ZWIEFALTEN. Vor der grandiosen Kulisse des Zwiefalter Münsters reisten 150 Laiendarsteller, zahlreiche Tiere und rund 500 begeisterte Besucher am Donnerstagabend in die Zeit des Benediktiner-Klosters und der Entstehung des Zwiefalter Bieres zurück. Die Premiere der Zwiefalter Festspiele wurde unterm Sternenhimmel zu einem fulminanten Spektakel. Eine spannende Handlung, schöne Bilder vor dem festlich beleuchteten Münster und 150 große und kleine Schauspieler in originalgetreuen Kostümen sorgen bei diesen vierten Zwiefalter Festspielen für eine vom Alltag losgelöste Stimmung.
Leben auf dem Münsterplatz
Auf dem Münsterplatz pulsiert das Leben: Bauersleute dreschen mit dem Flegel Getreide aus, Schweine grunzen im Gatter, Kälber muhen, Lämmer mähen. Mädchen spielen Seilhüpfen, an der Aach waschen Frauen mit dem Waschbrett die Wäsche, während andere geduldig Dolden von den Hopfenstauden pflücken.
Mittendrin die Benediktiner-Mönche, deren Kloster im 16. Jahrhundert in voller Blüte steht. Sie bewirtschaften eigene Ländereien, gehen einem Handwerk nach und unterrichten ausgewählte Schüler in der Klosterschule. Und sie nehmen den jungen Bauernjungen Benedikt als Knecht, später als Mönch auf. Er ist es dann, der die Zwiefalter Brautradition begründet und sich zeit seines Lebens dem »göttlichen Trank mit berauschender Wirkung« widmet. Als »Hüter der Zwiefalter Braukunst« stellt Benedikt zehn goldene Regeln für die Bierherstellung auf, wonach Wasser vom Klosterbrunnen, bestes Getreide von den Bauern der Umgebung und aromatischer Hopfen aus dem Klostergarten zu verwenden sind. Er verweist auf das Rösten des Getreides, das Rühren der Maische, will den Treber mit heißem Wasser ausgespült und das Gebräu kühl gelagert haben. Eine wichtige Zutat ist Zeit: »Gut Ding will Weile haben.« Wie berauschend das Gebräu des Mönchs ist, zeigen die Feiern zum 500-jährigen Bestehen des Klosters 1589. Den Zuschauern bietet sich ein Spektakel sondergleichen: Gaukler und Feuerspucker mischen sich unter das tanzende und ausgelassene Volk, Theaterleute und Musikanten beleben das muntere Treiben, das von einem Feuerwerk gekrönt wird.
Doch dann kommt die Wende: Der Dreißigjährige Krieg und die Pest bringen Tod und Elend. In Holzkarren werden die Opfer weggebracht, plötzlich ist der Münsterplatz wie leer gefegt. Innerhalb von fünf Monaten hat sich die Zahl der Ordensbrüder halbiert. Nach und nach kehrt jedoch wieder Leben ein, gegen Ende des 17. Jahrhunderts findet die Abtei zu ihrer alten Stärke zurück. Die Nachfrage nach Bier steigt, also erlässt Abt Beda Sommerberg, eine neue Brauerei zu bauen. Sie steht heute noch. 1803 wird das Schicksal des Klosters und der Benediktiner in Zwiefalten besiegelt: Württembergische Soldaten fallen ein, sie plündern, zerstören, verjagen. Anton Götz, der Braumeister der Mönche, bleibt und führt die Brautradition fort. Für 2 000 Gulden kauft er das Brauhaus vom Staat Württemberg, 1897 schließlich beginnt mit Albert Baader ein neuer Abschnitt. Heute ist Zwiefalter Klosterbräu mit Peter Baader in der sechsten Familiengeneration und beschäftigt 60 Mitarbeiter.
Dank der Spielleitung von Herbert Ott, der eindringlichen Stimme des Erzählers Hans-Jörg Karrenbrock, talentierten Akteuren und einer authentischen Kulisse werden diese vierten Zwiefalter Festspiele zu einem Erlebnis. Heute, Samstag, und morgen, Sonntag, gibt es jeweils um 15 Uhr weitere Aufführungen. (GEA)