemeinbefinden reduziert gewesen. Zwei Stunden, nachdem es entdeckt wurde, habe es immer noch dort gelegen. Ein Polizist habe es schließlich erschossen. Ein zweites Kalb in einem Iglu sei ebenfalls in schlechtem Zustand gewesen, dehydriert, mit eingesunkenen Augen, wurde ebenfalls getötet.

Gefunden worden seien außerdem Schlachtabfälle, Überreste von Tieren, die vergraben wurden. Man hätte sie ordnungsgemäß über eine Tierkörperbeseitigungsanlage entsorgen müssen. Der Veterinäramtsleiter sprach von mindestens sieben Kälbern und drei Rindern. Der weitere Zeuge, ebenfalls vom Veterinäramt, hat die bei der Kontrolle erfassten Daten ausgewertet. Ein Teil der Vorwürfe bezüglich der Kälberhaltung seien für ihn nicht nachvollziehbar gewesen, bei der Kuhhaltung habe es Defizite gegeben, aber nur bei vier Tieren, so sein Ergebnis. Die Tiere seien zum Teil behandelt gewesen, aber nicht so, dass es ausgereicht hätte. Der Betrieb des Landwirts sei kein »Vorzeige- aber auch kein Katastrophengebiet«, sagte der Veterinär. Allerdings könne manches schneller und konsequenter umgesetzt werden, aber Beratungen hätten bisher immer Ergebnisse erzielt, so der Zeuge, der den Hof regelmäßig kontrolliert.

Der Prozess wird am heutigen Mittwoch fortgesetzt. (GEA)