MÜNSINGEN. Immer wieder rieselten Schneeflöckchen vom Himmel überm Albgut: »Wer hier dabei ist, muss nicht nur gut in Form sein, sondern auch der Witterung trotzen können«, kommentierte Freddy Eberle, der die baden-württembergische Straßenmeisterschaft moderierte. Über 400 Sportler aus dem ganzen Land gingen beim ersten großen Rennrad-Event nach jahrzehntelanger Pause im Mountainbike-Mekka Münsingen auf die Strecke. Dreh- und Angelpunkt der Wettkämpfe aller Altersklassen war das Albgut im Alten Lager, wo zum dritten Radtag so viele Manufakturen geöffnet hatten wie noch nie.
Moderator Eberle schwärmte vom »wunderbaren Ambiente mit viel Flair«, das auch die Radsport-Amateure und ihre Begleiter nach ihrem kräftezehrenden Einsatz genießen konnten. »Anspruchsvoll« fand Eberle den Kurs, der zwar keine extreme, wohl aber eine sich elend in die Länge ziehende Steigung hatte. Die sechs Kilometer lange und je nach Klasse zwei (Schüler U 13) bis 18 Mal (Elite) zu absolvierende Schleife führte auf asphaltierten Flurwegen vom Auinger Vorlager aus hoch zu den Windrädern im Maientäle in Richtung Hopfenburg und zurück entlang der L 230 zum Ziel im Albgut. »Da muss man schon bergfest sein«, so Eberle (Bericht und Ergebnisse zum gesamten Rennen gibt’s im Sportteil in der GEA-Dienstagsausgabe).
Was das Rad mit Wolle zu tun hat
Im Ziel jubelten angesichts der frostigen Temperaturen – als die Ersten um neun Uhr an den Start gingen, lagen sie bei null Grad – zwar nicht so viele Zuschauer wie erhofft. Mit einem breiten Grinsen vom Rad stiegen diese beiden Herren trotzdem: Uwe Hardter, Lokalmatador und einziger Starter für die TSG Münsingen, und sein schärfster Konkurrent Markus Steinhäuser aus Heidenheim machten den Titel in der Seniorenklasse 2 der 40- bis 50-Jährigen unter sich aus: Hardter hatte letztlich die Nase vorn, der sechsfache und amtierende deutsche Marathon-Meister Westhäuser schob’s augenzwinkernd darauf, dass ihm ein Mountainbike-Rennen vom Vortag noch in den Knochen stecke.
Überhaupt stehen die beiden eher auf breitere Reifen: »Normalerweise batteln wir uns im Dreck«, so MTB-Spezialist Hardter, der es sich nicht nehmen lassen wollte, beim Heimspiel auf dem Rennrad dabei zu sein. »Eine tolle Idee«, die nach Wiederholung schreit, sei die Einbettung des Rennens in den Radtag mit buntem Programm. Und auch Westhäuser fühlte sich im Alten Lager irgendwie zuhause: »Ich war hier 1992 bei der Bundeswehr.«
Wem nach dem Rennen im dünnen Trikot nach einem wärmenden Woll-Pulli zumute war, fand in den Manufakturen charmante Lösungen. Veronika und Volkert Kraiser hatten sich mit ihren Söhnen Flo und Max – nach ihnen ist das Label Flomax benannt – witzige Radmotive für ihre Oberteile aus Merino-Wolle ausgedacht. Beim Familienbetrieb Hoeschele, der ebenfalls auf natürliche Mode setzt, führte Model Jeff Radhose und Nierengurt aus gewalktem Wollstoff vor.
Als wahre Daniela Düsentrieb verblüffte Christine Bischoff: Aus Uralt-Heimtrainer, Spinnrad und Handstrickmaschine hat sie ein Strickrad konstruiert. Wie der Schal mit jedem Pedalschlag anwächst, konnten Besucher im Wollwerk ausprobieren. Bischoff und ihre Mitstreiter wollen Interessierten Themen rund um Schafe, Wolle und deren Verarbeitung näher bringen, die neue Ausstellung in einer der ehemaligen Truppen-Unterkünfte ist fortan immer sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Am Muttertag, 12. Mai, dürfen Besucher – wie schon am Radtag – ihre eigene Sockenwolle färben.
Weder Sportgerät noch Mode-Motiv, sondern ein Stück Freiheit und Fortbewegungsmittel ist das Rad für Bruno Klimkait, der zwei Mal in der Woche Bikes repariert – mit Flüchtlingen, für Flüchtlinge und Kunden des Tafelladens. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern Hussein Amadi und Mahmad Soltani aus Afghanistan sowie Sarr Babou aus Gambia gab er Interessierten Einblick in die Fahrradwerkstatt, die im Keller des Integrationszentrums eine Bleibe im Albgut hat. (GEA)