SONNENBÜHL. Skifahren - das war immer schon Erwin Herrmanns Leidenschaft. Selbst stand er schon als Kind auf den Brettern, als Jugendlicher verdiente er sich sein Taschengeld bei der Arbeit am Genkinger Skilift. Abläufe beim Betrieb eines Skilifts kannte er also aus dem Effeff. Jung und geschäftstüchtig: 1987 stieg er selbst ins Geschäft ein, kaufte den Skilift in Salmendingen und hat ihn - neben seinem Job - 17 Winter lang betrieben. 2004 verkaufte er. »Früher gab's auch schon schneearme Winter auf der Alb«, sagt er, aber die Situation hat sich verschärft, einen Skilift laufen zu lassen, ist heute kein erkleckliches Geschäft mehr.
Die Bretter hat er aber noch lang nicht an den Nagel gehängt. Regelmäßig fährt er in die Alpen, auch demnächst ist er mit zwei Männergruppen unterwegs und macht die Pisten in Ischgl und danach im Montafon unsicher. Ischgl - dort kennt er sich gut aus. Und nachdem er vor vier Jahren in den Vorruhestand gegangen ist, suchte er nach einer »Zusatz«-Beschäftigung im »Rentnerdasein«.Obwohl er nicht über Langeweile klagen kann. Da ist das Heumachen, da ist das Mountainbiking im Sommer. Da ist die Fasnet, und da sind noch so viele andere Aufgaben mehr.
Sein kommunalpolitisches Engagement allerdings hat er beendet. 15 Jahre war er im Sonnenbühler Gemeinderat, außerdem 20 Jahre Ortschaftsrat und sechs Jahre - bis 2019 - Ortsvorsteher von Genkingen. Als er nach der Kommunalwahl 2019 verabschiedet wurde, erklärte Bürgermeister Uwe Morgenstern, dass die Sicherung des Nebelhöhlenfestes zum großen Teil seinem Engagement zu verdanken sei. Also, Idee für den Zeitvertreib hätte sein können, in Ischgl beim Seilbahnbetrieb zu arbeiten - dort hätte er sich aber für den gesamten Winter von Ende November bis zum 1. Mai verpflichten müssen. Das wäre dann nun doch eine zu lange Zeitspanne gewesen.
Man kennt sich in Genkingen. Bei seinen Mountainbiketouren mit Willi Maier erzählte der Erwin Herrmann von seinen Einsätzen als Voluntari beim Damenweltcup in St. Moritz und wie man sich darum bewerben kann. Erwin Herrmann tat's ihm gleich und wurde zum ersten Mal engagiert, als die Top-Athletinnen dort ihre Rennen austrugen. Eine Woche blieb er im Skizirkus in der Schweiz. Zunächst war seine Aufgabe, am Getränkeausschank im VIP-Zelt zu arbeiten und Crêpes zu backen. Trotzdem eine tolle Erfahrung für ihn. Dann ging's für ihn aber doch noch auf beziehungsweise an die Piste: Zäune mussten aufgebaut werden, und während der Rennen musste er die Tore beaufsichtigen, sie wieder in Position bringen, wenn die Sportler sie »gerissen« haben. »Da muss man fix sein«, sagt er, die Intervalle zwischen den abfahrenden Athleten sind kurz.

Erwin Herrmann war begeistert zurückgekehrt, voller Eindrücke, voller Elan: Für 2024 bewarb er sich wieder, arbeitete beim Snowboard Cross + Ski Cross World Cup mit und wenige Monate später auch beim Ski-Weltcup-Finale in Saalbach-Hinterglemm (Österreich). Auch im Dezember 2024 und im Februar 2025 war Volunteer Herrmann mit von der Partie an den Abfahrtspisten der Weltelite. Nun steht sein mittlerweile bereits sechster Einsatz - zweimal war er in Österreich, mit dem bevorstehenden Aufenthalt vier Mal in der Schweiz - vor der Tür. Nach seinen privaten Skiausflügen feiert er noch am 21. März seinen 62. Geburtstag daheim, dann geht's ab nach St. Moritz zu neun Arbeitstagen bei den Freestyle-Weltmeisterschaften.
»Es ist fast wie eine kleine Familie«, sagt er. Denn immer wieder treffen sich Skibegeisterte wieder, die ihre Winter-Freizeit als Volunteer (»Freiwillige«) verbringen, ja sogar Urlaub dafür nehmen, wenn sie noch in Lohn und Brot stehen. Da treffen sich Menschen aus verschiedenen Ecken Deutschlands - Hamburg, Berlin, Baden-Württemberg -, aus verschiedenen Ländern wie Kanada oder Schweden, deren Herzen für den Skisport brennen. »Manche reisen dafür brutal weit an.« Für Erwin Herrmann ist's eher ein Katzensprung mit um die 300 oder 400 Kilometer.
Viel Zusatzverdienst allerdings gibt's nicht. Aber darum geht es auch nicht. Kost und Logis - klar, ist dabei. Natürlich nicht im Fünf-Sterne-Hotel, sondern in Jugendherberge oder anderer eher spartanischer Unterkunft im Mehrbettzimmer mit Stockbetten. Zumindest erhalten die Volunteer oder Voluntari entsprechende Kleidung, manchmal auch Helm und Brille wie in der Schweiz - dafür aber müsse man sich mindestens sieben Tage verpflichten. Ich habe mittlerweile schon drei Skianzüge - die kann ich in meinem Leben nicht abtragen", sagt Erwin Herrmann. Entspannungs- und Wellnessurlaub ist der Volunteer-Job auch nicht. Früh geht's morgens schon los. Aber wenn das Wetter passt, "ist es traumhaft bei Sonnenaufgang oben am Berg zu sein und als erster die Piste runterzufahren", schwärmt Erwin Herrmann über die immaterielle Entschädigung, die auch die Kälte vergessen macht, wenn man stundenlang an der Rennstrecke steht. Und auf die Piste zu gehen, ist nicht immer ganz ungefährlich, wenn sie eisig und hart ist. "Man muss hoch konzentriert sein."
So lang er fit ist, »fühle ich mich nicht zum Stillsitzen berufen«. »No rules just run« steht auf seinem T-Shirt. Scheint ein Lebensmotto zu sein. Und so plant er bereits seine Einsätze für die kommenden Jahre. Auch für Sommer-Sport-Veranstaltungen kann man sich als Volunteer bewerben. »Aber das kann ich mir nicht vorstellen.« Zu viel steht dann auf der To-do-Liste. Oder wie sollte er es sonst schaffen, wie vor zwei Jahren zum Beispiel, allein mit dem Rad an den Gardasee zu fahren, zigtausende Bike-Kilometer im Jahr zurückzulegen. Über mangelnde Fitness zumindest muss er sich da keine Gedanken machen.
Was ist seine Motivation? »Es ist einfach toll, so nah am Geschehen zu sein, es ist die Leidenschaft zum Schnee, zur Piste, zum Skifahren.« Er schwärmt von der Atmosphäre im Stadion, von dem Erlebnis, wenn »die Rennläufer nur zehn Meter von dir entfernt vorbeirauschen, wenn 20.000 Menschen unten jubeln«. Und vielleicht erhascht der eine oder andere skibegeisterte Älbler bei einer Fernsehübertragung sogar einen Blick den Genkinger im großen Skizirkus. Für Erwin Herrmann wird's in diesem März auf jeden Fall wieder ein Einsatz, von dem er schwärmen wird. Als einer von denen, die im Hintergrund dafür sorgen, dass solche Sportveranstaltungen reibungslos ablaufen. (GEA)