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Gewitter richtet im Kreis Reutlingen großen Schaden an

Ein Schwerverletzter, abgedeckte Dächer, umgestürzte Bäume: Eine Gewitterfront sorgt im Kreis Reutlingen für erheblichen Schaden.

An der Nebelhöhle ist beim Unwetter am Mittwoch ein Baum auf einen Wohnwagen gestürzt.
An der Nebelhöhle ist beim Unwetter am Mittwoch ein Baum auf einen Wohnwagen gestürzt. Foto: Morgenstern
An der Nebelhöhle ist beim Unwetter am Mittwoch ein Baum auf einen Wohnwagen gestürzt.
Foto: Morgenstern

KREIS REUTLINGEN. Mindestens ein Mensch ist beim Durchzug des Sturms am Mittwochvormittag sehr schwer verletzt worden, wie die Polizei meldet: Ein Arbeiter wurde in Holzelfingen vom Dach geweht. Darüberhinaus gab es entlang des Albtraufs von Pfullingen über Sonnenbühl bis nach Mössingen vielerorts Schäden, vor allem entwurzelte Bäume. Plötzlich war es dunkel. Gegen 11 Uhr verdichteten sich am Albrand die Wolken, ließen einen kurzen Schauer niederprasseln, entfesselten aber einen Sturm, der erheblich Schäden verursachte.

Sinnigerweise am Mössinger Bergrutsch, dem Inbegriff von Naturkatastrophen hierzulande, nahmen die Folgen der orkanartigen Böen ihren Anfang. In einer wie mit einem Lineal gezogenen West-Ost-Linie, unterhalb und zunächst parallel zum Albtrauf, wurden Bäume geknickt wie Streichhölzer. Der Sturm entwurzelte Obstbäume, ließ Tannen brechen und brachte selbst kapitale Laubgewächse zu Fall. Kronen und Äste wurden abgerissen und in der Landschaft und auf Wegen verteilt. Die Talheimer hatten Glück, die Windhose oder was auch immer diese Kraft entladen hat, ließ die Häuser am südlichen Ortsrand unbeschadet.

Waldarbeiter bekommen Angst

Allerdings wurde die stabile Umzäunung einer Brunnenstube an der alten Steige hinaus nach Salmendingen schwer beschädigt. Auf der Landesstraße 385, dem Albaufstieg, war die Fahrbahn teilweise nicht mehr zu erkennen, bedeckt mit Ästen, Laub, herausgerissen aus den Bäumen am Hang. Verkehrsteilnehmer wurden im Radio gewarnt, die Mitarbeiter des Straßenbauamts waren schnell zur Stelle.

Foto: Meyer
Foto: Meyer

Besonders heftig traf es dann zunächst Sonnenbühl-Willmandingen. In dem dem Westwind zugewandten Teil des Dorfes fand die wirbelnde Luft Schwachstellen in den Dächern und riss hier und da ein, zwei Quadratmeter Ziegel heraus. Löcher klafften in Dächern. In Gärten wurden Bäume gefällt. Leichtere Gegenstände vom Wind weggetragen. Die Verbindungsstraße nach Sonnenbühl-Erpfingen war durch quer liegende Bäume unpassierbar. Kein Auto war zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Glück im Unglück. Auch für ein Forstteam, dass sich in Salmendingen in das Arbeitsbussle geflüchtet hatte. »Der Wagen wurde vom Wind durchgeschüttelt. Wir hatten mitten im Wald richtig Angst bekommen«, erzählt ein Waldarbeiter. Auch den Bauhofarbeitern war es nicht geheuer, als die schwarze Wand auf Undingen zuzog und auf dem Friedhof einen kapitalen Baum zu Fall brachte. Der Ort wurde kräftig durchgewirbelt.

Immerhin 148 Kilometer pro Stunde hatte die Wetterstation von Kachelmannwetter im Großen Rinnental in Sonnenbühl um 11 Uhr gemessen. Im sozialen Netzwerk Facebook meldete ein User, dass die Gönninger Steige voll gesperrt worden sei, ein anderer, dass die Feuerwehr »am Ortsschild Genkingen am Brunnen einen gebrochenen Baum sichern oder fällen« musste. Das bestätigt Bürgermeister Uwe Morgenstern am Nachmittag um circa 16 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt war die Steige immer noch gesperrt, der am Ortsausgang von Genkingen umgestürzte und quer auf der Fahrbahn liegende Baum sei schwer zu beseitigen. Genkingen sei von dem Unwetter am stärksten betroffen gewesen, sagt Morgenstern, der sich einen Überblick über das Ausmaß der Schäden verschaffte. Dächer wurden abgedeckt, Bäume umgeknickt, Regen drang durch den heftigen Wind bei einigen Häusern durch geschlossene Fenster.

Waldwege gesperrt

Eine Genkingerin bekümmerte via Facebook, dass ihr Gewächshaus »komplett zerlegt« worden sei, einem anderen Sonnenbühler war seins wohl komplett abhanden gekommen. Manche berichteten von umherfliegenden Mülltonnen und Gartenstühlen, posteten Fotos von umgestürzten Bäumen. In Genkingen sei es außerdem zu einem Stromausfall gekommen. Auf der Störungskarte von Netze BW wurde er um circa 10.30 Uhr als »Kurzschluss durch Witterungseinflüsse« vermerkt, die Störung war nach gut einer Stunde behoben. Auch Teile von Undingen und Erpfingen seien vom Stromausfall betroffen gewesen, so Morgenstern.

