GOMADINGEN. Seit vielen Jahren sammelt Hans Blankenhorn aus Gomadingen Bilder seiner Heimat. Vor allem haben es ihm Ansichten angetan, die einen früheren Zustand von Landschaften, Orten oder Gebäuden dokumentieren.
Eine Besonderheit ist ein kolorierter Kupferstich, dessen französische Betitelung besagt, dass es sich um die Ansicht des Schlosses Grafeneck im Besitz des Herzogs von Württemberg handelt. Zeichnung und Gravur (»dessiné et gravé«) stammen vom Künstler »Mayr«. Es ist ungewiss, ob dieser mit dem Nürnberger Johann Conrad Mayr (1750-1839) identisch ist.
Zunächst stand die Burg der Grafen von Grafeneck auf der Anhöhe. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde sie an Graf Eberhard im Bart verkauft. Herzog Christoph erbaute, so berichtet es Julius Wais in seinem Albführer, Mitte des 16. Jahrhunderts ein vierflügeliges Jagdschloss mit einem Terrassengarten auf den Stützmauern, die heute noch beeindrucken.
Herzog Carl Eugen schließlich schuf 1762-1772 ein prachtvolles Barockschloss mit Schlosskirche, Opernhaus und großzügigen Parkanlagen. Über eine lange Allee näherte man sich, ganz im Sinn einer barocken Architekturinszenierung, dem Schloss an. Diesen Zustand zeigt der Kupferstich. Im Bildvordergrund betrachtet ein Jäger, gestützt auf seine Flinte, die Szenerie. Am rechten Bildrand ist ein weiteres Gebäude zu erkennen, in dem Blankenhorn die württembergische Husarenkaserne vermutet.
Bekannt ist am Dolderbach unterhalb des Schlosses der »Husarensprung«, noch heute dokumentiert durch zwei Gedenksteine: 1746 soll hier ein Husar auf seinem Pferd einen gewaltigen Satz von rund 8,50 Metern über einen Graben vollführt haben. Der militärbegeisterte Herzog Carl ließ einen Inschriftstein und einen Reliefstein errichten, die in dieser Distanz voneinander entfernt stehen und an die Leistung von Reiter und vor allem seinem Pferd erinnern sollen.
Buchautor Jürgen Meyer hat sich in seinem Werk »Geheimnisvolle Geschichten und Schicksale« ausführlich damit auseinandergesetzt. Seinen Ausführungen zufolge hatte Herzog Carl das Schloss erst Jahre später für sich entdeckt, konnte demzufolge den »Rösselsprung« nicht selbst erlebt haben und griff demnach mit dem Gedenkstein auf eine ältere Begebenheit zurück. Zudem trage der Husar auf dem Stein eine spätere Uniform »im Stile eines preußischen Paradesoldaten nach der Militärreform von 1754«. Darüber hinaus bezweifelt der Autor, dass ein Pferd zu so einem Sprung überhaupt in der Lage sei. Die größte Weite habe bei einem Turnier 1975 ein Reiter aus Johannesburg mit seinem Pferd »Something« (schwäbisch: »Ebbes«) geschafft. Sie lag bei knapp 8,40 Metern.
Die Kaserne am Fuß des Schlosses, um 1760 erbaut, habe bis 1842 existiert. Sie wurde abgebrochen wie auch große Teile des Schlosses. Glücklicherweise ist auf dem Kupferstich aus der Sammlung Blankenhorn noch der beeindruckende barocke Zustand festgehalten.
Der Kupferstich, wohl im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts entstanden, wirkt sehr idyllisch und lässt noch nichts von den späteren Greueltaten erahnen, als Schloss Grafeneck, inzwischen Heim für Menschen mit Behinderungen, in nationalsozialistischer Zeit als Vernichtungslager missbraucht wurde. Heute gehört das Schloss zur Samariterstiftung und beherbergt eine Gedenkstätte sowie eine Einrichtung der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie. (GEA)