TROCHTELFINGEN. Ein Langzeitprojekt in mehreren Etappen: Der Geschichts- und Heimatverein Trochtelfingen ist bei seinem Spaziergang, den er als Ausstellung konzipiert hat, in der oberen Marktstraße, am Rathaus- und Schlossplatz angelangt. Wieder haben die Mitglieder Informationen zu den einzelnen Häusern zu den Besitzern, Geschäften und Handwerksbetrieben zusammengetragen, garniert mit historischen und aktuellen Fotos.
Es sind Familiengeschichten, die hinter den Häuserwänden schlummern. Der Geschichts- und Heimatverein hat recherchiert und bei vielen Häusern in der oberen Marktstraße auch zurückverfolgt, wem sie zu ihrer Erbauungszeit gehört haben. Noch bis weit ins vergangene Jahrhundert war das Aussehen der Häuser in der oberen Marktstraße noch ein ganz anderes, denn nach dem Stadtbrand von 1726 wurde Wert auf den vorbeugenden Brandschutz gelegt.
Viele der Gebäude auch in der Marktstraße wurden nach dem verheerenden Brand neu erbaut, darunter auch Rathaus und Fruchtkasten. Insgesamt 52 Häuser wurden zerstört. Zum Schutz galt die Fürstenbergische Feuerordnung. Sie stammt vom 20. November 1755, erlassen vom Fürsten Joseph Wilhelm von Fürstenberg.
Putz liegt über dem Fachwerk
Vorschrift war zum Beispiel, dass Neubauten nicht mehr mit Stroh oder Schindeln eingedeckt werden, bei Dachreparaturen wurden ebenfalls Ziegel vorgeschrieben. Und die Häuserfassaden waren verputzt, im Lauf der Zeit wurden sie schließlich freigelegt, in den späten 1970er-Jahren wurde die Altstadt unter Denkmalschutz gestellt, und es wurde mit der Stadtsanierung begonnen, sodass die Innenstadt nun mit den malerischen Fachwerkgebäuden besticht.
Der Fruchtkasten war 22 Meter hoch. 1920 wurde er angezündet – während die Leute im Rössle beim Theaterabend weilten, weiß der Vorsitzende des Geschichts- und Heimatvereins, Bernhard Klingenstein. An dem Standort entstand ein Neubau Mitte der 1930er-Jahre, der fortan das Rathaus mit dem Staffelgiebel ist.
Besonders reizvoll: Ein Foto von 1964 erinnert an den Ausflug der Stadtangestellten mit Kinderschwester Chrysostoma, ein anderes an Amtsschreiber und »Bolizei« Eugen Marmor, ein drittes an Klaus-Peter Kleiner an seinem Schreibtisch im Trochtelfinger Rathaus Anfang der 1980er-Jahre noch vor seiner Wahl zum Engstinger Bürgermeister. Nachfolger und Amtsinhaber ist dort Mario Storz.
Warum wird der aktuelle Schultes an dieser Stelle genannt? Das fürstliche Rentamt in Trochtelfingen hat mit ihm zu tun. 1889 kaufte Karl Schmid das frühere Rentamtsgebäude mit östlichem Teil der Zehntscheuer von der fürstlich fürstenbergischen Standesherrschaft. Er baute eine Metzgerei. Und in dieser Metzgerei, die 1957 Karl Storz übernahm, trat Karola Storz eine Lehre an, 1947 legte sie ihre Gesellenprüfung ab, als einzige Frau im Metzgerhandwerk im gesamten Bereich des späteren Bundeslands Baden-Württemberg.
Marktstraße 17 – wer erinnert sich noch an die »Putz-Tante«? Keine Frau im Reinigungsgewerbe, sondern Modistin Theresia Vogel, die dort in den 1930er-Jahren ein Hutgeschäft mit eigenem Schaufenster unterhielt. Zuvor war es das Haus der Bäckerei Karl Klingenstein, die bis um die Jahrhundertwende um 1900 bestand. Bäckerhandwerk bis heute: In der Marktstraße 13 steht ein repräsentativer Bau, Spezereien und Ellenwaren waren dort zu finden, ebenso später mit Adolf Scherer Damenkonfektion, »diverse Waren aller Art«, wie auf alten Werbeanzeigen zu lesen steht.
Hermann Locher (1895–1967) war dann Pächter und betrieb Manufaktur mit Kolonialwarenhandel, es gab im Kaufhaus auch Anzüge für Kommunikanten, Konfirmanden, Burschen und Herren. Wo’s einst ums äußerliche Erscheinungsbild der Trochtelfinger ging, wurde sich ab 1959 bis heute ums leibliche Wohl der Städtlemer gekümmert. Bäcker Johannes Bart und Thomas Hanner senior erwarben das Haus und zogen mit der Bäckerei von der gegenüberliegenden Seite der Straße aus dem Haus Nummer 8 um. Seit 1986 ist Thomas Hanner junior Inhaber des Café Hanner, das er mit Frau Birgit betreibt.
Schon neun Jahre geschlossen
Interessant beim Haus Marktstraße 19, dem »Haus Schiefer«: Es war zweigeteilt, davon zeugen auf alten Fotos die Haustüren. Es war geteilt in einen linken und einen rechten Teil. Außerdem wurde 1956 das Fachwerk freigelegt. Aber: Nur die Fassade blieb stehen, dahinter wurde ein neues Haus gebaut. Auch die Gaststätte Silberburg wird so mancher Trochtelfinger nicht nur von außen kennen. 1715 wurde das Haus gebaut. Seit 2015 ruht die Wirtschaft Silberburg. In den letzten Monaten wurde sie ab und an an ein paar Wochenenden wieder geöffnet – ohne Pächter, ohne Dauerbetrieb, nur, um ein wenig Leben in die Innenstadt zu bringen. Es versteht sich von selbst, dass die meisten anderen Häuser in der oberen Marktstraße Teil des Ausstellungsspaziergangs sind. Natürlich auch das Schloss Werdenberg. Und der Ochsen, das auffällige Eckhaus mit Gastwirtschaft. Dem Gebäude hatte der Verein schon einmal eine Sonderausstellung gewidmet.
ÖFFNUNGSZEITEN
Das Museum am Hohen Turm ist in diesem Jahr noch einmal an den Sonntagen, 8. Dezember – während des Christkindlesmarkts – und am 22. Dezember geöffnet. Im neuen Jahr ist die Ausstellung zu sehen am 12. und 26. Januar, 9. und 23. Februar, 9. und 23. März sowie 6. April, jeweils von 14 bis 17 Uhr. (cofi)
Bis zum Frühjahr bleibt die Ausstellung im Museum am Hohen Turm, bevor es dann weiter in die Seitengassen geht. Denn der Geschichts- und Heimatverein will einmal durch die gesamte Trochtelfinger Altstadt kommen. Auch darauf darf man gespannt sein, denn hinter den Häuserfassaden verbergen sich viele Geschichten. (GEA)