HOHENSTEIN/ KOHLSTETTEN/ WÜRTINGEN. Jede Jahreszeit hat ihre Traditions-Festivitäten, der Herbst ist untrennbar mit der Kirbe verbunden. Die lockt die Menschen raus aus ihren gemütlichen Stuben und rein in Gasthäuser auf Zeit, in denen es vor allem eines gibt: Rustikal-deftige Speisen von der Schlachtplatte bis zum Spanferkel, gefragt sind aber auch salzige und süße Kuchen. Betrieben werden diese temporären Genusstempel mit ganz viel Herzblut von unzähligen ehrenamtlichen Helfern, die zum Teil tagelang im Einsatz sind, um die kulinarischen Köstlichkeiten anbieten zu können.
»Wir sind auf Kante gestrickt«, gibt Diana Maulbetsch beim Blick auf die vielen Besucher in der Hohensteinhalle zu. »Wir sind froh, wenn wir die Kirbe gut über die Runden bekommen.« Sie ist Vorsitzende vom Sängerbund Bernloch-Meidelstetten, und es handele sich um mit seinen 22 aktiven Mitgliedern kleinen und alten Verein: »Die meisten sind Ü60«, erzählt sie. Man sei am Kirbetag auf die Hilfe von Außenstehenden angewiesen, ohne Familienmitglieder und Freunde würde man die inzwischen 29. Ausgabe des Festes kaum stemmen können: 35 Frauen und Männer sind im Einsatz, als Bedienung, an der Kasse, beim Weinausschank oder hinter der Kaffeetheke. Den Posten übernimmt seit vielen Jahren Ehemann Winfried Maulbetsch: »Dabei mag er gar keinen Kaffee«, gesteht seine Frau lachend. Dankbar sei sie auch für die Hilfe des Bauwagen-Teams Säge, die jungen Leute würden den Aufbau der Bühne und die Verlegung des Schutzbodens in der Hohensteinhalle übernehmen. Nicht zuletzt sorgten am Sonntag die Trachtenkapelle Bernloch, der Cool-Chor der Hohensteinschule sowie die Sängerrunde Hohenstein und der Chor hatmanntöne für musikalische Unterhaltung.
Der Aufwand für das eintägige Fest sei groß, die Resonanz aber auch, und deshalb organisiere der Sängerbund die Kirbe nach wie vor gerne. Nicht zuletzt, weil dadurch dringend benötigtes Geld in die Vereinskasse komme: Die Fixkosten eines Chores seien hoch, unter anderem müsse die Dirigentin bezahlt werden. Das Engagement wird aber auch honoriert: In den Hohensteiner Ortsteilen blieben am Kirbesonntag die meisten Küchen kalt, gingen ganze Familienclans, Jugendgruppen und Seniorenkreise in die Hohensteinhalle und genossen die mit Liebe selbst gemachten Köstlichkeiten – so hatte jedes aktive Mitglied zwei Kirbekuchen gebacken.
Dieser finale Schritt wurde in Kohlstetten vom Backhaus-Team übernommen: Kuchen durften ungebacken abgegeben werden, sie wurden im Backhaus in den Ofen geschoben. Zahlreiche Kohlstetter gaben tatsächlich Kirbekuchen ab, dabei handelt es sich traditionell in der Regel um einfache Blechkuchen aus Hefeteig mit saisonalem Obst wie Äpfeln oder Zwetschgen. Den viel gefragten Zwiebelkuchen steuerte der Sängerbund bei, die Bereitschaft zum Mitmachen freute Diana Schrade-Geckeler sehr: »Die Kirbe lebt von dem Engagement von Menschen, die etwas fürs Dorf machen wollen.« Sie ist Vorsitzende des Vereins Laden und mehr, der gemeinsam mit der evangelischen Kirchengemeinde das Fest organisiert.
Eine lange Tradition hat die Kohlstetter Kirbe nicht, los ging’s vor Corona aus einem guten Grund: Der Ort habe in den vergangenen Jahren viel an Infrastruktur verloren, Treffpunkte würde es kaum noch geben. »Deshalb sind Feste wichtig«, erklärt Diana Schrade-Geckeler, sie würden die Dorfkultur beleben. Das Zusammensein und das Miteinander seien nicht nur für die Erwachsenen wichtig, sondern auch für die Kinder: Sie sollen sich mit dem Ort identifizieren können. Deshalb gab’s für die kleinen Kohlstetter auch einen Fahrzeugparcours, und eine Attraktion war ebenfalls die mobile Apfelsaftpresse, die von Rudi Giest-Warsewa und Harry Holder mit viel Muskelkraft betrieben wurde. Rund 60 Liter Saft aus Kohlstetter Äpfeln kamen so direkt in den Verkauf – so manche Besucher konnten nicht genug davon bekommen. Eigentlich, so heißt es ja, ist's auf der rauen Alb einen Kittel kälter. Nicht so am Sonntag: Die Sonne spitzte gleich nach dem Gottesdienst zum Festauftakt durch den Himmel, die Temperaturen waren angenehm, und so konnten die Kohlstetter mitten im Ort vor dem Backhaus in gemütlicher Runde feiern.
Im Freien hatten sich auch zahlreiche Besucher der Kirbe in der Würtinger Gemeindehalle platziert. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es um die Mittagszeit herum in der Halle selbst kaum noch einen freien Platz gab. »Es ist erstaunlich, woher die Leute alle kommen«, wundert sich Stefan Werz von der Trachtenkapelle. Nicht nur St. Johanner hatten am Kirbesonntag das Albdorf als Ziel auserkoren, auch Gäste aus dem Tübinger Raum, aus dem Kreis Esslingen und dem Großraum Stuttgart zog es einmal mehr auf die Schwäbische Alb. »Ein Spanferkel bekommt man nicht mehr oft«, erklärt ein Besucher und er lobt auch den Kartoffelsalat überschwänglich. Kein Wunder: Er ist wie vieles andere auch selbst gemacht. 150 Kilo Erdäpfel sind dafür verarbeitet worden, wie Stefan Werz bemerkt. Fürs Anmachen dieser Menge Kartoffelsalat gibt’s zwei Fachleute – die hätten jahrelange Erfahrung. Die rund 50 ehrenamtlich Mithelfenden hatten am Sonntag alle Hände voll zu tun, es laufe laut Werz glücklicherweise trotz eines neuen Kassensystems rund – die Skepsis sei im Vorfeld groß gewesen. Gute Laune pur war also in der Gemeindehalle angesagt, dafür sorgten auch die Augstbergmusikanten aus Steinhilben und der Musikverein Rietheim.
Gefeiert wurde auch im Sportheim, statt Pizza und Pasta gab’s dort deftige Schlachtplatte - Wirt Vitto Arti hat seine Küche traditionell den Fußballern des SV Würtingen überlassen. Auch hier galt: Selbstverständlich war fast alles selbst gemacht. Das Filderkraut wurde beispielsweise in Eigenregie verarbeitet, und zudem hatten verschiedene SV-Gruppen im Backhaus Brot sowie salzige und süße Kuchen gebacken. Dort gab’s auch an zwei Tagen einen Verkauf. Die Festivitäten in der Kirbe-Hauptstadt Würtingen sind noch längst nicht vorbei: Im Sportheim wird am Montag, 21. Oktober, nochmals Schlachtplatte serviert, die gibt es auch ab 10 Uhr bei den Schützen im Schützenhaus. Um 8 Uhr startet der Kirbe-Krämermarkt, der um 13 Uhr endet. (GEA)




