GUNDELFINGEN. Noch bis zum 7. November ist der Verkehr auf der Kreisstraße zwischen Hayingen und Münsingen unterhalb der Burgruine Hohengundelfingen komplett gesperrt. Denn nach den ersten Felsberäumungsmaßnahmen im Frühjahr, bei denen exponierte Felskörper mit einer unmittelbaren Bedrohung der Verkehrssicherheit beräumt und der »Nadelfels« im Burghof niedergelegt wurden, steht derzeit die zweite Maßnahme an. Die gesamte Felskulisse wird dabei von einer Fachfirma aus Haslach überstiegen und beräumt. »Mit einer zwei Meter langen Eisenstange als Hebel werden Felskomplexe gelöst, sodass sie kontrolliert nach unten abgehen können«, erklärt Tobias Halm, Leiter des Kreisstraßenbauamts beim Landratsamt Reutlingen, bei der Baustellenbesichtigung.
Auf den rund 100 Höhenmetern, die die Steinkörper am steilen Hang zurücklegen, nehmen sie eine enorme Geschwindigkeit auf. Werden sie nicht von Bäumen abgebremst, kommen sie unten mit voller Wucht auf der Kreisstraße an. Um Schäden zu vermeiden oder zumindest zu verringern, wurde ein rund 20 Zentimeter dickes Kiesbett hergestellt. »Ein fußballgroßer Fels kann schnell mal 15 Kilogramm wiegen. Und wir haben hier deutlich größere Brocken mit mehreren Tonnen.« Halm kennt die Tücken der Steigen im Landkreis Reutlingen, die sich auf rund 40 Steigungs- und Gefällabschnitte und auf rund 128 Kilometer verteilen.
Als »Steige« kann der Abschnitt zwischen Wittstaig und Oberdorf in Gundelfingen zwar nicht bezeichnet werden, dafür aber ist das darüberliegende Gebiet topografisch äußerst anspruchsvoll und darüber hinaus auch noch landschaftlich und naturschutztechnisch mehrfach geschützt. Über die letzten Jahre hat sich hier die Gefahr von möglichen Felsabgängen stetig vergrößert: »Durch die Verkarstung des Albgesteins sammelt sich Wasser in Felsspalten an. Über die Wintermonate haben wir öfter Frost- und Tauwechsel, der mit dem Klimawandel deutlich zugenommen hat. Das wird uns in Zukunft an allen unseren Steigen im Landkreis beschäftigen«, sagt Halm. Auch Starkregen setzt der Landschaft zu, indem er Spalten freiwäscht und den Untergrund aufweicht. Dadurch drohen Hangrutschungen und Felsabgänge.
Die gesamte Woche soll die kontrollierte und aktive Felsberäumung noch dauern, in der nächsten Woche rückt dann ein Baumkletterteam zur Rodung an. Auf einer Länge von 300 Metern und einer Breite von rund zehn Metern müssen alle Bäume entlang der Kreisstraße weichen, damit der Hochenergiezaun angebracht werden kann. Diese Maßnahme soll im nächsten Jahr über die Sommermonate erfolgen, wenn laut Corinna Himming von der Unteren Naturschutzbehörde weder Vögel wie Uhu oder Kolkrabe brüten noch negative Einflüsse für die Haselmaus zu befürchten sind. »In diesem sehr sensiblen Bereich finden wir zahlreiche Schutzgebietskulissen, wie etwa Natura 2000, Landschaftsschutzgebiet oder Biotopflächen«, sagt sie. Im vergangenen Frühjahr konnten deshalb nur mit einer artenschutzrechtlichen Ausnahme die »absolut notwendigsten Maßnahmen« durchgeführt werden.
Seither fand eine Kartierung statt, um die derzeit laufenden Arbeiten zu koordinieren. Auch für das nächste Jahr muss ein verträglicher Zeitpunkt gefunden werden: »Außerhalb der Vogelbrutzeit und der Aktivität der Haselmaus.« Jene Wurzelstumpen der Bäume, die nächste Woche gerodet werden, können deshalb erst im nächsten Jahr vor dem Erstellen des Hochenergiezauns in den Sommermonaten gezogen werden. Drei bis vier Wochen lang sind dann erneut Einschränkungen zu erwarten. Laut Tobias Halm entweder wieder in Vollsperrung, vielleicht aber auch – wenn es gut läuft - mit einseitiger Befahrung.
Die bisherige Maßnahme mit Beräumung, Rodung, Ausgleichsmaßnahmen und Planung hat Kosten von rund 270.000 Euro verursacht. Die Kosten für den Hochenergiezaun werden auf 700.000 Euro geschätzt. Im Vorfeld dieser Maßnahmen fanden Leitungserneuerungsmaßnahmen der Stadt Münsingen durch den Ort und am Feld- und Radweg bis zur Wittstaig statt. Diese sollten eigentlich bis zur Felsräumungsmaßnahme abgeschlossen sein, um dem Öffentlichen Personennahverkehr eine Umfahrung der gesperrten Kreisstraße zu ermöglichen. Das findet nun jedoch auf lediglich behelfsmäßig hergerichteter Straße vom Häldelesweg bis zur Matthias-Erzberger-Straße satt. »Sobald die Rodungsmaßnahme auf der Kreisstraße beendet und die Straße für den Verkehr wieder freigegeben ist, werden wir hier weitermachen, die notwendigen Hausanschlüsse herstellen und asphaltieren«, informiert Tiefbauamtsleiter Marcus Friedrich und verwies auf Spülbohrungen, die für Widrigkeiten gesorgt und die Maßnahme in die Länge gezogen hätten. (GEA)


