GAMMERTINGEN-KETTENACKER. In Kettenacker soll ein Dolinen-Wanderweg entstehen. Die Idee wird vom Verein »Mensch und Natur« getragen, das Konzept ist, über die Karsttrichter zu informieren und gleichzeitig dem Gammertinger Teilort einen touristischen Anziehungspunkt zu geben.
Eigentlich brauchen sich Kettenacker und die beiden anderen Gammertinger Albgemeinden Feldhausen und Harthausen nicht zu verstecken. Gerade jetzt im Herbst hat die Hochebene zwischen Lauchert und der Zwiefalter Ach einen ganz eigenen Reiz und bald verzaubert hoffentlich der Schnee wieder die Landschaft. Die steilen Wacholderheiden fehlen hier, Wiesen und Äcker wechseln sich mit kleineren Wäldchen ab und die haben hier einen ganz anderen Charakter als die Buchenwälder weiter gen Münsingen. Birken, Lärchen und Kiefern geben dem Ensemble einen Hauch von Schweden, im Herbstkostüm wird das noch deutlicher.
Für Wanderer und Radfahrer ist die Gammertinger Albhochfläche trotzdem eher ein Geheimtipp. Kein Premiumwanderweg, keine Burg als Hotspot - so viel Ruhe wie hier ist selbst auf dem Rest der Alb selten. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit könnte schon sein, meinen die Aktiven von »Mensch und Natur«, ein Dolinenwanderweg würde sich ganz gut in die anderen Themenrundwege in der Region einfügen.
Wie kam´s zu der Idee? Der etwa 70 Mitglieder starke Verein engagiert sich stark im Naturschutz. Die geplanten Windkraftanlagen in und in Sichtweite von Kettenacker werden eher kritisch gesehen. Vor allem aber sammeln die Aktiven Wissen über die besondere Naturlandschaft ihrer Gemeinde. Dass es in Kettenacker mehr Löcher mit Geschichte als anderswo auf der Alb gibt, war bereits in den 1950er-Jahren aufgefallen, der Artikel »Aus Kettenacker - Geologisches und Vorgeschichte« in der »Hohenzollerischen Heimat« kündet davon. Einige der Dolinen, die jetzt prominent hervorgehoben werden sollen, werden darin bereits erwähnt. Dass zudem die Hochebene nicht gen Lauchert, sondern gen Zwiefalter Aach entwässert, haben spätere hydrogeologische Untersuchungen mit gefärbten Flüssigkeiten in den 2010er-Jahren bestätigt.
Viele der Dolinen wurden nach und nach verfüllt, etwa um das Arbeiten auf den Äckern zu erleichtern, anderer sind noch zu finden. 100 dieser mal Doline, mal Hüle oder Hülbe genannten Formationen, wurden kartiert - das ist auch für die Alb eine Ansage. Sie haben ganz unterschiedlichen Charakter, teils sind es Feuchtbiotope, teils grimme Schlüchte. Die schönsten Dolinen befreit der Verein vom Bewuchs, um wieder Licht an die wertvollen Lebensräume zu lassen beziehungsweise die Wasserflächen wieder zu öffnen. Alles in enger Abstimmung mit den Naturschutzbehörden, betont Birgit Steinhart, die Vorsitzende des Vereins.
An manchen Stellen wird Lehm eingebaut, damit das Oberflächenwasser nicht gleich wieder in Richtung Zwiefalten abfließt. So einfach wie das klingt, ist es jedoch nicht: Der Lehm darf nicht von irgendwo herkommen, muss zur Alb passen. Das wasserdichte Material wird jetzt erstmal gesammelt, im Herbst kommenden Jahres soll es dann eingebaut werden. Wie das dann an anderer Stelle aussehen könnte, kann man jetzt schon an der Fuchshülbe sehen. Die Gänsehüle ist dagegen ein tiefes felsiges Phänomen.
Die Erfassung und Dokumentation der Dolinen inklusive GPS-Koordinaten sei ein Jahrhundertwerk, meint Steinhart. Es stecke bereits viel Arbeit im Projekt und die Pflege werde weiter die ganze Kraft der Naturfreunde in Anspruch nehmen. »Mensch und Natur« hofft auf mehr Aktive und Sponsoren, die vielleicht die Patenschaft für Ruhebänke für müde Wanderer oder für weitere Vogel- und Fledermauskästen übernehmen, einige wurden bereits gesponsert, elf Fledermausarten wurden schon gezählt und profitieren von menschlicher Hilfe. Von der Arbeit des Vereins sollen auch andere Regionen profitieren. »Wenn wir hier Muster erstellen, können auch andere so oder ähnlich renaturieren.«
Lebensraum für seltene Arten, Bänke für Naturfreunde und hoffentlich bald ein richtiger Dolinen-Weg mit wissenschaftlich hinterlegten Informationen: Für den Verein »Mensch und Natur« gibt es noch eine Menge Arbeit. Eines ist Birgit Steinhart und ihren Mitstreitern wichtig: Die Schönheit der Landschaft um Kettenacker soll bekannter werden. Vielleicht, so hofft sie, erwächst daraus auch mehr Zurückhaltung bei der Planung der Windparks um die Gammertinger Albgemeinden. (GEA)