GAMMERTINGEN/SIGMARINGEN. Hat das Feuerwerk den verheerenden Brand bei der Hochzeit von Corinna und Bruno Göggel ausgelöst? Die Verteidigerin des Pyrotechnikers ist von den vorgelegten Beweisen nicht überzeugt. Brandspuren an Reifenballen, Reste der abgefeuerten Raketen und Kugelbomben – ob sie sicher seien, dass die Teile nicht einfach wie an Silvester harmlos vom Himmel fielen oder tatsächlich die Folien und Reifen entzündeten? Könnten die Brandspuren Folge, nicht Ursache des Brandes sein?
Am ersten Verhandlungstag, mehr als zwei Jahre nach der in Feuer und Rauch endenden rauschenden Hochzeitsfeier des Ehepaars Göggel in Gammertingen, werden eine ganze Reihe wichtiger Zeugen gehört. Den Reigen beginnen der Angeklagte, ein Security-Mitarbeiter, Gammertingens Feuerwehrkommandant Daniel Zeiler und sein Gruppenführer vor Ort sowie ermittelnde Polizisten.
Zwischen Reifenstapeln sollte man kein Feuerwerk entzünden
Gegen den Pyrotechniker wurde im Januar ein Strafbefehl wegen fahrlässiger Brandstiftung erlassen, mit 120 Tagessätzen à 70 Euro wäre er vorbestraft. So wichtig wie der Fleck auf der weißen Weste dürften für den Mann die zivilrechtlichen Folgen sein. Er selbst bezifferte den Schaden mit 15 Millionen Euro für verbranntes Gummi plus acht Millionen Euro für die dem Erdboden gleichgemachte Lagerhalle. Viel mehr als seine Versicherung abdecken würde, ihm drohe die Privatinsolvenz.
Der 48-Jährige beschäftigt sich seit 2013 mit der Feuerwerkerei, im Nebenberuf, »ein bezahltes Hobby«, sagt er. Sechs bis acht feurige Werke brennt er jedes Jahr ab, Erfahrung ist also vorhanden, passiert sei bisher nie etwas.
Auf Göggels Reifenstapel hatte er durchaus ein Auge, von der Folie, mit der das schwarze Gold vor der Witterung geschützt wird, hat er sogar eine Probe mitgenommen und damit experimentiert. Ergebnis: Der Kunststoff habe sich so verhalten, wie Planen, mit denen er laufend arbeitet. Wenn was Heißes drauffällt, gibt’s ein Loch, brennen tut nichts. Er hatte nicht versucht, Reifen anzuzünden, aber er war der Meinung, dass es gar nicht soweit kommen könnte, wenn sogar die dünne Folie standhält. Ein folgenschwerer Irrtum.
So ganz traute er dem Hochzeitsbraten nicht, wie es mit der Brennbarkeit von Reifen aussieht, wollte er von Bruno Göggel über dessen rechte Hand wissen. Der Reifengroßhändler hatte keine Bedenken, der Feuerwerker war beruhigt. Er bestand aber auf eine Brandwache, die – mit sechs Feuerwehrleuten und einem Löschfahrzeug für das Inferno zu schwach – mit beherztem Eingreifen und vor allem schneller Alarmierung Schlimmeres verhütete.
Anwältin Regina Rick hakt bei den Fachleuten immer wieder nach, wie es denn mit der Feuergefährlichkeit von Reifen aussehe. Viel dazu sagen kann niemand. »Zwischen Reifenstapeln sollte man kein Feuerwerk anzünden«, meint lapidar Kommandant Zeiler. Verbieten konnte er das Spektakel aber nicht. Es war angemeldet, genehmigt, die Brandwache sollte ausreichend sein. Eine Platzbegehung war geplant, kam aber nicht zustande, die Verantwortung trug letztlich der Staffelführer vor Ort, erklärt Zeiler am Prozesstag.
Eine gründliche Begehung wäre vielleicht kein Fehler gewesen. Ein Security-Mann war einer der ersten, dem auffiel, dass glühende Teile vom Himmel regneten. Er sah schnell zwei nahe beieinanderliegende Brandherde beziehungsweise Qualmentwicklung, meldete sie an seinen Chef und dann an die Feuerwehr vor Ort.
Nach einem Großbrand bleibt für die Kriminaltechnik wenig übrig
Der Trupp griff das erste Feuer mit einer tragbaren Spritze an, das reichte nicht, das LF 20 musste näher ran. Allerdings blockierten zwei Lkw den Weg, der Löschzug musste das Werksgelände umfahren, wertvolle Zeit ging verloren. Auch die 1.600 Liter Wasser plus 500 Liter Schaumzusatz reichten jetzt nicht mehr, »das Wasser verdampfte in der Luft«, schildert der verantwortliche Gruppenführer. Und das bereits – die Zeitangaben variieren – eine viertel bis ein halbe Stunde nachdem das Feuerwerk erlosch. Verstärkung war schnell da, aber auf dem Göggel-Areal herrschte mittlerweile das schiere Chaos, wie ein Polizist beschreibt. Vierhundert Gäste wollten vom Gelände, Göggel-Mitarbeiter und Freiwillige retteten Fahrzeuge. Mit Staplern wurde versucht, brennende Paletten auseinanderzuziehen. Auch Bruno Göggel selbst saß auf einem Hubgerät.
Polizei, Security und Zeilers Führungsteam gelang es, nach und nach die Ordnung wieder herzustellen. Die brennende Halle war nicht mehr zu retten, aber das Feuer griff nicht mehr über. Nicht nur Zeiler hatte bei seinem Eintreffen Schlimmeres befürchtet.
Die Polizei machte sich praktisch in derselben Nacht noch an die Spurensicherung. Nach so einem Brand bleibt für die Kriminaltechnik aber nicht mehr viel übrig. Das sei normal, sagt die Kommissarin, die die Ermittlungen übernommen hatte. Auch sie wird bei der Verhandlung von Anwältin Rick angesprochen, ob auch in Richtung Brandstiftung ermittel worden sei. Dafür habe es keinerlei Hinweise gegeben, sagen die drei aussagenden Polizisten übereinstimmend. Alles habe auf das Feuerwerk hingedeutet, die Örtlichkeiten, der Zeitablauf. Dazu kommt die Aussage des Security-Mannes, der mit Blick auf einen der Brandherde während dem Feuerwerk und im Anschluss niemand beobachtet hatte.
Wie ein handelsübliches Feuerwerk in kürzester Zeit solch einen Brand entfachen konnte, werden die Sachverständigen in den kommenden Vehandlungstagen beleuchten. (GEA)