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Dem Münsinger Urkörnle droht das Aus, weil Mitarbeiter fehlen

Dem Urkörnle fehlen Mitarbeiter. Finden sich nicht bald neue, ist am 31. Dezember endgültig Schluss

Norbert Wiese und Michelle Steudle hoffen auf Personal, sonst macht das Urkörnle zum Jahresende dicht.  FOTO: ZELLER-RAUSCHER
Norbert Wiese und Michelle Steudle hoffen auf Personal, sonst macht das Urkörnle zum Jahresende dicht. FOTO: ZELLER-RAUSCHER
Norbert Wiese und Michelle Steudle hoffen auf Personal, sonst macht das Urkörnle zum Jahresende dicht. FOTO: ZELLER-RAUSCHER

MÜNSINGEN. »Mein größter Weihnachtswunsch ist, dass es mit dem Urkörnle weitergeht«, hofft Konditorin Michelle Steudle mit feuchten Augen und auch ihr Chef Norbert Wiese wischt die Tränen ab. »Michelle ist das glänzende Beispiel dafür, dass es durchaus noch junge Menschen gibt, die arbeiten wollen«, lobt Wiese seine Mitarbeiterin. Beide leben und lieben ihren Beruf. Seinen Mitarbeitern musste Norbert Wiese dennoch zum 1. Januar kündigen. Nicht etwa, weil das Geschäft schlecht läuft: »Wir schreiben sehr gute schwarze Zahlen.« Sondern weil es schlichtweg am Personal fehlt.

»Ich kann mir einfach keinen besseren Chef vorstellen«

Wieses Bäcker musste aus gesundheitlichen Gründen bereits im Frühjahr das Arbeitsfeld wechseln, deshalb ist seither nur noch am Wochenende geöffnet. Seine Tochter Deborah, die im Service mitgewirkt hat, ist schwanger und seine Frau Ingrid, die ebenfalls zuständig für den Service im urgemütlichen Café, in dem man sogar im Bett frühstücken kann, ist gesundheitlich angeschlagen.

»Ich kann mir einfach keinen besseren Chef vorstellen. Er ist nicht nur menschlich top, er bezahlt mich auch gut«, lobt Michelle Steudle, die demnächst den Konditormeister machen will. Die 24-Jährige ergänzt: »Ich arbeite hier, als ob es mein eigenes Geschäft wäre.« Dass er seiner treuen Betriebsseele ebenso wie der sehr guten Küchenkraft kündigen musste, schmerzt den Bäcker, der seine Arbeit noch als echtes Handwerk versteht, ungemein.

Wer bei Wiese arbeitet, kann nicht nur arbeiten und Geld verdienen, sondern auch noch jede Menge dabei lernen. An Kreativität fehlt es dem Bäckermeister, der zudem den Konditormeisterbrief besitzt und auf ein abgeschlossenes Betriebswirtschaftsstudium blicken kann, nämlich nicht. Zusatzpülverchen, haben in Wieses Handwerkskunst nichts zu suchen, ebenso wie der übermäßige Einsatz von Hefe. Vielmehr wird in der guten Backstube, in die man vom Café aus Einblick hat, auf Natursauerteig, Koch- und Brühstücke, Dinkel-, Roggen-, Emmermehl, Schweizer Ruchmehl und auf Zeit, die in der echten Bäckerkunst eine ganz große Bedeutung hat, gesetzt. Mindestens 24 Stunden Reifezeit gibt Wiese seinen Backwaren, was sich nicht nur in der Konsistenz und dem Geschmack, sondern auch in der Bekömmlichkeit und der Haltbarkeit auszahlt.

Regionalität spielt dabei für den Meister seiner Kunst, eine große Rolle. Zu den Schattenzeiten des Bäckerhandwerks und der Gastronomie zählen die Arbeitszeiten. Das ist Wiese durchaus bewusst, warum er auch bereit ist, seine Mitarbeiter übertariflich zu bezahlen. Bei der Stadt Münsingen hat Wiese seinen Betrieb bereits auf 1. Januar abgemeldet. Würde jetzt doch ein »Wunder« geschehen und sich ein oder mehrere Bäcker oder Bäckerinnen, wie auch zwei Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen für den Service und eine Küchenkraft, gerne auch im Minijob- oder Teilzeitbereich finden, würde Wiese alles rückgängig machen. Wenn nicht, wird das Urkörnle Geschichte sein.

»Jeden einzelnen Stein, den Sie hier im Innenbereich sehen, hab ich selbst gemauert, die alten Fenster, durch die man in die Backstube sieht, hab ich aus einem Abrisshaus gerettet, und die Bank auf der Sie sitzen, hab ich aus einem alten Backbrett gemacht«, blickt Wiese mit feuchten Augen auf sein Werk, das eine einzigartige, urgemütliche Atmosphäre versprüht.

Die Arbeitszeit für den oder die Bäcker/innen, die von Wiese dringend gesucht werden, wäre donnerstags und freitags von 4 bis 15 Uhr sowie am Freitag und Samstag von 23 bis 8 Uhr. Eine Küchenkraft wird zudem für samstags und sonntags in der Zeit von 12 bis 19 Uhr gesucht und Servicepersonal samstags und sonntags in Schicht eins von 5 bis 14 Uhr und in Schicht zwei von 13 bis 19 Uhr. Infos und Kontakt für die Bewerbung gibt es online. (szr)

 

www.urkoernle.de