MÜNSINGEN. Seit dem Wegfall der allgemeinen Wehrpflicht gibt es äußerst selten feierliche Gelöbnisse der Bundeswehr in der Öffentlichkeit. Dass es am Donnerstag ein solches militärisches Zeremoniell nach 21 Jahren wieder in der ehemaligen Garnisonsstadt Münsingen gab, ist der Initiative des Artilleriebataillons 295 zu verdanken, das mit der Stadtverwaltung eine Patenschaft eingegangen ist.
Es kommt nicht von ungefähr, dass die »295«-Artilleristen unter dem Kommando von Oberstleutnant Kevin Freudenberger, die zur Deutsch-Französischen Brigade gehören, auf Münsingen als Patenstadt gekommen sind. Der Verband war im Herbst 1958 als Feldartilleriebataillon 442 im damaligen Neuen Lager (später Herzog-Albrecht-Kaserne) aufgestellt worden, bevor er Anfang 1959 nach Immendingen umzog. Seit 2016 sind die Soldaten in Stetten am kalten Markt (Landkreis Sigmaringen) beheimatet.
Dort ist die sechste Batterie des Bataillons für die Rekrutenausbildung zuständig. 135 Soldaten und Soldatinnen standen auf dem Münsinger Matthias-Erzberger-Platz vor dem Rathaus, um zu schwören, Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. »Heute stehen wir an einem Ort, der nicht nur reich an Geschichte ist, sondern auch eine besondere Verbindung zu den Streitkräften unseres Landes besitzt«, sagte Rekrutensprecher Kanonier Dominik S. Es sei eine Herausforderung, aber auch eine Ehre, bei der Bundeswehr zu sein und einen wichtigen Beitrag für die Allgemeinheit zu leisten, bekräftigte der 30-jährige Familienvater.
Brigadegeneral Christian Friedl, Kommandeur der Deutsch-Französischen Brigade, machte keinen Hehl daraus, dass die Bundeswehr den Männern und Frauen psychisch und physisch viel abverlange. Manch einer werde in den ersten Wochen an seine körperlichen Grenzen gebracht. Im Gegenzug erlebe man eine abwechslungsreiche und interessante Ausbildung mit einer starken Kameradschaft.
Auch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sprach der General an, den er »als Angriff auf die europäische und internationale Ordnung« sieht. Damit sei die oft zitierte Zeitenwende im Kern beschrieben. »Sie müssen fähig sein, mit der Waffe unser Heimatland zu verteidigen«, sagte er in Richtung der Rekruten.
Bürgermeister Mike Münzing erinnerte daran, dass seit 2004, nach 109 Jahren, Staatsbürger in Uniform nicht mehr zum Alltagsbild der Stadt gehörten. Der Auftrag der Bundeswehr sei, nicht nur in Münsingen, sondern auch in den ehemaligen Garnisonen Engstingen und Tübingen, weiter aus dem Bewusstsein gerückt. Umso mehr freue er sich, dass nun wieder Uniformen in der Stadt präsent seien. Auch dankte er den Reservistenkameradschaften, den Traditionsvereinen und den Museen im Albgut (ehemals Truppenunterkunft Altes Lager), dass am Ort das Militär nicht vergessen werde.
Mehr als 500 Angehörige und Freunde der Angetretenen – eine Familie reiste sogar aus der Nähe von Hamburg an – wohnten dem militärischen Zeremoniell bei, das das Heeresmusikkorps Ulm musikalisch umrahmte. Die Bevölkerung war ebenfalls zahlreich vertreten, ebenso ehemalige Soldaten aus nah und fern. Unter anderen drei ehemalige Kommandeure des 2004 in Münsingen aufgelösten Panzerartilleriebataillons 285, die Oberstleutnante a. D. Harald Kammerbauer, Berthold Lesch und Hans-Joachim Klotz. Außerdem rund ein Dutzend Veteranen, die Ende der 1960er-Jahre in der dritten Kompanie des Panzerbataillons 304 ihren Dienst in der Herzog-Albrecht-Kaserne absolviert hatten.
Dass keine Politiker zu sehen waren, lag daran, dass im Europaparlament sowie im Bundes- und im Landtag diese Woche getagt wird.
Vor dem Gelöbnis gab es die Möglichkeit, an einem ökumenischen Gottesdienst in der Martinskirche teilzunehmen, den der evangelische Militärpfarrer Hans Wirkner zusammen mit seiner Amtsschwester Pfarrerin Maren Müller-Klingler zelebrierte.
Gegenüber dem Rathausplatz konnten die Gäste die Panzerhaubitze 2000, ein Kleinfluggerät für Zielortung, besser bekannt als Drohne, den Transportpanzer Fuchs, einen Raketenwerfer und andere Fahrzeuge des Artilleriebataillons 295 aus der Nähe begutachten. Der Erbseneintopf aus der Gulaschkanone ging weg wie warme Semmeln.
Die Patenschaft, die die Artilleristen mit der Stadt Münsingen eingegangen sind, wurde am Nachmittag in der Zehntscheuer durch Kommandeur Freudenberger und Bürgermeister Münzing feierlich besiegelt (Bericht folgt). (GEA)