MÜNSINGEN/ENGSTINGEN. Das Verteidigungsministerium setzt, wie berichtet, die Umwandlung militärisch genutzter Liegenschaften für zivile Zwecke aus. Die Pläne für ehemalige Liegenschaften der Bundeswehr, die inzwischen vermietet beziehungsweise verpachtet oder für die zivile Nutzung vorgesehen sind, werden deshalb (vorerst) auf Eis gelegt.
Im Landkreis Reutlingen sind der ehemalige Standortübungsplatz Engstingen und der ausrangierte technische Bereich Gänsewag in Münsingen im Gespräch. Beide Flächen befinden sich im Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Die betroffenen Liegenschaften sollen Teil der »strategischen Liegenschaftsreserve der Bundeswehr werden«, also kurzfristig von den deutschen Streitkräften bei Bedarf genutzt werden können. In Kreis Tübingen sind zwei Standorte vom Umwandlungsstopp betroffen: das Munitionslager Schindhau in Tübingen und der Standortübungsplatz Tübingen-Wankheim.
Der ehemalige Standortübungsplatz Engstingen befindet sich nordöstlich des Gewerbeparks Haid, wo bis 1993 die inzwischen abgerissene Eberhard-Finckh-Kaserne stand. Das Übungsareal wurde Ende der 1950er-Jahre auf dem Gelände der Munitionsanstalt Haid aus der Wehrmachtszeit errichtet. Die Bundeswehr baute dort eine Standortschießanlage und drei Maschinengewehr-Stände, die jedoch nicht mehr existieren.
Auf dem Konversionsgelände steht seit 2010 ein 2,7 Megawatt starker Solarpark. Außerdem hat dort der Holzhandel Huslik sein Lager. Die 17 Munitionsbunker nebenan gehören zur ehemaligen Standortmunitionsniederlage, die eingezäunt und vermietet ist. Doch nicht mehr lange. Die Verträge wurde auf Ende des Jahres gekündigt, wird dem Fotografen mitgeteilt, als er die Bunker ablichtet.
Bürgermeister überrascht
Bürgermeister Mario Storz zeigt sich überrascht, als er davon erfährt, dass der ehemalige Standortübungsplatz reaktiviert werden soll. Er spricht von einem »Treppenwitz«. Er verweist auf die Schilder, die an den Eingängen stehen mit der Aufschrift: »Lebensgefahr – Absolutes Betretungsverbot außerhalb der gelb markierten Wege – Das gesamte Gelände ist mit Munition und sonstigen Kampfmitteln belastet.«

Außerdem erinnert er daran, dass bereits beschlossen wurde, dass Teile des Geländes als Kernzone für die Erweiterung des Biosphärengebietes Schwäbische Alb vorgesehen sind. Die Zusage der BImA, genauer gesagt die des Bundesforstes Heuberg, der für das militärische Gelände zuständig ist, liege vor. »Es handelt sich um ein laufendes Verordnungsverfahren«, so Storz.
Der technische Bereich Gänsewag, der an den ehemaligen Truppenübungsplatz Münsingen grenzt, befindet sich nördlich der einstigen Soldatensiedlung Altes Lager (heute Albgut). Bereits seit Ende der 1990er-Jahre ist Liebherr auf dem Truppenübungsplatz zu Gast. Der Weltkonzern war die erste zivile Firma, die noch zu Zeiten der Bundeswehr eine eingeschränkte Mitbenutzungserlaubnis des Schießplatzes beziehungsweise der Panzerringstraße für seine Fahrzeuge hatte.
Außerdem mietete der Konzern den umzäunten technischen Bereich Gänsewag, der jetzt ebenfalls zur Disposition steht. Auf dem 2,6 Hektar großen Areal befinden sich eine große Reparaturhalle und überdachte Stellplätze. Bis Ende des Zweiten Weltkrieges war dort das Gefangenenlager Gänsewag, bevor auf dem Gelände der technische Bereich für die französischen beziehungsweise deutschen Streitkräfte errichtet wurde.
Nachdem Anfang der 2000er-Jahre bekannt wurde, dass die Soldaten Ende 2005 die Alb verlassen, wurde in Zusammenarbeit mit dem Regierungspräsidium, dem Landratsamt Reutlingen und dem Münsinger Rathaus frühzeitig ein neuer Mitbenutzer-Vertrag mit der BImA unterzeichnet.
Beim Liebherr-Werk in Ehingen nachgefragt, ob man wisse, dass aktuell der technische Bereich Gänsewag in Gespräch sei, zeigt man überrascht. »Wir wissen von nichts«, sagt Pressesprecher Wolfgang Beringer auf GEA-Anfrage.
Mit dem ehemaligen Lager Golf (Lager J), in dem früher die US-Armee Atomsprengköpfe lagerte, das sich in der Nähe des Standortübungsplatzes Engstingen befindet, kann der Bund nicht mehr rechnen. Das rund 5,5 Hektar große Gelände mit zwei großen Bunkern hat vor knapp 30 Jahren die Gemeinde Hohenstein gekauft, auf deren Markung sich der ehemalige militärische Sicherheitsbereich befindet.
Der Whisky darf bleiben
Die Stadt Trochtelfingen hat damals ebenfalls von ihrem Rückkaufrecht Gebrauch gemacht. Sie übernahm das angrenzende, knapp neun Hektar große Lager K, in dem sich zehn kleine und sechs große Bunker befinden, in denen die Bundeswehr zu Zeiten der Eberhard-Finckh-Kaserne Raketenmotoren sowie Munition lagerte. Die Bunker in beiden Lagern sind an Vereine und Privatpersonen vermietet.
Die früher zum Landkreis Reutlingen gehörende deutsche Standortmunitionsniederlage Ingstetten und das Munitionsdepot Breithülen (Dépôt d’armée 61), wo die Munition für das französische Militär in Baden-Württemberg lagerte, sind ebenfalls aus der Verlosung. Das deutsche Depot gehört seit knapp drei Jahren der Stadt Schelklingen, das französische der Finch Whiskydestillerie. (GEA)

