ENGSTINGEN. Im ersten Entwurf seines Haushaltsplans fürs Jahr 2025 kam Engstingens Kämmerer Alexander Ott noch auf ein negatives Gesamtergebnis von knapp minus 800.000 Euro. Das hätte vor den Augen der Kommunalaufsicht wohl keine Gnade gefunden, die Kommunen sollen ja ausgeglichene Ergebnisse ausweisen. Wie das bei zwar - noch - hohen Einnahmen, aber immer mehr »von oben nach unten durchgereichten Aufgaben«, so Rat Steffen Schmälzle, auf Dauer gelingen soll, ist offen. In diesem Jahr sollte es in Engstingen noch einmal klappen. Zur Finanzierung der Kern- und der »von oben« delegierten Aufgaben zum Beispiel bei der Kinderbetreuung an den Kindergärten oder der Ganztagsbetreuung an den Grundschulen muss Engstingen aber 900.000 Euro an Krediten aufnehmen.
Um einen genehmigungsfähigen Haushalt hinzubekommen, haben sich Ott, Bürgermeister Mario Storz und die Fachabteilungen in den vergangenen vier Wochen mit Erfolg auf die Suche nach Potenzialen gemacht. Zum einen sind die Erträge jetzt um 398.900 Euro höher. Wie geht das? Im Wesentlichen ist die Datenlage jetzt besser als vor einem Monat. Die Gewerbesteuereinnahmen werden um 300.000 Euro höher ausfallen als im Entwurf veranschlagt, in kleinerem Umfang gilt Ähnliches für Zuweisungen und Gebühren. Etwas tun muss die Gemeinde bei den Zinseinnahmen: Guthaben möglichst lange halten, dann könnten die Zinserträge um 15.000 Euro wachsen.
Schieben und kürzen
Die Aufwendungen konnte Ott zum anderen um 476.130 Euro nach unten fahren. Er hat genau hingeschaut, was tatsächlich noch im laufenden Jahr kassenwirksam wird, etwa bei den Personalkosten - unbesetzte Stellen und die Annahme, dass anstehende Tarifabschlüsse nicht voll in diesem Jahr greifen, wurden eingepreist. Ähnliches gilt für andere Posten: Was kann man schieben, was kürzen, was kann in diesem Jahr sehr wahrscheinlich nicht mehr umgesetzt werden?
Bauplatzverkäufe bringen Geld
Mit höheren Einnahmen und weniger Ausgaben wird ein knapp positives Saldo im Ergebnishaushalt von 76.100 Euro erreicht. Eine schwarze Null mit wenig Luft für Unvorhergesehenes, bewertete das Rat Samir Halabi. Also Grund zur Erleichterung aber nicht zum Jubeln für die Räte. Halabi wies auch darauf hin, dass ohne die Million aus dem Verkauf von Bauplätzen das Ergebnis tiefrot ausgefallen wäre. Dass die Luft in Zukunft nicht nur für Engstingen dünner, vielleicht zu dünn, wird, falls keine Reformen auf Landes- und Bundesebene kommen, ist absehbar, das macht auch der Blick auf die tiefroten Planergebnisse in den Folgejahren deutlich. »Unser Haushalt gerät unter Druck, ohne dass wir für die Bürger investieren«, sagte Storz, »wegen der Rahmenbedingungen, etwa Umlagen, die wir nicht beeinflussen können.« Dass der letzte Zensus entgegen der Realität Engstingen auf dem Papier Einwohner gekostet hat, macht die Finanzlage nicht besser: Zuweisungen hängen auch an der Einwohnerzahl, »da fehlt uns nicht einmal, sondern dauerhaft Geld«. »Oben wird geplant, wir unten können nicht mehr liefern«, sagte Rat Steffen Schmälzle.
Trotz einer schwarzen Null will oder muss Engstingen investieren. Die Ertüchtigung der Schulen für die Ganztagsbetreuung, von der viele Engstinger wenig bemerken dürften, wird rund 10 Millionen Euro kosten. Der Gemeindeanteil an der Breitbandversorgung wird in den kommenden Jahren rund eine Million betragen. Ein dicker Brocken mit rund einer halben Million Euro ist die bereits laufende Rathaussanierung oder die Ersatzbeschaffung für das Löschgruppenfahrzeug LF20 für die Abteilung Kleinengstingen. In der Zukunft warten weitere große Projekte. Der barrierefreie Umbau und die Sanierung der Bushaltestellen wird auf 660.000 Euro grob geschätzt. Die Sanierungen der Steinbühl- und der Sternbergstraße dürfte über eine Million Euro kosten, die Sanierung der Obdachlosenunterkunft in Kohlstetten voraussichtlich ebenso viel. Außerdem steht die Neuplanung einer interkommunalen Kläranlage an. Entsprechend schnell schrumpfen die liquiden Mittel. Anfang des Jahres lagen noch 4,1 Millionen Euro auf Bankkonten, zum Ende des Jahres 2028 könnten es nach Otts Prognose nur noch 563.000 Euro sein. Und wenn's ans Eigenkapital der Gemeinde geht, »haben wir ein Problem«, sagte Bürgermeister Storz.
Bei der Verschuldung geht der Trend in die andere Richtung. Die Gemeinde könnte in diesem Jahr 900.000 Euro aufnehmen, 2026 und 2027 hat Ott jeweils 1 Million Neuaufnahmen angesetzt, 2028 sogar 3,3 Millionen Euro. Ob es soweit kommt, wird die Zukunft zeigen. Einfach wird die Arbeit der Verwaltung und der Gemeinderäte auf jeden Fall nicht. Sie stimmten Otts Planungen zu, »wir schicken den Haushaltsplan gen Reutlingen auf die Reise«, schloss Bürgermeister Storz die Finanzdebatte. (GEA)
Der Haushalt in Zahlen
Ordentliche Erträge: 17,1 Millionen Euro. Ordentliche Aufwendungen: - 18,1 Millionen. Ordentliches Ergebnis: -923.900 Euro. Außerordentliche Erträge: 1 Million Euro. Gesamtergebnis: 76.300 Euro. Zahlungsmittelüberschuss aus Verwaltungstätigkeit: 150.800 Euro. Einzahlungen aus Investitionen: 4,7 Millionen Euro. Auszahlungen aus Investitionstätigkeit: 6,4 Millionen Euro. Kreditaufnahme 900.000 Euro. Saldo des Finanzhaushalts: - 806.000 Euro. (GEA)