GOMADINGEN-DAPFEN. Das Ei ist ein Sinnbild für das Leben. Diese Bedeutung hat sich aufs christliche Osterfest übertragen. Das Ei ist ein urchristliches Symbol der Auferstehung Christi: Es hält Leben in sich verschlossen, und so, wie das Küken, das neue Leben, die Schale zerbricht, verlässt Jesus das Grab. Dieser christlichen Symbolik wird zehntausendfach Raum in der Dapfener Martinskirche beim Eiermarkt bereitet, den Ursula Bogner-Kühnle 1992 initiiert hat, der jedes Jahr wächst und Besucher in die kleine Dorfkirche lockt. Der 33. Eiermarkt wird am Sonntag, 9. März, eröffnet.
Die Nachfrage nach den Dapfener Eiern ist ungebrochen. Deswegen sind Jahr um Jahr viele helfende Hände nötig, um Eier zu verzieren und sie in der Martinskirche dekorativ an Kirschbaum- oder Weidenzweigen aufzuhängen oder in Geschirr und Küchenutensilien von anno dazumal zu präsentieren. Zwischen 14.000 und 15.000 der ovalen Symbole sind es in diesem Jahr, die den Altarraum österlich schmücken. Ursula Bogner-Kühnle beschriftet nahezu ohne Unterlass das ganze Jahr über »jeden Tag« die traditionellen, von ihr entworfenen »Dapfener Brauchtums-Eier«: Mit feinem Strich schreibt sie Psalmen, Bibelverse und Gebete auf die Schalen. Auch auf das zweite »Wahrzeichen«, ohne das der Eiermarkt nicht auskommt: das »Dapfener Spiegel-Ei«, wie die 85-Jährige mit einem Augenzwinkern sagt. Dabei werden die Eier nur zu einem Teil in marmorierte Farbe getaucht, eine ovale Stelle – der Spiegel – bleibt weiß und erhält einen Schriftzug in alter deutscher Schrift.
3.500 kleine und 400 große Brauchtums-Eier – von Hühnern und Gänsen – hat Ursula Bogner-Kühnle in diesem Jahr verziert. »Das ist ein großes Wunder«, sagt sie, vor einem Jahr habe sie nicht geglaubt, dass ihr dies mit ihren vom Rheuma versteiften Händen gelingt. Ein Wort von Pater Anselm Grün, der auch in diesem Jahr wieder im ökumenischen Abschlussgottesdienst predigen wird (siehe Box), hat sie aber bestärkt: »Wenn dich unser Herr ein weiteres Mal beauftragt, wird er dir die Kraft geben.« Und so hat es sich auch zugetragen.
Gottesdienste, Führungen und Öffnungszeiten
Eröffnet wird der Eiermarkt in der Dapfener Martinskirche am Sonntag, 9. März, um 10 Uhr mit einem ökumenischen Gottesdienst, den das Familien-Ensemble »Die gantze Hingerey« unter Leitung von Helma Hinger mit Musik gestaltet. Die Predigt hält Dekan Hermann Friedl von der katholischen Kirche. Der Eiermarkt ist bis zum 15. April wochentags von 13 bis 17 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. An den kommenden Sonntagen werden weitere besondere Gottesdienste gefeiert. Am Sonntag, 23. März, predigt Prälat Markus Schoch. An der Orgel spielt Philipp Hirrle. Beginn ist um 10 Uhr. Am Sonntag, 30. März, musizieren Madita Saure (Flöte) und Philipp Hirrle an der Orgel, den Gottesdienst hält Pfarrer i.R. Professor Dr. Günter Bader. Beim ökumenischen Gottesdienst am Sonntag, 6. April, hält Pater Dr. Anselm Grün die Predigt, es musizieren Alina Reinhardt (Flöte) und Philipp Hirrle (Orgel). Der Kreuzweg von Sieger Köder ist ebenfalls zu den Öffnungszeiten der Kirche zu sehen, Führungen und Meditationen mit Ursula Bogner-Kühnle sind jederzeit möglich für einzelne Personen, kleine und große Gruppen. Sinnvoll, aber nicht zwingend notwendig, ist eine telefonische Anmeldung unter 07385 1010. (cofi)
Von anfangs 180 Eiern, die der Frauenkreis im Pfarrsaal bemalte, ist nicht nur die Anzahl der Exponate gestiegen. Es stoßen auch immer wieder neue Mitstreiter zum bestehenden Team dazu. Auch das ist für Ursula Bogner-Kühnle wie »ein Wunder, dass jedes Jahr so viele fleißige Hände zusammenkommen, damit so eine große Sache gelingen kann«. 20 bis 25 »Eierfrauen« – und so mancher Mann – haben die Dapfener Kirche in dieser Woche österlich geschmückt. Vorher Eier ausgeblasen, geputzt, bemalt, mit Bändern versehen und Kränze gebunden. Viele von ihnen sind »alte Hasen«, haben ein Gespür für ansprechende Dekoration und Feingefühl im Umgang mit der zerbrechlichen Zierde. Jüngste »neue« Eier-Malerin ist Natalia Martin (16).
