ST. JOHANN-GÄCHINGEN.. 750 Jahre ist Gächingen alt. Mindestens. Im Jahr 1275 wurde der Ort zum ersten Mal schriftlich erwähnt. Ganz so alt sind die Schätze von Helmut Stoß zwar noch lange nicht, ein Stück Geschichte sind sie trotzdem. Der 68-jährige Gächinger nennt zwei zwei- und zwei vierrädrige Oldtimer sein Eigen. Am 3. August sollen sie, gemeinsam mit möglichst vielen weiteren historischen Fahrzeugen, in einer ganz besonderen Parade durch den Ort ziehen. Denn an diesem Tag wird das große Jubiläumsfest gefeiert. Neben Gottesdienst, Festreden soll es auch einen historischen Ortsrundgang geben - und die Oldtimer-Parade.
Als der Ortschaftsrat alle Mitbürger aufforderte, Ideen zum Jubiläum einzubringen, musste Helmut Stoß nicht lange nachdenken: Ein Corso mit Mopeds, Bulldogs, Autos und allem, was eben aus eigenem Antrieb noch fahren kann - das wär's. Eine wichtige Teilnahmebedingung, die die Parade von den üblichen Oldtimertreffen unterscheidet, gibt es allerdings: »Der Fahrer oder das Fahrzeug muss in irgendeiner Beziehung zu Gächingen stehen«, erklärt Stoß. Kleinlich ist er da nicht, auch wer kein Ur-Gächinger ist, sondern vielleicht »nur« hier arbeitet, gelegentlich einkehrt oder einkauft, darf mitrollen.
Geschichte unter der Haube
Wichtig ist dem Organisator vor allem eins: Unter der Haube soll eine Geschichte stecken, die auch erzählt wird. Helmut Stoß selbst wird die Parade moderieren, die Maschinen und die Menschen dazu vorstellen. Start soll am 3. August um 13.30 Uhr auf dem Betriebsgelände von Omnibus Stoß sein, hier stehen auch die Hallen zur Verfügung, falls es regnen sollte und ein Unterschlupf benötigt wird. Als Dankeschön fürs Mitmachen gibt es für jeden Teilnehmer eine kleine Überraschung. Wichtig ist: »Bevor's losgeht, sollte mir jeder seine Geschichte erzählen«, sagt Stoß. Und: das Baujahr nennen. Warum? Weil auch die Zuschauer gefordert sind. Sie dürfen sich den Kopf darüber zerbrechen, welche Summe dabei herauskommt, wenn man die Baujahre aller Fahrzeuge zusammenzählt. Zu gewinnen gibt es drei Preise.
Stoß ist zwar Mitglied des Vereins für Motorsport und Freizeit St. Johann, die Parade aber stellt er in Eigenregie auf die Beine. Unterstützung zugesichert hat die Feuerwehr, die unter anderem für die Streckensicherheit sorgen wird. Alte Fahrzeuge liebt er, seit der denken kann - und natürlich erfüllen seine vier Oldies auch das Kriterium, das die Parade so spannend macht: Zu allen kann er mehr als nur eine Geschichte erzählen. Den Zug anführen will er selbst auf seinem alten Fendt, Baujahr 1960, hinter dessen Lenkrad schon seine Mutter saß.
Traktor statt Auto
»Das war ihr Fahrzeug«, schildert er seine Kindheitserinnerung. Auf dem Kartoffelacker, mit dem Teig und den »Büschele« für den Ofen zum Backhaus oder rüber in den Nachbarflecken Würtingen: Das Arbeitsgerät verhalf der Bäuerin zu einem Stück Autonomie und Mobilität. Ganz schön cool und vor Jahrzehnten auch ganz schön normal, wie Stoß erklärt: »Das war bei vielen Frauen auf der Alb so, sie haben in der Landwirtschaft mitgearbeitet. Sie hatten zwar keinen Autoführerschein - aber einen Traktor.«
Die elterliche Landwirtschaft gibt es schon lange nicht mehr, den Traktor schon. Wie damals ist er auch, aber nicht nur, im Arbeitseinsatz. Helmut Stoß nimmt ihn mit, wenn er im Wald schafft - und macht ansonsten gerne Ausfahrten mit seinen fünf Enkelkindern. Beispielsweise zum Gomadinger Sternberg, wo dann gegrillt wird. Ganz so viele Passagiere passen in das andere vierrädrige Schätzchen von Helmut Stoß nicht: Der Fiat Spider, den er sich mit Anfang 20 gekauft hat, ist zwar schick und schnittig, aber nicht unbedingt geräumig. Trotzdem: »Als die Kinder noch klein waren, sind wir damit mal für eine Woche in den Urlaub gefahren.« Kaum vorstellbar mit Blick auf die winzige Rückbank und den kleinen Kofferraum. Der Fiat steht super da, in seinen 52 Jahren ist er gerade mal 181.000 Kilometer gelaufen.
Mit der NSU auf Südtiroler Pässe
Etliche Fahrten führten nach Südtirol - ein Urlaubsziel, an das es Helmut Stoß immer wieder zurück gezogen hat. Auch mit seiner NSU Lux war er schon dort und hat etliche Pässe bezwungen. Das Motorrad, Baujahr 1954, hat er zwar bei einem Oldtimermarkt gekauft, Teil seiner Erinnerungen ist es trotzdem: »Mein Vater hatte auch so eine, als Kind durfte ich öfter mitfahren.« Eine Rarität ist die Zündapp Sport Combinette von 1966. Stoß, der sein Berufsleben als Bäcker verbracht hat, hat das Moped von einem einstigen Arbeitskollegen übernommen, der die Zündapp im höheren Alter gegen einen komfortableren Motorroller getauscht hat.
Nicht nur der Traktor seiner Mutter, sondern auch der Fiat und die beiden Zweiräder werden bei der Jubiläumsparade dabei sein, Fahrer gibt's im Familien- und Bekanntenkreis, sagt Stoß, der nun hofft, dass sich möglichst viele Mitfahrer finden und bei ihm melden. Eine Teilnahme ohne Anmeldung ist möglich, letztere ermöglicht Stoß die Organisation und die Vorbereitungen aber deutlich. Wer Interesse hat, bekommt unter Telefon 07122 827734 weitere Auskünfte. (GEA)