GOMADINGEN-GRAFENECK. Die Atlaszedern oberhalb von Grafeneck sind noch recht zierlich. Sie wurden vor drei Jahren gepflanzt, viel größer sind sie seither nicht geworden - die gleichzeitig gesetzten Douglasien nebenan sind gut doppelt so hoch. Die Zedern sind ein Experiment, im Grafenecker Wald umgesetzt von Forst BW, und stehen sinnbildlich für die Aufgaben, mit denen sich die Landesförster auseinandersetzen müssen.
Zedern und Eichen als Hoffnungsträger
Der Klimawandel ist bereits in vollem Gange, da sind sich die Fachleute sicher, darüber können auch die vergangenen recht feuchten Monate nicht hinwegtäuschen. Im Grafenecker Revier von Uwe Schaudt und auch sonst auf der Alb sieht es in diesem Jahr wieder satt grün aus, aber das kann sich schnell ändern. Die Förster arbeiten deswegen auch mit exotischen Baumarten, aus Gegenden, in denen heute schon das Klima herrscht, das bei uns in hoffentlich noch ferner Zukunft zu erwarten ist, wie Axel Winking, Leiter des Forstbezirks Mittlere Alb, bei einem Presseumgang erklärt. Wie sich die Zeder schlagen wird, kann noch niemand sagen, der Forst denkt in Jahrzehnten. Die Bäumchen profitieren selbst von einem fehlgeschlagenen Versuch. Hier wurden vor einem halben Jahrhundert Küsten-Tannen gepflanzt, die kamen aber mit dem kalkhaltigen Albboden nicht zurecht. Von der durch den Tannenschwund entstandenen Lichtung profitieren jetzt lichtliebende Bäume - die Zeder aber auch Douglasien oder Eichen. Von allein siedeln sich hier Kirschen oder Ahorn an, auch viele Eschen. Die werden wegen des Eschentriebsterbens aber nicht alt, die Förster halten die gepflanzten Bäume frei: Förderung von Minderheiten, nennt das Forsteinrichter Michel Rönz.
Michel Rönz hat die Forsteinrichtung, die Zehn-Jahres-Planung der Forstreviere im Forstbezirk Mittlere Alb, über die vergangenen drei Jahre begleitet. Jetzt geht es an den Vollzug, die Aufgabe von Uwe Schaudt, Förster in Grafeneck, und Axel Winking. Nutzen, Schützen, Erholung - das sind die drei Funktionen, die die Wälder in öffentlichem Besitz, ob der Gemeinden oder des Landes, erfüllen müssen. Forst BW ist für die Ländereien Baden-Württembergs verantwortlich, der Forstbezirk Mittler Alb erstreckt sich über 14.300 Hektar Staatswaldflächen in zehn Revieren. Die Walddistrikte liegen ungefähr im Dreieck Rottenburg, Riedlingen und Wiesensteig.
Das lichte Waldstück, in dem die Zedern wachsen, ist Versuchsfläche, dient aber auch dem Naturschutz. Nicht nur viele Falter brauchen Licht, ausgerechnet der Umbau hin zu mehr Klimaresilienz raubt ihnen aber Lebensräume. Der Lichtwald ist ein Exot, gepflanzt wird in Schaudts Revier auf gerade einmal einem Prozent der Fläche. Das Ziel des Forsts sind Wälder, die sich behutsam, möglichst aus sich heraus verjüngt hin zu gesunden Mischwäldern entwickeln. Wie das aussieht, zeigt Schaudt an einem Waldstück, das von alten, oft schon erntereifen Fichten geprägt ist. Die Fichten werden nach und nach geerntet, unter ihren Kronen schieben sich Buchen nach oben. »Wenn wir fällen, steht die nächste Baumgeneration schon in den Startlöchern«, sagt Rönz. Am Rande des Fichtenwalds wuchert ein Buchen-Vorbau, den Schaudts Vorgänger bereits vor 20 Jahren angepflanzt hat. »Baden-Württemberg liegt beim Waldumbau vorn«, sagt Rönz. Dunkel sind auch die Dauerwälder, in denen Bäume aller Altersklassen stehen. Buchen mögen Schatten, Eichen und Zedern nicht - dass die Küsten-Tannen verschwunden sind, hat für manche Pflanzen und Falter also durchaus Vorteile.