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Währenddessen meldete die Gemeinde Sonnenbühl nach dem ersten Überblick und Beginn der Aufräumarbeiten am Mittwochnachmittag: »Das heftige Unwetter hat leider unseren Wald sehr mitgenommen. Es besteht daher teilweise Lebensgefahr durch umgestürzte Bäume und lose Äste. Unsere Forstarbeiter und Behörden arbeiten mit Hochdruck daran, alle Gefahrenstellen abzusichern und zu beseitigen.« Bis mindestens Donnerstag seien deshalb der Wald und die Waldwege im Bereich rund um die Nebelhöhle in Genkingen komplett gesperrt. Uwe Morgenstern bittet eindringlich, die Sperrung zu beachten.

Schaustellerwagen zerstört

In den Wipfeln der Bäume hängen zum Teil abgebrochene Äste und Kronen, die herunterkrachen können. Das sei gerade erst genau neben ihm geschehen, wie er während des Telefonats mit dem GEA erklärte. Auch die Höhle selbst bleibe noch am Donnerstag geschlossen, da für diesen Tag wieder Unwetter vorhergsagt sind. Auf dem Festplatz an der Nebelhöhle stand seit dem Nebelhöhlenfest noch ein Schaustellerwohnwagen, er sei durch einen umstürzenden Baum zerstört worden. Deshalb werde auch der erste Sonnenbühler Familientag, der am Sonntag an der Nebelhöhle stattfinden sollte, verlegt. Man bemühe sich um einen alternativen Veranstaltungsort, so der Bürgermeister. Anders als rund um die Nebelhöhle bestehe beim Freizeitpark Traumland und der Bärenhöhle in Erpfingen derzeit keine akute Gefahr.

Foto: Meyer
Foto: Meyer

In Sonnenbühl habe die Zusammenarbeit zwischen allen vier freiwilligen Feuerwehren mit rund 100 Einsatzkräften, Forst- und Bauhofmitarbeitern, Polizei und Kreisstraßenmeisterei gut funktioniert. In Erpfingen, Willmandingen und Undingen waren sie zu 20, allein in Genkingen zu 40 Einsatzstellen ausgerückt. Auch die Sonnenbühler selbst packten beim Nach-Unwetter-Aufräumen mit an. Verletzt wurde laut Morgensterns Kenntnisstand in der Gemeinde niemand. Trotz des heftigen Unwetters und der Schäden sei das Ausmaß zum Glück nicht so groß wie seinerzeit beim Rekordhagelunwetter 2013.

Foto: Meyer
Foto: Meyer

Lebensgefährlich verletzt wurde ein 19-jähriger Arbeiter bei einem Arbeitsunfall am Mittwochvormittag auf einer Baustelle in der Burgstraße in Holzelfingen. Der Mann befand sich nach Angaben der Polizei gegen 10.30 Uhr zusammen mit einem weiteren Arbeiter bei Dämmarbeiten auf der Dachfläche. Von einer Windböe erfasst, wurde die Dämmung mitsamt dem 19-Jährigen vom Dach geweht. Der Mann stürzte mehrere Meter in die Tiefe. Er wurde nach notärztlicher Versorgung an der Unglücksstelle in eine Klinik gebracht. Spezialisten des Arbeitsbereichs Gewerbe und Umwelt des Polizeipräsidiums Reutlingen haben mit Unterstützung eines Sachverständigen des Landratsamts Reutlingen die Ermittlungen aufgenommen. Die Lichtensteiner Wehr war vor Ort. Der zweite Arbeiter konnte sich wohl am Gerüst festhalten und landete letztlich unverletzt auf den Boden.

Foto: Meyer
Foto: Meyer

Die Lichtensteiner Wehr musste bis gestern Nachmittag rund 13 Mal ausrücken und vor allem Bäume beiseite räumen, die umgestürzt waren. Große Schäden blieben dabei laut Feuerwehrkommandant Andreas Daum aus. Das Kranfahrzeug der Wehr habe gute Dienste geleistet. Gesperrt ist momentan die Kalkofensteige, dort blockieren Bäume die Fahrbahn.

120 Schüler sitzen fest

Zu rund zehn Einsätzen musste die Pfullinger Feuerwehr ausrücken und dabei unter anderem 120 Schulkinder in Sicherheit bringen. Vier Klassen saßen auf der Wanne fest, nachdem die Zufahrten durch umgestürzte Bäume blockiert waren. Rund zwei Stunden war das Team von Feuerwehrkommandant Dietmar Rall damit beschäftigt, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen und die »leicht durchnässten Kinder« mit den Feuerwehrfahrzeugen auf den Wanne-Parkplatz zu transportieren, wo sie von ihren Eltern abgeholt werden konnten. Gestern Nachmittag leistete die Feuerwehr mit ihrer Drehleiter noch Überlandhilfe in Sonnenbühl. Außerdem beseitigte die Wehr am Ahlsberg und Richtung Reithalle weitere umgestürzte Bäume. In den vergangenen 14 Tagen musste die Wehr rund 25 Mal ausrücken, wies Rall auf die Belastung der Einsatzkräfte hin. (GEA)