MÜNSINGEN. »Die Bärin lag auf der Straße, die Jungen spielten hinter der Leitplanke«, erzählt Torsten Notz. Kein seltener Anblick im Hinterland von Rumänien, Begegnungen mit Bären hatten die drei Rietheimer Robin Griesinger, Jan Griesinger und Torsten Notz bei ihrer Tour durch Osteuropa mindestens zehn Mal, schätzt Notz. Und so war es auch gedacht: Abenteuer erleben, andere Menschen und Länder kennenlernen und Bären sehen, alles auf dem Pothole Rodeo Balkan 2024.
6.250 Kilometer, 706 Liter Sprit und 3,5 Liter Öl später ist er wieder zu Hause in Rietheim, der 500-Euro- Passat Syncro. Ein Stoßdämpfer schwächelt ein bisschen, und die Federbeindome sind ausgeschlagen, Notreparaturen waren auf der Reise aber nicht notwendig, der VW hat sich wacker geschlagen. Die drei Rietheimer auch, trotz einiger Strapazen auf der zwölftägigen Rallye durch die Schluchten des Balkan. Zwischen dem Start in der Steiermark bis zum Ziel in Kroatien wurden in zwölf Tagen zwölf Länder durchquert.
»Nach Osteuropa kommt man nicht so ohne Weiteres und zu einer Rallye auch nicht«
Bei der Pothole Rallye geht es nicht darum, wer zuerst ankommt. Im Fokus stehen Teamgeist und Abenteuer, die Lust, mal etwas anderes zu sehen. »Nach Osteuropa kommt man nicht so ohne Weiteres«, beschrieb das Trio seine Motivation vor dem Start, »und zu einer Rallye auch nicht.« Los ging es in der Steiermark, Sammelplatz für die 50 Teams war »Pechmanns alte Ölmühle« im »Vintage Look«. Auf der Fahrt haben die Teams viele Freiheiten, es gilt mal täglich, mal zweitägig Checkpoints zu passieren. Extrapunkte gibt es für den Besuch von besonderen Sehenswürdigkeiten, den Hotspots. Dazwischen ist viel Freiheit, es wird also nicht in Kolonne gefahren. Das Team »Two and a half Schwaben« freundete sich schon vor dem Start mit Emsländern auf einem Skoda Oktavia an. Es passte, die zwei Teams blieben bis zum Ende zusammen.
Navigationssysteme sind verpönt, navigiert wird nach alter Schule mit Karte und Kompass am »Verwaltungsplatz« auf der Rückbank. »Der Maßstab ist wichtiger, als man denkt«, haben sie gelernt: In den Großstädten des Ostens sind Hinweisschilder rar, die Überlandkarten zu ungenau. Insgesamt hat es aber nach alter Väter Sitte funktioniert, geschummelt wurde nur im Straßen- und Baustellendschungel von Thessaloniki. Die Emsländer haben es gedankt, »die waren froh, hinter uns herfahren zu können«, schmunzelt Robin Griesinger.

Noch ein Relikt aus vergangener Zeit hatte sich bewährt. Mit CB-Funk klappt die Kommunikation in der Kolonne - ab und an haben sich bis zu fünf Teams unterwegs gefunden - besser und schneller. »Vorsicht, Geröll auf der Fahrbahn - das muss man schnell weitergeben«, so Robin Griesinger, »zum Wählen am Smartphone bleibt da keine Zeit.«
Auch wenn die Emsländer sich das Navigieren sparen konnten, das Rodeo war keine Kaffeefahrt. Das Wetter im Osten war anders als auf der Alb sommerlich heiß und trocken, so sommerlich, dass das Thermometer im Auto bis zu 52 Grad anzeigte, die Klimaanlage hatten die drei Rietheimer vor dem Start nicht mehr zum Laufen gebracht. »Wir waren jeden Tag zehn bis 15 Stunden unterwegs«, erzählt Robin Griesinger, »fast reine Fahrzeit.« Die Pausen beschränkten sich auf die Stopps an den Tankstellen, für Sprit, Snacks und Crushed Ice für die Kühltruhe - das Aggregat hatte den Strapazen nicht lange standgehalten. Gegessen wurde meist während der Fahrt, aber »bei der Hitze will man eh lieber trinken«, so Jan Griesinger. Also ein strammes Programm. Der VW hat beim Überleben geholfen, der Syncro mit 186 PS war ja mal ein deutsches Spitzenprodukt: »Super Sitze, wir sind jeden Abend ohne Kreuzschmerzen ausgestiegen.«
Bei allem sportlichen Ehrgeiz haben die drei doch einiges mitgenommen. Die Kontakte mit den Menschen waren positiv, Sprachprobleme gab es, konnten aber mit Englisch oder Zeichensprache überwunden werden. »Cash or Card« kann jeder Tankwart. Und auf die Rallye-Fahrer waren viele neugierig. Nicht mal mit der Polizei gab es Schwierigkeiten, vielleicht auch, weil sie höchstens fünf Blitzer auf der Tour gesehen haben. Einer wurde mit einem eigens dafür abgestellten Notstromaggregat am Laufen gehalten, was der Tarnung ein bisschen im Wege stand. »Ich glaub’, der wollte gar nicht wirklich arbeiten«, meint Torsten.
Die häufigen Grenzübergänge waren ebenfalls kein Problem, trotzdem spannend: »Man merkt hier noch, dass man in ein anderes Land kommt«, meint Robin. Architektur, Landwirtschaft, Straßen - alles kann sich an den Staatsgrenzen ändern. Hier das trockene Albanien, dort das waldreiche Nordmazedonien - Gegensätze auf kleinem Raum. Auch spannend waren die Straßen in Osteuropa. Von deutschem Standard bis zu Schotterpisten, die Übergänge gerne abrupt auf offener Strecke. »Du kommst um die Ecke, die Piste ist Schotter, aber gut, und dann stehst du mit dem einen Vorderrad in einem halben Meter tiefen Loch«, erzählt Torsten Notz. Aber die Rallye heißt ja schließlich Pothole Rodeo, Aufsetzer gehören zur Tagesordnung, das Fünf-Millimeter-Stahlblech als Ölwannenschutz hat sich bewährt.

Autobahnen waren verpönt, Nebenstraßen angesagt, für 50 Kilometer Bergstraße brauchte das Team auch mal sechseinhalb Stunden. Lohn der Strapazen waren unvergessliche Aussichten, nicht nur der Transfagara?an Highway in Rumänien blieb im Gedächtnis - die »geilste Straße der Welt«. Mitgenommen haben die Rietheimer auch den Zusammenhalt der Teams, man habe sich geholfen, etwa als ein BMW nachts kurz vor dem Ziel von der Straße abkam: Totalschaden, aber glücklicherweise keine Verletzungen. Und abends hat man zusammengesessen, am Goldstrand in Bulgarien oder in den Bergen.
Kind sein dürfen
Das Rodeo hat einen guten Zweck. Mit der Teilnahme wird das Projekt »Kind sein dürfen« und dadurch ein Kinderheim in Albanien unterstützt. Spenden laufen über den Veranstalter Backroadclub (https://www.backroadclub.com/charity.1217.html) und die Eingabe der Startnummer »184«. Das Trio würde sich freuen. (GEA)
Vom Ziel in Kroatien ging es über die Autobahn zurück auf die Alb. Was aus dem Syncro wird, ist noch offen, zuerst steht eine Bestandsaufnahme an. Wer weiß, vielleicht kommt er nochmal zum Einsatz. Robin, Jan und Torsten haben Rallye-Blut geleckt, ein Pothole Rodeo durchs Baltikum würde die drei reizen. (GEA)