HOHENSTEIN. Einmal rund um Hohenstein und dabei alle Ortsteile mindestens einmal streifen: Diesen Tour-Wunsch der GEA-Redaktion hat Frank Höhn mit Bravour erfüllt. Seine Heimat kennt er wie seine Westentasche, er ist kommunalpolitisch im Gemeinderat und sportlich im SSV Meidelstetten engagiert. Für seinen Verein ist er nicht nur als ausgebildeter Guide und Fachtechnik-Coach unterwegs, sondern trainiert auch die Jugendgruppe. Auch bei etlichen Mountainbike-Renn-Klassikern war der 55-Jährige schon am Start – unter anderem bei der Alb-Gold-Trophy, die zwischen Münsingen und Trochtelfingen über weite Strecken auch über Hohensteiner Gemarkung führt. Ehrensache also, dass er in die Tour de Hohenstein, die er extra für die GEA-Radserie konzipiert hat, auch ein paar Trophy-Abschnitte eingebaut hat.
Naturnah und erlebnisreich
Dass die Runde mit etwa 42 Kilometern ziemlich genau Marathon-Länge hat, ist zwar purer Zufall, aber auch ganz praktisch: Man kann, muss sie aber nicht mit einem E-Bike fahren, es geht auch mit dem »Bio«-Bike – ohne elektrische Unterstützung also, das ist für Radler mit moderater Grundfitness problemlos zu machen. Zumal sich auch die Höhenmeter in Grenzen halten. Steile oder längere Anstiege gibt es nur wenige – längere flache Passagen allerdings auch.
Die Tour-Infos in Kürze
Schwierigkeitsgrad: Mittel
Gesamtstrecke: 42 Kilometer
Dauer: 3 Stunden
Höhendifferenz: 323 Meter
Die Hohenstein-Tour ist typisch Alb: Gemütlich rollen lassen kann man’s selten, es geht in sanften Wellen permanent rauf und runter. Der Untergrund ist überwiegend asphaltiert oder geschottert, manche Passagen durch den Wald oder über (legale!) Wiesenwege sind auch etwas ruppiger, sodass ein Mountainbike oder Gravel-Bike die beste Wahl ist. Rennradtauglich ist die Tour nicht. Landschaftlich, ortsgeschichtlich und touristisch hat sie viel zu bieten. Die reine Fahrzeit beträgt zwar »nur« etwa drei Stunden. Wenn man aber den einen oder anderen Zwischenstopp einlegen möchte, wird locker ein Tagesausflug draus. Dabei spielt es keine Rolle, ob man alleine, zu zweit oder als Familie unterwegs ist: Ein Besuch im Bauernhausmuseum in Ödenwaldstetten oder ein Abstecher zur Burgruine Hohenstein, die der Gemeinde ihren Namen gegeben hat, ist was für Menschen aller Altersklassen. Direkt am Bauernhausmuseum startet auch der im vergangenen Jahr eröffnete Gesundheitswanderweg, der auf einer Länge von rund 6,5 Kilometern an mehreren Stationen dazu animiert, die Natur intensiv wahrzunehmen.
Stubensand zum Scheuern
Wir starten in der Meidelstetter Ortsmitte, wo es genügend kostenlose Parkplätze gibt. Im Prinzip könnte man schon wenige Hundert Meter später den ersten Halt machen: Am Häulesrain gibt es einen etwa drei Kilometer langen Naturerlebnispfad, der mit seinen Entdeckerstationen einen Besuch wert ist. Die Ortsverbindungsstraße Richtung Haid verlassen wir bald wieder, wir biegen nach links ab ins Naturschutzgebiet Bauenofen, wo früher Stubensand abgebaut und zum Scheuern der Dielenböden genutzt wurde. Die Löcher sieht man heute noch. Mit dem Trockental, das von Wacholderheiden und landwirtschaftlichen Flächen geprägt ist, verbindet Frank Höhn Kindheitserinnerungen, die zugleich Teil eines wichtigen Kapitels der neueren Geschichte sind. »Wenn wir hier auf dem Kartoffelacker waren, waren immer Soldaten in der Nähe, die uns nicht aus den Augen gelassen haben.«
Der Grund dafür liegt ganz in der Nähe im Wald verborgen: Das Sondermunitionslager Golf wurde in den 1960er-Jahren als Depot für Kernwaffen errichtet. Gelagert wurden die atomaren Sprengköpfe für das in Großengstingen stationierte Raketenartilleriebataillon 250. Entsprechend streng bewacht wurden die mehrfach umzäunten Bunker von amerikanischen und deutschen Soldaten. In den 1980ern war das Lager Golf Schauplatz verschiedener Aktionen der Friedensbewegung und wurde bundesweit und sogar international bekannt. Heute gehört es der Gemeinde Hohenstein, betreten und besichtigen kann man es nicht.
