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Aktuell Ökologie

(Fast) alle Vögel sind in der Region schon wieder da

Die Zugvögel kommen nach und nach zurück. Manche Individuen sind alte Bekannte.

Zum Schutz vor Feinden fliegen die Stare in riesigen Schwärmen ins Winterquartier. Zurück kommen sie in kleinen Gruppen oder ein
Zum Schutz vor Feinden fliegen die Stare in riesigen Schwärmen ins Winterquartier. Zurück kommen sie in kleinen Gruppen oder einzeln. FOTOS: KÜNKELE (5) /STRATENSCHULTE/DPA
Zum Schutz vor Feinden fliegen die Stare in riesigen Schwärmen ins Winterquartier. Zurück kommen sie in kleinen Gruppen oder einzeln. FOTOS: KÜNKELE (5) /STRATENSCHULTE/DPA

MÜNSINGEN. Fast alle (Zug-)Vögel sind schon da, oder kommen so nach und nach wieder im Sommerquartier an. Die Staren sind als erste gelandet, Günter Künkeles Star ist schon seit der ersten Februarwoche wieder  im naturnahen Garten des Naturschutzwarts und Ornithologen zu sehen. Oder eher zu hören. Dass es »sein« Star ist, kann Künkele an den Lautäußerungen erkennen. Denn Stare singen nicht nur lautstark, sie imitieren auch alles, was ihnen interessant vorkommt. Der Künkele-Star hat beispielsweise die Sirene italienischer Carabinieri drauf, »da weiß man, wo er den Winter verbracht hat«. Er kann auch Enten oder Blesshühner nachahmen, »ein großer Imitator«.

- Star

Kommen also immer wieder derselbe Vogel oder dieselben Vögel in den Garten zurück? Kann sein, muss nicht, sagt Künkele. Zugvögel haben es nicht leicht, die Verluste sind während der langen Wanderungen hoch. Das Prachtkleid hat der Frühlingsverkünder im Februar bereits angelegt. Die Frühankömmlinge müssen immer wieder, auch in diesem Jahr noch Schneefälle aushalten – gesungen wird trotzdem. Dass Stare recht winterfest sind, ist nicht neu: Rückblick auf einen Text aus einer Zeitung vom 26. Februar 1895: »Wie uns mitgeteilt wird, haben sich gestern auch auf unsere mit noch viel Schnee bedeckte Alb die ersten Frühlingsboten – die Staaren – gewagt. Solche wurden zwischen hier und Dottingen gesehen, es wäre zu wünschen, dass der schon langanhaltende strenge Winter bald sonniger und lauer Frühlingswitterung Platz machen würde, damit die Vögel ihren allgemeinen Einzug halten könnten, und sich beim Landmann die vorzunehmenden Feldarbeiten nicht zu sehr häufen.«

- Wendehals

Den Staren scheint ein Wintereinbruch also nicht viel auszumachen, anderen Arten schon. Den Zugspecht Wendehals hat Künkele im April in einem Vorjahr beobachtet. Er war später dran im Jahr als die Staren, wurde aber doch noch vom Aprilschnee überrascht. An diesem Tag war es für den Vogel schwer, am und im Boden nach seiner Leibspeise Ameisen zu stochern. Das schlechte Wetter hielt nur einen Tag an und der Vogel konnte in den nächsten Tagen wieder Nahrung aufnehmen. Hätte die Schlechtwetterperiode länger angehalten, wäre sein Überleben kritisch geworden. Es sei denn, er wäre in günstigere Lagen weitergezogen – sofern er wegen Nahrungsmangel und Kälte nicht bereits geschwächt war. Offensichtlich handelte es sich nach Künkeles Beobachtung um einen langjährigen Reviervogel, der trotz Wetterunbilden auf der Alb-Hochfläche ausharrte. Vielleicht hat er es in diesem Frühjahr gemütlicher und Ameisen sind ja schon unterwegs.

