MÜNSINGEN. Baden-Württemberg hat zwei neue Genussbotschafter. Beim Genussgipfel im Albgut Münsingen wurde der Römersteiner Bäcker Heiner Beck vor 270 Gästen mit dem begehrten Stern ausgezeichnet. Außerdem bekam die Meistervereinigung der Gastronomen für ihr Projekt »Schlemmerbande« den Titel verliehen.
Seit vielen Jahren zeichnet das Land Baden-Württemberg Menschen aus, die durch ihre Kreativität und ihre Schaffenskraft zu Botschaftern des Genusses werden. Die Kriterien sind eng an Tradition, Regionalität, Gastfreundlichkeit, Vielfalt, Qualität, Nachhaltigkeit und Verantwortung geknüpft. 39 Genussbotschafter gibt es bereits, mit Heiner Beck und der Meistervereinigung der Gastronomen sind zwei weitere dazugekommen.
Der »Becka-Beck« aus Römerstein setzt auf Produkt- und Prozessqualität, er verarbeitet regionale Rohstoffe und überwiegend biologische Zutaten. Seine Verantwortung gegenüber dem Verbraucher fängt bereits beim sorgfältigen Getreideanbau auf dem Acker an, geht bei der Mehlverarbeitung in der Mühle weiter und endet in der Backstube und schließlich beim Kunden. »Ich will die Schätze der Schwäbischen Alb ins Ländle bringen«, sagt Heiner Beck. Und genau solche Menschen braucht es laut Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch für einen bewussten und sinnvollen Umgang mit Ernährung.
Regional und saisonal
Dafür steht auch die Meistervereinigung der Gastronomen mit insgesamt 500 Mitgliedern vom Dorfgasthaus bis zur Sterneküche. Uwe Staiger, Alfons Köhler und Matthias Kübler nahmen den Stern für ihr Projekt »Schlemmerbande« entgegen. Diese besteht in Münsingen aus insgesamt 14 Kindern im Alter zwischen neun und zwölf Jahren, die sich von den Profis fürs Kochen und für eine gesunde Ernährung begeistern lassen. Es gehe um die Vermittlung von Freude am guten Essen: »Damit sie später bewusste Genießer und Köche werden.« Denn Genuss aktiv nach außen zu tragen, sei nur über Menschen möglich, wie Staiger betonte.
Um den leiblichen Genuss in Verbindung mit der damit einhergehenden Verantwortung für die Umwelt drehte sich alles bei diesem siebten Genussgipfel mit dem Motto »Essen als Religion – Moral als Würze«. Er sollte, wie Moderator Günther Laubis betonte, Hilfestellung dafür geben, wie auch künftig in Ruhe genussvoll ein Steak gegessen werden könne. Bürgermeister Mike Münzing wusste das: am besten »regional und saisonal«. Dies sei auf der Alb und im Biosphärengebiet möglich, man sei dabei, die Region enkeltauglich zu machen.
Für Albgut-Betreiber Franz Tress ist dies nur unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeit und Ehrlichkeit zu schaffen. Er sprach sich für eine »Reduzierung auf das Wesentliche« aus und dafür, einen Pol zu schaffen, der Kultur und Natur erlebbar mache.
»Was wir essen und wie wir essen ist Ausdruck unserer Individualität«, führte Friedlinde Gurr-Hirsch aus. Die Frage nach der richtigen Ernährung, nach einer zukunftsfähigen Lebensmittelproduktion nehme fast religiöse Züge an: »Heute traut sich kaum einer mehr, über seine Vorliebe zur Schlachtplatte zu sprechen.« Sie plädierte für Wertschätzung gegenüber den Landwirten und sichtbare Verantwortung beim Einkauf.
Für globale Ernährungswende
»Genuss ist mehr als die Anhäufung von Gütern.« Für Professor Dr. Harald Lemke von der Universität Salzburg hängt kultivierter Genuss vor allem mit der Alltagspraxis zusammen. »Im gemeinsamen Essen gipfeln die Werte. Rücken wir unsere Mahlfeiern also ins Zentrum des Lebens.« Die Welt brauche jetzt eine globale Ernährungswende, erklärte er: »Menschen sind genussfähige Wesen, sie müssen diesen Genuss nur kultivieren.« Und trotz aller Schlaraffenland-Verhältnisse über den Tellerrand hinausschauen und erkennen, dass Kochen nicht nur ein Handwerk, sondern eine Wissenschaft sei. (GEA)