Bilderbuchwälder
Weiter geht es in Richtung Trochtelfingen durch einen Kiefernwald zum Biotop Froschteich und von dort aus weiter zu einem legendären Abschnitt der Alb-Gold-Trophy: Wir fahren ein kurzen, knackigen Anstieg hoch – andersrum als die Trophy-Teilnehmer, die beim Rennen in entgegengesetzter Richtung unterwegs sind. Oben am Dachenstein lugt der Wilhelmsturm, benannt nach dem ehemaligen Bürgermeister Wilhelm Hägele, aus dem Wald. Von hier aus kann man einen Blick auf den härtesten Abschnitt der Trophy werfen: »Die meisten steigen hier ab«, sagt Frank Höhn, »selbst die Profis.« Das Stück ist steil und unwegsam und wird vor allem bei nassem Wetter zur absoluten Herausforderung.
Wir lassen es links liegen und folgen einem Waldweg, bis wir über einen Grasweg zum Gelände des Modellflugclubs (MFC) Hohenstein kommen. Die Piloten, die hier vor allem am Wochenende anzutreffen sind, geben Interessierten gerne Einblicke in ihr Hobby. Inzwischen sind wir auf Oberstetter Gemarkung, bleiben aber am Ortsrand und ziehen eine große Schleife durchs wunderschön gelegene, schattige Oberstetter Tal und weiter über Felder und Wälder nach Eglingen – wir sind nun weit weg von Siedlungen und Zivilisationsspuren.
Wir streifen den Ludwigshof, den Geißberg samt Grillstelle und den Gesundheitswanderweg. Das Naturschutzgebiet Steinbuckel ist bekannt für den Gelben Enzian, der dort wächst. In Eglingen lohnt sich ein Abstecher zum Kreuzweg samt Kapelle, bevor es weiter in Richtung Ödenwaldstetten und vorbei am Kindernaturschutzgebiet Hüttenstuhlburren geht. Wer mit der Familie unterwegs ist, sollte darüber nachdenken, hier die große Pause einzuplanen: Das Gelände bietet viele naturnahe Spielstationen und einen schönen Grillplatz. Hinter Ödenwaldstetten lohnt sich ein Schlenker zur Hofkäserei Rauscher, wo man nicht nur die Albbüffel auf der Weide beobachten, sondern auch im Hofladen probieren und einkaufen kann. Durch einen urigen Bilderbuchwald geht es weiter zur Ruine Hohenstein und nach einem scharfen Richtungswechsel nach Norden durch Bernloch, vorbei an der Hüle samt Dorfgemeinschaftshaus. Der vielleicht besonderste aller Grillplätze entlang der Tour liegt auf den letzten Metern kurz vorm Start- und Zielpunkt Meidelstetten: Der ehemalige Steinbruch bietet eine wilde Kulisse für einen schönen Ausklang am Lagerfeuer.
Vielfältige Gastronomie
Für den Einkehrschwung gibt’s etliche Möglichkeiten. Da wären beispielsweise die beiden Adler: Der in Meidelstetten wird vom Verein für angewandte Lebensfreude betrieben und hat neben guter Küche überwiegend an Wochenenden auch ein Kultur- und Konzertprogramm zu bieten. Außerdem gibt’s einen schönen Biergarten im Hinterhof. Der Eglinger Adler war einst ein Geheimtipp und ist es längst nicht mehr – Familie König ist für Gastfreundschaft und bodenständige Gerichte in der ganzen Region bekannt.
Gehobene schwäbische Küche, eigenes Bier und ebenfalls eine schöne Outdoor-Location bietet Speidels Lamm in Ödenwaldstetten. Wer lieber lecker italienisch essen gehen will, sollte sich die Sportgaststätte Brechhölzle in Bernloch vormerken. Oberstetten hat kein Gasthaus mehr, aber der dort ansässige Fertighaushersteller SchwörerHaus hat dort in seiner Musterhaus-Siedlung ein Café, das samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr bewirtet ist. (GEA)