Umbau vor 20 Jahren begonnen
Hauptbaumarten bleiben aber die Fichte mit 20 Prozent und etwa 50 Prozent Buche, »ein sehr laubholzgeprägter Wald«, meint Rönz. Die Fichte hat während der jetzt abgelaufenen Zehn-Jahres-Planung nur einen Prozentpunkt verloren, das ist auch ein Verdienst des konsequenten Kampfs gegen den Borkenkäfer. »Von einem Käferbaum aus werden 20 andere angegriffen, dann geht es exponentiell weiter«, rechnet Rönz. Je schneller die Käferherde aus dem Wald geschafft werden, desto besser, »saubere Waldwirtschaft«, meint Rönz. Die nasse und vergleichsweise kühle Witterung in diesem Jahr hat den Förstern etwas Luft verschafft, unter 15 Grad fliegt der Borkenkäfer nicht, und wenn's feucht wird, setzen ihm Pilze zu.
Künftig werden es aber weniger Fichten werden. Der Holzvorrat, die Summe der Festmeter, ist in der vergangenen Dekade stabil geblieben, hat die Waldinventur ergeben, die zur Forsteinrichtung gehört. Insgesamt sind es aber weniger Bäume, ein Zeichen, dass viele alt und erntereif sind. Wo alte Bäume weichen, stehen vor allem die jungen Buchen in den Startlöchern, Grafeneck wird also noch laubholzgeprägter werden. Wenn junge Fichten nachwachsen, dürfen sie bleiben, die Albgewächse bringen gute Voraussetzungen zum Überleben mit. Der Forst setzt auf Naturverjüngung, das klappt auf den guten Standorten auf der Alb auch. Sogar Tannen schieben nach, Schaudt schützt sie mit Holzhosen gegen hungrige Rehe.
Lichtwald und Totholz für den Artenschutz
Auch der Landesforst verkauft Holz, aber nicht in den Prozessschutzflächen, die schon 10,4 Prozent der Fläche auf der Mittleren Alb ausmachen. Auf so einem Waldrefugium stehen bei Grafeneck 190 Jahre alte Buchen, die sich selbst überlassen bleiben - »bis sie zerfallen sind«, erklärt Paul Mann. Totholz bietet ebenfalls wichtigen Lebensraum für Pilze und Insekten aber auch für größeres Getier. Fledermäuse und Spechte mögen die stehenden Säulen, eine Hohltaube tut Mann den Gefallen und gurrt aus einer okkupierten Spechthöhle. Die Waldrefugien sind Trittsteine im Biotopverbund und ein Netzwerk für wertvolle Arten, so Winking.
Die kühle Alb hat es noch gut, in anderen Gegenden Baden-Württembergs leidet der Wald viel stärker unter Hitze und Trockenheit. Wie es zum Ende der jetzigen Forsteinrichtung aussehen wird, hängt nur zum Teil von der Arbeit der Förster ab. Sie nehmen mittlerweile ihre Laptops mit ins Revier, es liefert Daten über den Bestand und Geologie. Es können auch Klimaprognosen eingespielt werden, mit Gefährdungspotenzial für einzelne Baumarten. Der Forst arbeitet mit angenommenen zwei Grad Erderwärmung, die Fichtenbestände leuchten tiefrot, sind gefährdet. »Hoffentlich reicht das. Wenn wir drei Grad einspielen, ist alles rot. Damit können wir nicht arbeiten«, sagt Rönz. (GEA)