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Aktuell Albgut

Erste Schau-Manufaktur im Albgut ist eingerichtet

MÜNSINGEN. »Das fast Ausgestorbene wieder aufleben lassen.« Darum geht es Annegret und Franz Tress, die mit ihrem Albgut im Alten Lager »ein Land vor 100 Jahren« entstehen lassen. Das Kasernengelände aus Königs Zeiten soll ein Refugium für alles werden, das sich zu bewahren lohnt:

Susanne Hoeschele (rechts) und Tochter Alicia zeigen Albgut-Chefin Annegret Tress, wie die Näh-»Oldtimer« funktionieren. FOTO: S
Susanne Hoeschele (rechts) und Tochter Alicia zeigen Albgut-Chefin Annegret Tress, wie die Näh-»Oldtimer« funktionieren. FOTO: SCHRADE
Susanne Hoeschele (rechts) und Tochter Alicia zeigen Albgut-Chefin Annegret Tress, wie die Näh-»Oldtimer« funktionieren. FOTO: SCHRADE
Alte Haustierrassen genauso wie Handwerkstraditionen, die beinahe dem Vergessen anheimgefallen wären. Dabei will das Albgut alles andere als museal sein: Anfassen, entdecken und miterleben ist nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht. Inzwischen hat Annegret Tress mit mehreren regionalen Unternehmen, Interessensgemeinschaften und Alb-Überzeugungstätern in jedweder Hinsicht ein Netzwerk geknüpft, aus dem jetzt nach und nach Manufakturen und Schauwerkstätten entstehen.

Die Alte Schmiede, in der Paare bald nicht nur ihre Hochzeit feiern, sondern ihre Ringe selbst herstellen dürfen, ist eins der Projekte, die derzeit Gestalt annehmen. Ihre Eröffnung ist - wie auch die des regulären Hotelbetriebs im Albgut - für Frühjahr geplant. Schon einen Schritt weiter und bereit für die Pilotphase ist die Schauproduktion der Firma Hoeschele. Der Familienbetrieb aus Neufra fertigt Kleidung aus Merinowolle und hat sich in den vergangenen Tagen im »BT 23« eingerichtet. Aus der Soldatenunterkunft - die Abkürzung »BT« stand zu französischer Besatzungszeit für »bâtiment de troupe« - ist ein apartes Nähatelier samt Boutique geworden, für die Designer in Großstädten ein Vermögen ausgeben würden.

»Alles vom Schaf ist so fantastisch. Wolle ist Hightech aus der Natur«
Den großen Raum hat Susanne Hoeschele nicht nur mit den passenden Möbeln - sie stammen aus Carmen Münzings Laden in Münsingen und damit ebenfalls aus nächster Nähe - sondern auch mit ein paar Maschinen bestückt. Weitere »Oldtimer« werden nach und nach hinzukommen, Mitarbeiter werden Besuchern in der gläsernen Produktion zeigen, wie in den 1950er- und 60er-Jahren gestrickt und genäht wurde. Erste Ein- und Ausblicke gibt's am Wochenende: Die »Schnuppertage« sind ein Schaufenster in die nahe Zukunft, denn ab Frühjahr soll regelmäßig geöffnet sein. Etwa zwei Tage pro Woche dürfen Besucher dann in den Manufakturen - Annegret Tress ist guten Mutes, dass bis dahin auch weitere Akteure startklar sind - zusehen, wie regionale Produkte entstehen: Essen und Trinken, Mode und Lifestyle, handgemacht, nachhaltig und regional.

Eine zentrale Rolle soll die Wolle spielen, die derzeit eine Renaissance erlebt. Das Schaf ist in den vergangenen Jahren wieder zum inoffiziellen Wappentier der Alb geworden. Als Landschaftspfleger sind die Tiere auch auf dem rund 100 Hektar großen Albgut-Areal unterwegs. Was man aus ihren Pelzen alles machen kann, will eine Gruppe von Frauen in einigen Monaten im »Wollwerk« zeigen. Die Vision: Sämtliche Arbeitsschritte von Waschen bis Weben sollen dort zu beobachten sein. Denn diese sind inzwischen fast vollständig ins Ausland abgewandert, auch Susanne und Andreas Hoeschele müssen ihren Rohstoff deshalb auf eine lange Reise durch Europa schicken, bevor daraus feine Strickwaren werden können. Verarbeitet wird bei Hoeschele zumindest derzeit noch Wolle aus Australien. Zum einen, weil die Schafe dort im Gegensatz zu ihren Kollegen auf der rauen Alb ganzjährig gemäßigtes Klima genießen dürfen und deshalb mit feinerem Haar auskommen. Der Familienbetrieb, der nach Angaben von Susanne Hoeschele deutscher Marktführer im Bereich Berufsbekleidung für Behörden ist, braucht zum einen die Qualität, zum anderen auch eine entsprechend große Menge, die die Alb-Schäfer (noch) nicht liefern können.

Polizisten, Justizangestellte und Feuerwehrleute tragen im Job Pullis aus Neufra. 2014 stieg das 1931 gegründete Unternehmen zusätzlich wieder in den Modesektor ein, aus dem es sich in den 1990ern zurückgezogen hatte. In den letzten Monaten ist eine weitere Produktlinie hinzugekommen: Mit Wollstoffen, die im Mägerkinger Betrieb Mader gewalkt und bei Hoeschele in der neu eingerichteten Mini-Manufaktur auf alten Maschinen zu Jacken, Röcken und Taschen verarbeitet werden, geht Susanne Hoeschele 60, 70 Jahre »back to the Roots«. Warum Wolle überhaupt je aus der Mode gekommen ist, kann die Unternehmerin nicht verstehen. »In den 1970ern wollten die Leute nur noch Kunstfasern«, berichtet sie kopfschüttelnd und zeigt entsprechende Hoeschele-Kataloge aus jener Ära. »Dabei ist alles vom Schaf so fantastisch«, schwärmt sie. »Wolle ist Hightech aus der Natur. Sie ist wie eine Klimaanlage auf der Haut: wärme- und feuchtigkeitsregulierend und geruchsneutralisierend.« (GEA)

Schnupperwochenende

Einblicke gewährt die erste Albgut-Manufaktur am Wochenende: Die Firma Hoeschele ist ins »BT 23« gezogen. Dort gibt’s am Samstag und Sonntag, 11. und 12. November, jeweils von 11 bis 15 Uhr nicht nur Textilien aus Merinowolle zu kaufen, sondern auch einiges zu sehen. Andreas Hoeschele und Jafar Azad werden an Maschinen aus den 1950er-Jahren sitzen, Halsbänder stricken und Taschen aus Walkstoff nähen. Das Gebäude »BT 23« ist über die Zufahrt am Osttor (an der Hahnensteige zwischen dem Auinger Vorlager und Böttingen) zu erreichen. (ma)