- Heckenbraunelle

Auch die Heckenbraunelle ist wieder da, Künkele konnte ein schönes Exemplar Mitte März fotografieren. Für den Laien sieht sie ein bisschen aus wie ein Spatz, hat aber rosa Füße und ist ein wenig kleiner. Und sie ist viel, viel heimlicher als die tschilpenden Sperlinge. Der viktorianische Ornithologe Francis Orpen Morris wählte sie daher als Beispiel für Zurückhaltung und Bescheidenheit. Im Buch »Im Herzen des Tals – Ein Jahr im Leben der Heckenbraunelle, eines kleinen Vogels in einem kleinen englischen Tal« hat sie es zu literarischem Ruhm gebracht – na dann. Wer einen Garten mit naturnahen Hecken – keine Lebensbaumwüste! – hat, kann sie vielleicht von der Terrasse aus hören. Solche Hecken helfen natürlich nicht nur der Braunelle. Allerdings mag sie junge Fichtenbestände am liebsten. Wenn ein Insektenfresser wie die Heckenbraunelle zu früh zurückkehrt, macht sie sich notgedrungen auch über Körnerfutter her, die kann sie auch verdauen. Da ist sie flexibler als der Wendehals, Spezialisten haben es schwerer.

- Heidelerche

Der Star ist auch weltweit einer der häufigsten Vögel, die Heidelerche – nicht zu verwechseln mit der Feldlerche – ist dagegen eindeutig eine bedrohte Zug-vogelart, in Baden-Württemberg gibt es wohl nur noch 60 Brutpaare. Grund für den dramatischen Rückgang ist der Schwund an geeigneten Lebensräumen. Die letzten Heidelerchen-Lebensräume befinden sich in der Oberrheinebene in lichten Kiefernwäldern mit trockenen Sandböden und auf Wacholder- und Schafweiden der Schwäbischen Alb. Für etwa zwei Drittel des Gesamtbestandes sind aktuelle und ehemalige, großflächige Truppenübungsplätze letzte Rückzugsgebiete – die Heidelerche ist ein Bodenvogel und schätzt halboffene, steppenartige Landschaften. Damit hat der alte Schießplatz international höchste Bedeutung nicht nur zum Erhalt dieses Bodenbrüters, er beherbergt auch weitere in Europa und Baden-Württemberg seltene Vogelarten. Also willkommen daheim, oh begnadete Sängerin.

- Feldlerche

Die Feldlerche verkündet den Tag, weiß William Shakespeare, ein Blick auf die Vogeluhr von Biologie-Wissen bestätigt es: Kaum schweigt die Nachtigall, singt die Lerche. Weil die Feldlerche wie die Heidelerche offene Flächen mag, kann sie nicht von Baumeshöhe aus rollern, zirpen und trillern. Sie markiert deshalb mit Singflügen das Revier, das heißt das Männchen. Das Weibchen bleibt lieber sitzen und lässt sich anbalzen. Der Hahn steigt auf, und dabei kann ihn auch der Ungeübte leicht beobachten.

- Gartenrotschwanz

Die ersten Gartenrotschwänze, Phoenicurus phoenicurus, sind aus ihrem Winterquartier in Afrika zurückgekehrt. Hier hält ein adultes Männchen, erkennbar an grauer Kopfplatte und kräftig orangefarbener Unterseite, Ausschau nach Weibchen, die in der Regel etwas später zurückkehren. Gartenrotschwänze sind Höhlenbrüter und nicht zu verwechseln mit Hausrotschwänzen, die nicht so bunt sind. An dürren Stängeln festgeklammert, zeigt der schöne Sommervogel seine recht schlanke Figur. Er stimmt im Morgengrauen in seinem Brutrevier von einer Singwarte hoch oben in den Kronen von Ap-fel-, Kirsch- und Birnbäumen einer Streuobstwiese seinen Balz- und Reviergesang an. Wo der rar gewordene, hübsche Singvogel noch alte Hochstammbäume mit Löchern und Spalten findet, kann auch der Nachwuchs großgezogen werden.

Was ist das Geheimnis guter Vogelbeobachtung? Man muss sich ins Verhalten hineindenken, sagt Künkele. Und am besten erst mal im eigenen Garten anfangen, bevor man mit dem Fernglas in die Wildnis auszieht. Geheimtipp für die GEA-Leser: Jetzt ist eine gute Zeit, den gefiederten Edelsteinen zu lauschen. Viele Zugvögel sind schon da, die überwinternde Vogelschar sowieso. Morgens um sechs ist die Welt noch in Ordnung, man kann aber schon wach sein. Und da es noch weniger Gesang gibt, als in ein paar Wochen, wenn die späten Wanderer zurück sind, treten die Solisten besser hervor. (GEA)