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Lärmreduzierung: Tempo 30 für Engstingen?

Der Engstinger Gemeinderat hat ein Maßnahmenpaket zur Lärmreduzierung im Ort verabschiedet, über die Details wird noch zu reden sein.

Solche Schilder könnten auch in Engstingen sehen.
Solche Schilder könnten auch in Engstingen sehen. Foto: Felix Kästle/dpa
Solche Schilder könnten auch in Engstingen sehen.
Foto: Felix Kästle/dpa

ENGSTINGEN. Tempo 30 ist ein bewährtes und vergleichsweise günstig umzusetzendes Mittel, um den Lärmpegel an Straßen zu senken. Rechnerisch wird der Wert dadurch um 2,5 Dezibel gesenkt, drei Dezibel würden einer Halbierung des Durchgangsverkehrs gleichkommen, erläuterte Claus Kiener vom Büro Modus Consult im Engstinger Gemeinderat. Die Maßnahme stieß bei den Räten nicht auf unbegrenzte Begeisterung. Weil es die Bürger nicht wollten, weil dadurch Emissionen steigen könnten, weil sich eh keiner dran hält.

Kiener hatte dem Gemeinderat den Lärmaktionsplan Runde 4 vorgelegt, der eine ganze Latte von kurz- bis langfristigen Maßnahmen umfasst. Letzter Schritt war die Einarbeitung der bei der öffentlichen Auslegung eingegangenen Stellungnahmen. Der Gemeinderat verabschiedete den Lärmaktionsplan, »über die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen wird erneut im Gemeinderat entschieden«. Dieser Zusatz wurde auf Wunsch aus dem Rat noch in den Beschlussvorschlag aufgenommen – wie gesagt ist nicht jeder ein Fan von Tempo 30, und die Umsetzung der Vorschläge geht auch an den Haushalt.

Bürgermeister Mario Storz machte aber klar, dass das Paket durchaus »eine gewisse Verbindlichkeit« habe. Das muss es auch, denn nach den Berechnungen von Modus Consult ist das Leben an manchen Stellen von Engstingen gesundheitsgefährdend. 70 Dezibel gelten laut Gesetz bei Tag als »grundrechtliche Schwelle zur Gesundheitsgefährdung«. Das heißt, irgendjemand muss aktiv werden, ob der Verkehr dann langsamer läuft oder nicht. Der Wert wird teilweise überschritten, hat Kiener anhand der Verkehrszahlen berechnet: »Lärm wird berechnet, nicht gemessen«, betont der Experte immer wieder.

Man muss also was tun, was kann man tun? Der verabschiedete Katalog listet erst einmal das schnell Umzusetzende auf. Dazu gehört an erster Stelle Tempo 30 auf der B 312 in Kleinengstingen von der Goethestraße bis zum Ortsende Richtung Bernloch und in Großengstingen vom Ortsschild bis zur Sporthalle.

Ohne Kontrolle bringt das nichts, Blitzer stehen auch auf dem Plan. Kiener empfiehlt mobile Anlagen, der Überraschungseffekt sei entscheidend. Ohne Einwände dürfte der Vorschlag durchgehen, klappernde Schachtdeckel zu sanieren: »Wenn täglich Hunderte Male über einen losen Deckel gefahren wird, tut das mehr weh als der Motorenlärm«, meint Kiener. Mittelfristig, etwa bei Sanierungen, können Flüsterbeläge aufgebracht werden. Die funktionierten mittlerweile auch unter 50 Stundenkilometern und könnten drei Dezibel rausbringen. »Damit sind wir innerorts am Ende«, zog er sein Fazit.

Weniger Verkehr ist lärmtechnisch immer besser. Der Ausbau des Fuß- und Radwegnetzes steht unter den mittelfristigen Maßnahmen, möglichst auch über die Ortsgrenzen hinaus – »es bringt ja nichts, wenn man nur bis zum Ortsschild kommt«. Und langfristig hat er der Vollständigkeit halber noch eine mögliche Ortsumgehung aufgeführt. Von der hält Kiener nicht allzu viel – geringer Nutzen und viel Bodenversiegelung.

Die Engstinger haben bei den Lärmspaziergängen und während der öffentlichen Auslegung des Entwurfs zum Lärmaktionsplan einige Vorschläge gemacht. Einer lautete überraschenderweise »Auf keinen Fall Tempo 30«. Der Vorschlag wurde so nicht aufgenommen, andere finden sich im Maßnahmenkatalog wieder. Und noch weitere hält Claus Kiener nicht für geeignet. Er muss alles unter dem Aspekt Lärmreduzierung betrachten, Schadstoffreduzierung, Lebensqualität oder Sicherheit im Straßenverkehr darf er nicht einpreisen. Es wird dann Sache des Gemeinderats sein, mehr als eine Fliege mit einer Verkehrsschild-Klappe zu erschlagen. Deswegen sind sinnvolle Anregungen nicht in den Katalog aufgenommen worden. Etwa die Versetzung der Ortsschilder nach außen, mehr Grün entlang der Straßen oder Fahrbahnverengungen – kann man machen, beeinflusst aber das Ergebnis des Lärmschutzgutachtens nicht. Denn Lärm wird ja »berechnet, nicht gemessen«, und Alleebäume stehen halt nicht in Kieners Formeln.

Jetzt liegt es am Gemeinderat, wie den lärmgeplagten Engstingern fühlbar geholfen werden kann und sie wieder unter der »grundrechtlichen Schwelle zur Gesundheitsgefährdung« leben können. (wu)