ST. JOHANN. Über ein Jahr lang mussten die Bewohner der Würtinger Ortsmitte mit einer Baustelle leben - mal mehr, mal weniger direkt vor ihren jeweiligen Haustüren. Häppchenweise wurde die Straße saniert. Überfällig war das, meint Bürgermeister Florian Bauer, der von der größten Baumaßnahme in St. Johann in vielen Jahren, gar Jahrzehnten spricht. Jahrzehnte alt ist auch die Vorgeschichte. Frank Ludwig vom Münsinger Ingenieurbüro Pirker und Pfeiffer, das das Projekt geplant und begleitet hat, erinnert sich, das Thema schon vor 30 Jahren zum ersten Mal auf dem Tisch gehabt zu haben.
Schon damals war klar: Die Straße ist nicht mehr im allerbesten Zustand, und das Entwässerungssystem ist's schon gleich zweimal nicht. Trotzdem dauerte es noch viele Jahre, bis wirklich was passierte. Gut fünf Jahre ist es her, dass Bürgermeister Bauer die Ortsdurchfahrt Vertretern des Regierungspräsidiums Tübingen »im Soich«, also bei miserablem Wetter, beim Fußmarsch präsentierte. Die Sache kam ins Rollen, 2022 wurde die Kurze Straße gerichtet - ein mit Blick aufs neue Kanalsystem notwendiger Vorgriff auf die ganz große Baustelle, die im August 2023 folgte und nun nach gut 14 Monaten abgeschlossen worden ist.
Unfallfreie Baustelle, geduldige Anwohner
Investiert wurde nicht nur viel Zeit, sondern auch viel Geld. 3,34 Millionen Euro waren es insgesamt, wobei das Land »nur« 1,26 Millionen davon übernahm. Die Ortsdurchfahrt ist eine Landesstraße, für alles, was nötig ist, damit Autos drauf fahren können, ist also das Land zuständig. Das, was unter der Straße liegt, gehört der Gemeinde: Sie bezahlte rund 2,08 Millionen für die längst überfällige Erneuerung des Kanal- und Wasserleitungsnetzes, 390.000 Euro gab's als Zuschuss vom Land.
Für das Regierungspräsidium als zuständige Behörde ist so ein Projekt Alltagsgeschäft, in den Akten läuft es als »kleine oder mittlere Maßnahme«, so Frank Ludwig. Eine offizielle Feier zur Wiedereröffnung gab's von Seiten des RPs deshalb nicht. Für die St. Johanner allerdings war die Baustelle weit mehr als eine Kleinigkeit, weshalb der Bürgermeister nun alle Beteiligten zu einem »Elfe-Bier« (es gab auch Alkoholfreies und Brezeln) eingeladen hatte.
Über ein Jahr lang waren die Bauarbeiter der Firma Eurovia im Ort präsent. Gebhard Kilgus zog im Namen der Baukolonne das Fazit: »Es war ein schönes und unfallfreies Schaffen, unsere Jungs wurden gut versorgt.« Beschwerden? »Tendenz null«, so Kilgus, statt Gemecker gabs Kaffee. Selbst dann, als Grundstücke tagelang nicht angefahren werden konnten. Mit den Umleitungen quer durch den Flecken mussten auch die leben, die nicht an der Ortsdurchfahrt wohnen, und auch aus Sicht der Pendler, die täglich durch Würtingen in Richtung Eningen und Reutlingen unterwegs sind, war die Sanierung mit Einschränkungen verbunden.
440 Sattelzüge Aushub
Jetzt rollt der Verkehr wieder, und zwar deutlich komfortabler: »Ich bin am Samstag durchgefahren, nichts hat geruckelt und geschaukelt«, so Frank Ludwig. Kein Vergleich zum vorherigen Zustand, als die zulässige Höchstgeschwindigkeit aufgrund der zunehmenden Schäden nach »jahrelanger Flickerei« schließlich sogar auf 30 Stundenkilometer herabgesetzt wurde.
420 Meter Straße - vom Unterbau bis zur Deckschicht - und jeweils 400 Meter Kanal und Wasserleitung wurden im Ortskern neu gemacht. Dafür wurde jede Menge Erde bewegt. Kämmerer Manuel Reiner hatte die Zahlen und setzte sie in Relation: Die 5.800 Kubikmeter Aushub entsprechen etwa der Ladung von 440 Sattelzügen. Nimmt man die zusätzlichen Bauabschnitte außerorts hinzu, für die allein Regierungspräsidium und Landratsamt zuständig waren, summieren sich die neu asphaltierten Straßenkilometer auf 2,6. Saniert wurden Teilstücke Richtung Ohnastetten und Lonsingen.
Ganz baustellenfrei ist die Würtinger Mitte in den nächsten Jahren allerdings trotzdem nicht: Der Breitbandausbau steht noch aus, die nötige Infrastruktur wird nicht unter der Fahrbahn, sondern unter den Gehwegen verlegt - deren Sanierung hat die Gemeinde deshalb vertagt, bis auch das schnelle Internet kommt. Im Jahr 2028, so Kämmerer Manuel Reiner, soll das Glasfasernetz stehen. (GEA)