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Lästige Nager im Lautertal: Die Biber sollen weg

GOMADINGEN. Vorbei die Zeit der Willkommenskultur für den Biber im Lautertal. Erst als Bereicherung einer an Arten verarmenden Landschaft begrüßt, sollen die Viecher, weil sie durch ihre Holzfällerkünste und Dammbauten in der Lauter und ihren Nebenflüsschen den sozialen Frieden gefährden, jetzt wieder weg. Am besten verbannt werden aus dem Lautertal, wo einige Geschädigte die Schnauze voll haben von den Wasserbewohnern. Was freilich nicht so einfach zu bewerkstelligen ist, wie der auf die Tiere inzwischen ganz schlecht zu sprechende Gomadinger Bürgermeister Klemens Betz dem Gemeinderat am Dienstag kund tat.

Putzig war mal. In Gomadingen sind Biber inzwischen einfach nur lästig.
Putzig war mal. In Gomadingen sind Biber inzwischen einfach nur lästig. Foto: dpa
Putzig war mal. In Gomadingen sind Biber inzwischen einfach nur lästig.
Foto: dpa
Gut 28000 Euro hat die Gemeinde in den vergangenen fünf Jahren (2011 bis 2015) berappen müssen, um Biberdämme zu zerstören, damit die aufgestaute Lauter, die sich bereits auf Flussgrundstücken und in Kellern ausgebreitet hatte, wieder ungehindert durch den Flecken fließen kann. »Das sind die Kosten für Personen und Material, die für den Verwaltungsaufwand sind nicht mitgerechnet«, führte Betz das Genehmigungs-Hin und Her mit dem Landratsamt als Untere Naturschutzbehörde auf, die über das ungestörte Leben der vom Naturschutzrecht streng geschützten Art und der Unversehrtheit ihres Lebensraums wacht.

Biberburgen sind demnach Tabuzonen, die kunstvoll mit Ästen und auch mit geklauten Brennholzstücken gebauten Dämme dürfen erst nach Genehmigung des Landratsamts vom Bagger zerstört werden, was für die Gemeinde allmählich skurrile Züge annimmt. Kaum ist der Damm weg, macht sich der Baumeister wieder ans Werk und rekonstruiert. Für die Gomadinger eine Situation wie im Film »Und täglich grüßt das Murmeltier« oder wie Betz es formulierte: »Wir sind in einem Hamsterrad«.

Lautertalreviere voll besetzt

Ausgehend von der bayerischen Donau haben Biber laut Josef Grom, dem Biberberater am Regierungspräsidium Tübingen, inzwischen das ganze Lautertal besetzt, informierte Betz den Gemeinderat. Je nach Nahrungsangebot kann ein Revier ein bis sieben Kilometer lang sein. Wie viele Köpfe es letztendlich sind, ist kaum zu beziffern. Es sollen viele sein, die sich verschiedentlich an öffentlichen Einrichtungen zu schaffen gemacht haben. Soeben habe Gomadingen 2 000 Euro für die Instandsetzung eines verstopften Abwasserkanalschachts der Engstinger Kläranlage in Kohlstetten blechen müssen. Da das gereinigte Wasser in die Lauter fließt, es somit nahelag, dass der Biber von dort stammt, sei der Schaden Gomadingen zugeschoben worden. Bauern schimpfen über überschwemmte Wiesen, Autofahrern graut es bei der Vorstellung eines vom Biber gefällten Baumes, der wie jüngst beim Marbacher Dreieck auf die Straße gefallen war. Pikanterweise sei es ein Baum gewesen, den einer der ehrenamtliche Biberberater mit einer Drahthose versucht hatte vor dem Übergriff der Nager zu schützen.

Prekär werde es am Wolfgangsee unterhalb Schloss Grafeneck, wo lange schon Unterspülungen des Bahndamms ausgemacht worden sind und der Zugverkehr der Schwäbischen Alb Bahn gefährdet sei, Biber stauen in regelmäßigen Abständen den Dolderbach auf, sodass das Wasser bis an die Straße schwappt, wo demnächst Frostschäden befürchtet werden. Kurzum, die Art mit dem wundervollen dichten Pelz richtet Schäden an und hat ihre Sympathien bei Bürgermeister Betz und dem Gemeinderat verspielt.

»Das Konnexitätsprinzip (Zusammenhang) wer bestellt, bezahlt«, gilt nicht mehr, monierte Bürgermeister Klemens Betz den für die Regulierung der Biberschäden außer Kraft gesetzten staatsrechtlichen Grundsatz. »Der Gesetzgeber schützt die Biber und gibt für die Schadensbeseitigung nur fünfzig Prozent Zuschuss«. Betz weiter: »Die Akzeptanz des Bibers wäre deutlich größer, wenn das Land die vom Biber verursachten Schäden auch voll und ganz bezahlt«. Nach bayerischem Vorbild, wo Biber allerdings, im Gegensatz zu Baden-Württemberg, 1966 ausgesetzt worden sind.

Schluss mit Gemütlichkeit

Da die Jagd auf Biber ausscheidet, die Art steht nicht im Jagdgesetz, soll in Gomadingen die Vergrämung versucht werden. Das dauerhafte Verjagen aus der Lauter durch Beenden des gemütlichen Hochwasserstands in See und Fluss. Zumindest an drei neuralgischen Punkten, so wie es schon im April 2013 vom Biberberater Josef Grom vom Regierungspräsidium Tübingen und weiteren ehrenamtlichen Biberberatern vorgeschlagen worden ist. An den Erfolg der Aktion glaubt den Stimmen im Gemeinderat zufolge, aber keiner so recht.

Abflussrohre sollen zwischen Wolfgangsee und Dolderbach so installiert werden, dass der Pegel sinkt, der Bahndamm somit wieder Standfestigkeit erlangt. Die Erms-Neckar-Bahn AG (Enag) als Betreiberfirma der Schienen hat dem Vernehmen nach bereits mit der Einstellung des Zugverkehrs gedroht, weil die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden könne. Schließlich soll, um die Häuser und Grundstücke in der Uracher Straße vor Überschwemmung zu schützen, ein Schwimmbalken über die Lauter gelegt werden, der dem Flusspegel folgt und den der Biber angeblich als unüberwindliches Hindernis betrachtet.

Betz: »Die Vorschläge sind alle gut, aber keiner gibt Geld mit«. Die Kosten für Rohre und Balken wurden mit 10 000 Euro beziffert. Das Land gibt 50 Prozent. Die laufende Unterhaltung wird Gomadingen zähneknirschend bezahlen müssen. Die Alternativen, die Betz schilderte, den Wolfgangsee zuschütten und an anderer Stelle anlegen und den Dolderbach verlegen, wären deutlich teurer. (GEA)