ST. JOHANN/SONNENBÜHL. Jetzt ist Setzzeit. Die Rehe bringen ihre Jungen zur Welt, wofür die Geiß als Wochenbett häufig die jetzt blühenden Wiesen wählt. Aus gutem Grund. Das hohe Gras bietet Kitzen besten Sichtschutz vor Feinden, wenn sich die Mutter zum Äsen entfernt. Es wird für die Jungtiere andererseits aber zur tödlichen Falle, wenn wie zurzeit starke Traktoren mit breiten Mähwerken übers Grünland jagen, dessen Ertrag luftdicht verpackt zu Grassilage werden soll.
»Mähverluste spielen bei Wildtieren eine große Rolle«, schreibt Andreas Elliger von der Wildforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg in einem Beitrag über das Projekt Rehwildmarkierung, das er für das Land Baden-Württemberg am Landwirtschaftlichen Zentrum in Aulendorf koordiniert. Und auch der Deutsche Jagdverband hat bereits auf das jährlich wiederkehrende Leid in den Mähwiesen hingewiesen.
Unsichtbarmachen ist tödlich
Die Crux dabei ist, dass die im Gras kauernden bei ihrer Geburt nur etwa drei Kilo schweren Kitze für einen Traktorfahrer aus seiner Kabine heraus nicht zu sehen sind. Ihrem Instinkt gehorchend verharren die Kitze reglos am Boden, anstatt vor der sich nähernden lärmenden Gefahr zu fliehen. »Das Verhalten des sich Unsichtbarmachens schützt zusammen mit der Tarnfärbung zwar vor Füchsen, zumal Kitze in den ersten beiden Lebenswochen auch keine Witterung (keinen Eigengeruch) haben, nicht aber vor den Mähwerken«, erklärt der Wildforscher Elliger.
Kein Kollateralschaden, der durch den Verwesungsprozess der Kadaver die Grassilage vergiftet, sondern vermeidbares Tierleid. Aus diesem Grund rufen Jagd- und Naturschutzverbände alljährlich Landwirte und Jäger auf, die zur Mahd anstehenden Wiesen vorab abzusuchen. »Oft beobachten Landwirte oder Jäger ja auch, dass eine Rehgeiß kurz vor Geburt eine bestimmte Wiese aufsucht«, macht sich Norbert Reich für gutes Miteinander stark. Dann könne einer den anderen informieren. (GEA)