MÜNSINGEN-MAGOLSHEIM. Man kann es nicht mehr übersehen: Der Windpark Magolsheim nimmt Gestalt an, die Türme wachsen in den Himmel. Wer von Münsingen kommt, wird vom Anblick des ersten bereits erstellten Turms überrascht – vor vier Wochen herrschte über den Wipfeln noch Ruh’.
Gegenwärtig werden nach und nach die aus Betonfertigteilen bestehenden unteren Hälften der Türme aufgesetzt. An der Anlage 6 ist der Kran bereits wieder abgerückt, 90 Meter hoch ist das Bauwerk jetzt. Am nahe der L 230 gelegenen Standort MA04 geht es weiter.
»Das Windrad wird nicht nervös, das bleibt auch bei Starkwind ruhig«
Der Liebherr 1750 ist ein beeindruckendes Stück Maschinenbau, ragt noch über den 90-Meter-Turm hinaus. Für Enercon-Bauleiter Thomas Engel ist es trotzdem der »kleine Großkran«. Der große Bruder, der im Frühjahr anrücken wird, wird auf die Beton-Hälfte noch drei Stahlsegmente aufsetzen. »1750« steht für 750 Tonnen Nutzlast, das braucht er auch, meint Engel.
Nicht weil die einzelnen Teile so schwer sind, aber durch den Ausleger wirken gewaltige Kräfte. Auf die Betonteile kommen noch 62 Meter Stahl – verkleidet und weiß lackiert, wie der Eiffelturm wird es nicht aussehen. »Wenn man’s weiß, kann man den Unterschied sehen«, sagt Engel.
Darauf kommt das Maschinenhaus, die Nabe wird 162,5 Meter über dem Boden angebracht. Mit einem Rotordurchmesser von 175 Metern kommt ein Enercon E-175 EPS-Windrad auf eine Gesamthöhe von 250 Metern.
»Die Enercon-Anlagen sind der Mercedes unter den Windrädern«
Ein Enercon-Windrad sei der Mercedes der Branche, ist Engel stolz. Es kommt ohne Getriebe aus, die Last wird über Magnetfelder aufgenommen. Ab zwei Metern Windgeschwindigkeit drehen sich die Flügel, und dann mit konstanter Geschwindigkeit: Wenn der Wind stärker weht, wird mehr Kraft abgenommen. »Das Windrad wird nicht nervös, das bleibt ruhig«, erklärt der erfahrene Bauleiter.
Der Windpark Magolsheim wird in Rekordzeit hochgezogen, so weit ist noch keines der Projekte im Landkreis. Vor einem Jahr hat der Projektierer Schöller SI die Genehmigung beim Landratsamt beantragt, die bereits im April erteilt wurde. Die Arbeiten begannen so-fort, zuerst mit dem Anlegen der Zufahrten und des Bauuntergrunds. Das Material kommt aus Steinbrüchen im Umkreis, erklärt Johannes Wild, Leiter Projektentwicklung Erneuerbare En-ergien bei Schöller SI. Für Enercon war das Neuland. Die Zufahrtswege müssen hohe Belastungen aushalten, Enercon hat bisher mit Granit, zum Beispiel aus dem Schwarzwald, gearbeitet. Aber das Albgestein habe alle Tests bestanden, sagt Engel, »mit hervorragenden Ergebnissen«.
Auch der Beton für die Sockel kommt aus Werken im Umkreis. In den Fundamenten stecken immerhin 100 Tonnen Stahl, 130 Mischer-Lkw brachten den Beton – pro Anlage.
Auf der Baustelle gehen die Arbeiten zügig voran. »Wir haben ein gutes Team«, sagt Engel. Der »kleine Großkran« zieht ein Ringsegment nach oben. Oben im Turm warten die Spezialisten auf einer Arbeitsplattform, sie verbinden die Segmente aus Spannbeton. Am Boden werden be-reits der nächste Ring vorbereitet, die halbrunden Elemente zusammengefügt. Die Teams stehen mit den Kranführern in Funkkontakt und weisen sie ein. »Wir können auch bei dickem Nebel noch arbeiten«, so Engel.
Alle Arbeitsgeräte stehen auf Kunststoffplanen, Wasserschutz wird groß geschrieben. Konzepte gibt es auch für den Arten- und Bodenschutz und die Arbeitssicherheit. Wenn die Anlage läuft, gibt es Fledermausabschaltungen und die Erkennung von arbeitenden Traktoren – die jagen die Mäuse hoch und locken den Milan an.
Der Spannbetonteil des Turms am Standort MA04 steht vor der Vollendung, dann geht es an die noch verbleibenden vier Türme. Danach rückt der »große Großkran« an, es braucht 70 40-Tonner um den Riesen zu transportieren, beschreibt Engel die Dimensionen. Er wird die Stahlsegmente und das Nabenhaus aufsetzen, dann sind die Rotoren dran. Angeliefert werden sie per Lkw, bis Magolsheim können sie auf den gut ausgebauten, geraden Straßen transportiert werden. Danach bräuchte man Selbstfahrer-Transportmodule, sagt Johannes Wild.
Die erste Anlage sollte im Mai fertig sein, die letzte im kommenden September oder Oktober, sie gehen nach und nach ans Netz. Erstes Ziel des Stroms ist das Umspannwerk in Heroldstatt, das zurzeit ebenfalls von Schöller SI gebaut wird. Die Kabel werden bereits verlegt, in ausgefrästen Kanälen. Bauleiter Engel wünscht sich Frost, wenn’s geht ohne Schnee, damit seine Fräsen nicht im Lehm stecken bleiben.
Für die Bürger gibt es Beteiligungsmöglichkeiten, eine Informationsveranstaltung in Münsingen Ende Juli diesen Jahres war auf reges Interesse gestoßen, ab dem Frühjahr kann jeder investieren – über die Energiegenossenschaft EENA, über digitale Wertpapiere oder direkt mit einem Kommanditanteil, erläutert Andreas Do-minguez von Schöller SI.
Dann beginnt der Rückbau der Schotterflächen und »unserer Autobahnen«, beschreibt Engel die für den Rotorentransport ausgelegten Zufahrten zu den Baustellen. Am Ende werden pro Anlage 3.000 Quadratmeter Fläche benötigt, knapp zwei Hektar für den gesamten Windpark. (GEA)