TROCHTELFINGEN. Es könnte eine Win-win-Situation sein: Auf einem Acker werden Lebens- oder Futtermittel angebaut und gleichzeitig Sonnenstrom erzeugt. Diese Chance bieten sich durch Agri-Photovoltaikanlagen. Die Module sind in einer solchen Höhe angebracht, dass sogar Traktoren darunter durchfahren können, während bei Freiflächen-Photovoltaikanlagen höchstens Schafe darunter grasen oder Hühner scharren können. Bei Agri-PV-Anlagen aber können viele Feldfrüchte kultiviert werden, für manche bieten sich durch den Wetterschutz sogar Ertragssteigerungen, eine Konkurrenz zwischen Lebensmittelerzeugung und Energieproduktion besteht also nicht mehr. Andere Modelle haben senkrecht stehende Module, die mit dem Sonnenstand mitwandern. So können die Flächen zwischen den Reihen beackert werden.
Dass mit einer Freiflächen-Photovoltaikanlage nur noch Grünlandbewirtschaftung beim Solarpark auf der Haid und keine Lebensmittelproduktion mehr möglich wäre, ist unter anderem ein Grund dafür, dass das Bebauungsplanverfahren ins Stocken geraten ist. Bereits seit vier Jahren wird es betrieben, im Oktober 2020 hatte der Gemeinderat dem Baugesuch zugestimmt und das Verfahren gestartet. Die Pläne für den Solarpark sind allerdings schon viel älter, etwa 13 Jahre, konnten aber nicht umgesetzt werden und lagen lange Jahre auf Eis. Bis der Grundstücksbesitzer schließlich 2020 den neuen Anlauf nahm. Das betreffende Areal grenzt an einen Bauernhof an und liegt in 200 Metern Entfernung zur Bundesstraße 313.
Die frühzeitige Beteiligung im Bebauungsplanverfahren hat einige Stellungnahmen gebracht, die Eingaben vom Regierungspräsidium Tübingen und vom Regionalverband Neckar-Alb haben zu einem Stopp des Verfahrens geführt. Der Investor hat daraufhin seine Pläne geändert, »um den Belangen der Landwirtschaft ausreichend Rechnung zu tragen«. Bei der nun geplanten Agri-PV-Anlage wird der Reihenabstand zwischen den Modulständern nun sechs Meter betragen, bei 90-Grad-Stellung sind die Ständer mit Modulen vier Meter hoch.
Gebaut wird die Anlage von der Vesofast GmbH aus Zwiefalten-Sonderbuch. Wolfgang Vetter stellte sein Unternehmen und die Pläne auf der Haid dem Gemeinderat vor. Die Anlage wird kleiner als die ursprünglich geplante Freiflächen-PV-Anlage, sie wird 8,5 MWp Leistung bringen. Vetter machte auch darauf aufmerksam, dass die Stadt von der Gewerbesteuer profitiere und 0,2 Cent pro KwH in die Stadtkasse fließen werden, das seien 200.000 Euro pro Jahr. Die Module hätten eine Haltbarkeit von 30 Jahren. Breite, lange Grabungswege werde es nicht geben, weil der Solarpark in der Nähe des Umspannwerks liege.
Kriterienkatalog regelt, was wo erlaubt ist
Der Solarpark sei passend für den Standort auf der Haid, sagt Stadtrat Martin Tschöpe, und »wir stehen zum Beschluss von damals«. Die Anlage könnte schon drei Jahre am Netz sein, kritisierte Walter Rist die »nicht nachvollziehbaren Verzögerungen«. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema und dass der Landwirtschaft Vorzug gegeben wurde, lobte Achim Zeiler. Der Gemeinderat sei euphorisch ins Verfahren reingesprungen.
Außerdem hatte das Gremium, nachdem ein zweiter Investor einen Solarpark in Steinhilben bauen will, sich intensiv mit dem Thema Freiflächen-Photovoltaikanlagen auf Gemeindegebiet beschäftigt, einen Kriterienkatalog erarbeitet und im Dezember 2022 verabschiedet, der klar regelt, was wo unter welchen Bedingungen erlaubt und was ausgeschlossen ist. »Wir werden zwar unseren Beitrag leisten« zu den Klimazielen und zur Energiewende, sagt Bernd Hummel, »aber der muss auch Grenzen haben.«
Der Gemeinderat hat den Entwurf mit den eingearbeiteten Stellungnahmen aus der öffentlichen Beteiligung zum Vorentwurf mehrheitlich gebilligt und ebenso die Veröffentlichung des Entwurfs gebilligt. Es gab eine Gegenstimme und eine Enthaltung. (GEA)