Und so zitiert Ursula Bogner-Kühnle einen sich für sie bewahrheiteten Ausspruch des 2015 verstorbenen Künstlers Sieger Köder, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre und dessen Kreuzweg ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des Markts ist: »Er hat immer gesagt: Auf deinem Werk liegt ein Segen drauf.« Und der zieht in die ganze Welt, wenn Besucher des Eiermarkts ein Exponat mitnehmen und bis in ferne Länder bringen, »auch in nicht christliche Länder«, das sei ihr ganz wichtig. So ist die Botschaft aus Dapfen schon bis nach Sibirien, China, Japan und Indien getragen worden. »Wir verkündigen auf und mit Eiern und durch Eier das Evangelium«, sagt Bogner-Kühnle.
Nicht nur durch den immateriellen Wert ist der Eiermarkt ein Gewinn. Er spielt jedes Jahr mehrere zehntausend Euro ein, die an Schulen, Vereine, die Kinderkrebshilfe oder eine Schwester aus Tansania, die sich um Aidswaisen kümmert, gespendet werden. »Am Ende bleibt kein einziges Ei übrig«, im Gegenteil, »ich muss in den letzten Tagen des Eiermarkts immer noch mal kräftig nacharbeiten«, sagt Bogner-Kühnle.
Fritz Tauster aus Mössingen bemalt nicht nur Eier mit Blumen- und Tiermotiven: Er sorgt für Eier-Nachschub, er hat einen Freund, der eine Wirtschaft hat, erzählt Ursula Bogner-Kühnle. Wenn der Wirt Maultaschen oder Nudeln zubereitet, ist Tauster zur Stelle, bläst die Eier aus, reinigt sie und verteilt sie an die anderen Künstler zur weiteren Bearbeitung. Das Ehepaar Rosemarie und Peter Stiefel aus Bad Urach ist viele Jahre dabei. Die beiden haben 800 Kränze aus Wachteleiern gebunden. Es gibt bemalte, gefilzte und ausgefräste Eier, gehäkelte und gestrickte Hühner oder solche aus Stoff, gehäkelte Häschen und Holzarbeiten.
Maiken Kalkhof (82) aus Reutlingen fertigt filigrane Scherenschnitte und klebt sie auf die Eierschalen. 2007 hat sie den Eiermarkt kennengelernt, seit 2008 ist sie mit von der Partie. »Ursula hat eine Art, bei der man nicht Nein sagen kann.« Und so beginnt sie immer im Januar, die filigranen Blumen, Pflanzen und Herzen aus schwarzem Papier auszuschneiden, Eier zu grundieren und sie zu bekleben. »Es ist immer wieder toll, wenn ich diese Pracht hier sehe«, deshalb gibt Kalkhof Bogner-Kühnle keinen Korb, auch wenn das Ausschneiden der Motive für sie mit fortschreitender Zeit mühsamer wird.
Sieglinde Häußler aus Allmendingen steuert besondere Schmuckeier bei. Mit speziellem Lack, Blatt- oder Metallgold verziert sie sie, fügt Golddraht, Perlen oder Schmucksteine hinzu. Ganz besonders sind ihre »Reißverschluss-Eier«. Sie hat eine Öffnung in die Schale gefräst, die Kante mit einem Reißverschluss beklebt, das Ei außen dekoriert, und diese Eier öffnen so den Blick auf ihr kostbares Innenleben – mal ein getöpfertes Herz, mal ein Schneckenhaus –, jedes ein Unikat. Wie die weiteren 14.000 bis 15.000 Symbole des Lebens in der Martinskirche. (GEA)