ENGSTINGEN. Ab dem kommenden Jahr gelten neue Regeln für die Höhe der von Immobilienbesitzern zu zahlenden Grundsteuer. Die Grundsteuerwertbescheide vom Finanzamt sollten mittlerweile überall angekommen sein, wie viel letztlich zu bezahlen ist, hängt aber auch von der Kommunalpolitik, konkret von den Grundsteuerhebesätzen, ab.
Mit dem Vorschlag von Kämmerer Alexander Ott, wie diese Sätze in Engstingen anzusetzen sind, beschäftigte sich jetzt der Gemeinderat. Wichtig war es Ott und Bürgermeister Mario Storz, dass die Reform für die Kommune »aufkommensneutral« umgesetzt wird. »Aufkommensneutralität« bedeutet für die Gemeindekasse, dass nicht mehr aber auch nicht weniger Grundsteuer eingenommen wird als vor der Reform. Wohlgemerkt neutral für die Gemeinde, für die Grundbesitzer werden sich Veränderungen ergeben, nach oben oder nach unten. Das sei systemimmanent, sagte Ott. Zwischen den Steuerpflichtigen kommt es zu Verschiebungen, ergänzte der Bürgermeister. Zwei gleich große Grundstücke könnten künftig unterschiedlich besteuert werden, erklärte der Kämmerer. Auch wichtig: Gewerbeflächen profitieren von der Reform, die privaten Besitzer müssen das ausgleichen. Wichtige Rechengröße ist dabei der Bodenrichtwert, der von den Gutachterkommissionen festgelegt wird und über die Plattform BORIS des Landes flurstückgenau abgefragt werden kann. Was auf dem Grundstück steht, spielt keine Rolle, ausschlaggebend ist rein die Grundstücksfläche, ob ein bescheidenes älteres Häuschen, eine brandneue Villa oder ein Mehrfamilienhaus draufsteht.
Aufkommensneutral für die Gemeinde, nicht für den Grundbesitzer
Ott hat in einer Simulation berechnet, wie der Wert vor dem Hebesatz aussieht. Und dann die Hebesätze so vorgeschlagen, damit für die Gemeinde am Ende eine schwarze Null steht. Ziel war es, in Summe die bisher erzielten 742.215 Euro an Grundsteuer B (bebaute und unbebaute Flächen) plus 25.028 Euro an Grundsteuer A (Land- und forstwirtschaftliche Flächen) wieder zu erreichen. Der Gemeinderat folgte seinem Vorschlag: Der Hebesatz für die Grundsteuer A wird ab 2025 ab dem 1. Januar 405 Prozent, der für die Grundsteuer B 365 Prozent betragen. Das Thema wird zurzeit in allen Gemeinderäten behandelt, dem aufmerksamen Zeitungsleser wird auffallen, dass die Hebesätze deutlich unterschiedlich ausfallen. Ein Vergleich der Hebesätze sei aber nicht mehr aussagekräftig, erklärte Ott, weil sie sich an den Bodenrichtwerten der Gemeinden orientierten. Und die können etwa zwischen Alb- und Talgemeinden weit auseinanderliegen.
Auch unbebaute Grundstücke betroffen
Ein weiterer Punkt, der den Engstinger Gemeinderat noch beschäftigen wird, ist die sogenannte Grundsteuer C für baureife, aber unbebaute Grundstücke, »beleuchtete Wiesen« oder »Enkelgrundstücke« nennen das die Engstinger Räte. Etwa 80 solcher ungenutzter Bauplätze gibt es in Engstingen, hat Bürgermeister Mario Storz überschlagen. Ein ungeliebtes Phänomen, mit dem sich der Gemeinderat schon seit geraumer Zeit immer wieder beschäftigt. Die Grundsteuer C könnte ein Mittel sein, die Eigentümer dazu zu bewegen, zu bauen oder zu verkaufen, wenn schon der reine Besitz künftig Geld kostet. Wie man genau an das komplexe Thema herangeht, ist aber noch unklar. Die Kommunen warten noch auf eine »Handreichung« der Kommunalen Verbände, eine einigermaßen rechtssichere Bedienungsanleitung. Die ist zumindest in Arbeit.
Grundsteuerberechnung
Mi den Hebesätzen der Gemeinden liegt der letzte Baustein vor, um die eigene Grundsteuer zu berechnen. Eine Beispielrechnung findet man auf der Webseite des Finanzministeriums des Landes (fm.baden-wuerttemberg.de) unter »faq-zur-grundsteuer«. Grundstücksflächen werden auf dem Grundbuchauszug oder dem Grundsteuerwertbescheid ausgewiesen, die Bodenrichtwerte stehen flurstückgenau im Bodenrichtwertinformationssystem Baden-Württemberg - BORIS-BW. (GEA)
80 Grundstücke entsprächen zwei oder gar drei Baugebieten, meinte Rat Ulrich Gundert, da könnte sich auch der von Ott befürchtete bürokratische Aufwand lohnen. Denn für die C-Grundstücke reicht nicht der Bodenrichtwert, die Gemeinden müssen begründen, warum hier leichter Druck ausgeübt werden soll. Etwa weil Bedarf an Wohnraum, Gemeindeeinrichtungen oder Arbeitsstätten herrscht. Und das jährlich wiederkehrend. Da auch die IT-Infrastruktur für diese Steuer noch nicht steht, hat der Gemeinderat das Projekt verschoben, aber nicht vergessen. Ein Trostpflaster gibt es aber: Für die »Enkelgrundstücke« wird ab dem kommenden Jahr zumindest die Grundsteuer B - bebaute und unbebaute Flächen - fällig, in selber Höhe wie für den Grund mit Nachbars Häuschen. (GEA)