HOHENSTEIN. Eine Landtagsabgeordnete pflanzt einen Baum an einer Grundschule. Das klingt zunächst mal wenig spektakulär. In Hohenstein hat der Besuch der Grünen-Politikerin Cindy Holmberg aber Fragen aufgeworfen. Ein Leser hatte sich beim GEA gemeldet, um im Namen der Eltern Kritik und Fragen zu formulieren. Warum kommt eine Landtagsabgeordnete extra an eine Grundschule, um einen einzelnen Baum zu pflanzen? Hat Politik - egal welcher Partei-Farbe - dort überhaupt etwas zu suchen? Haben Kinder in diesem Alter Zugang zu politischen Themen und spielen sie im Lehrplan schon eine Rolle?
Ganz konkrete Sorgen hatten die Eltern mit Blick auf das Thema Fotografieren: Werden Bilder von ihren Kindern mit Politikern gemacht? Und landen die - ungefragt - auf irgendwelchen Internetseiten? Werden die Kinder also für politische Zwecke instrumentalisiert? Die Beteiligten - die Schulleitung, die Grünen-Abgeordnete und der Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Baden-Württemberg (VGL-BW) - schildern ihre Positionen und die Hintergründe der Aktion im Gespräch mit dem GEA.
Den Anlass dazu gegeben hat das 50-jährige Bestehen des Verbands VGL-BW, erklärt Andreas Haupert. Er ist Referent für Politik und Arbeitsmarkt im VGL-BW, der die Interessen von Garten- und Landschaftsbaubetrieben vertritt und dabei auch eng mit der Politik zusammenarbeitet - auf kommunaler Ebene genauso wie auf Landesebene in Ministerien, im Parlament und in dessen Ausschüssen. »50 Jahre, 50 Bäume: Wir haben anlässlich unseres Jubiläums 50 politischen Vertretern, mit denen wir eng zusammenarbeiten und inhaltliche Berührungspunkte haben, jeweils einen Baum geschenkt«, so Haupert.
50 Jahre, 50 Bäume für Politiker verschiedener Parteien
Zu den Beschenkten gehört in der Region nicht nur die Grünen-Wahlkreis-Abgeordnete Cindy Holmberg. Auch Rudi Fischer, der für die FDP im Landtag sitzt, hat einen Baum bekommen. Ebenso Regierungspräsident Klaus Tappeser - er hat ein CDU-Parteibuch - und der Reutlinger Oberbürgermeister Thomas Keck, der SPD-Mitglied ist. »Die Bäume wurden übers ganze Land an Leute verschiedenster politischer Couleur gestreut«, erklärt Haupert und betont: »Der VGL-BW ist ein politisch neutraler Verband.«
Wo sie den Baum pflanzen wollen, war den Politikern selbst überlassen. Gerne ausgewählt wurden Pflegeheime, Schulen, Kindertagesstätten, Spielplätze und Parks, berichtet Haupert. Die Baum-Geschenke wurden in der Regel gerne angenommen, »aber es gab einzelne Fälle, in denen eine politische Verbindung nicht gewollt war«. Die Hohensteinschule ist deshalb kein Einzel-, aber dennoch ein seltener Fall.
Wie kamen nun Cindy Holmberg und die Hohensteinschule zusammen? Der Grund, der die Grünen- Abgeordnete an die Schule führte, war tatsächlich ein politischer: Holmberg ist nicht nur stellvertretende Vorsitzende ihrer Fraktion, sondern auch Sprecherin Bauen und Wohnen sowie den Ländlicher Raum. In ihren Themenkreis gehört auch der Klimaschutz an Schulen, berichtet sie.
Fotos mit Schülern sind grundsätzlich tabu
Unter dem Motto »Heiß diskutieren, cool bleiben« sei sie auf Schultour, um mit Schulleitern über ganz konkrete Probleme zu sprechen, die vor allem auch mit den Bauten zusammenhängen: Nicht nur das Heizen, sondern auch Dämmung, Hitzeschutz und Verschattung im Sommer kommen dabei zur Sprache. »Wie man Altbauten kühlen kann, ist oft ein Thema bei Schulsanierung«, weiß sie. Aber auch für andere Themen, etwa der Ausbau der Ganztagesbetreuung und spezifische Herausforderungen am jeweiligen Schulstandort, sei Raum.
Beim »Cool bleiben« im Sommer hilft auch ein Baum - deshalb habe sie Schulleitung und Gemeinde vorgeschlagen, »ihren« Baum vom VGL-BW der Hohensteinschule zu schenken, erklärt Holmberg. Ein Angebot, das gerne angenommen wurde, wie Schulleiterin Tanja Glück bestätigt. Bei der Pflanzaktion selbst seien bewusst keine Kinder beteiligt gewesen, betonen Glück und Holmberg - auch Fotos mit Schülern gibt es deshalb nicht. Und auch beim VGL-BW achtet man laut Andreas Haupert darauf, in Publikationen jedweder Art, ob nun gedruckt oder online, keine Kinder abzubilden: »Wir sind uns bewusst, dass das ein sehr sensibles Thema ist.«
Cindy Holmberg bestätigt das: »Ich poste keine Bilder mit Kindern und Jugendlichen.« Die Sorge der Eltern hält sie aber für berechtigt. Vor einem guten Jahr habe es einen Fall im Landtag gegeben, »der uns alle nochmal sensibilisiert hat«, berichtet sie. Damals habe ein AfD-Abgeordneter Bilder mit Jugendlichen im Internet veröffentlicht - ohne das Einverständnis der Eltern, die sich daraufhin beschwert hatten. Schulklassen, berichtet Holmberg, »kommen in der Regel über den Besucherdienst des Landtags zu uns«. Damit der Verdacht parteipolitischer Beeinflussung gar nicht erst aufkommt, »sind bei solchen Terminen normalerweise Abgeordnete aller Parteien vertreten«.
Das Lieblingsessen und die Frage nach dem Frieden
An der Hohensteinschule war Cindy Holmberg - unabhängig vom Hintergrundgespräch zum Klimaschutz und der Baumpflanzaktion - auch noch zu Gast in einer einzelnen Klasse. Und zwar - was ein Teil der Eltern ebenfalls kritisch angemerkt und hinterfragt hatte - als einzige Abgeordnete, andere politische Vertreter waren nicht eingeladen . Ja, sagt Schulleiterin Tanja Glück ganz klar, "es ist vertretbar, dass eine Politikerin in den Unterricht kommt. Demokratiebildung ist ab Klasse 1 im Bildungsplan verankert. Die Schüler haben sich mit ihrer Lehrerin auf den Termin vorbereitet, so Glück. »Ich halte da keinen Vortrag«, schildert Holmberg den Ablauf, »die Kinder dürfen Fragen stellen«.
Und was fragen Viertklässler eine Politikerin? Sie wollen nicht nur wissen, was sie im Landtag macht, sondern auch, was sie gerne isst und welche Hobbys sie hat. Konkrete politische Fragen seien eher die Ausnahme, schildert Holmberg ihre Erfahrungen, aber es gibt sie. Ein Beispiel stammt aus der Anfangszeit des Ukraine-Kriegs. »Ich war an einer Grundschule, an der auch Kinder waren, die aus der Ukraine geflüchtet waren«, erzählt sie. »Die Kinder wollten wissen, wann der Krieg aufhört und ob ich Frieden machen kann.« (GEA)

